Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.Der chemische Proceß der Diese drei Stoffe zeigen nicht allein in der Analyse ein absolutgleiches Gewichtsverhältniß an Elementen, sondern sie können auch der eine in den andern vorwärts und rückwärts verwan- delt werden und zwar in hermetisch geschlossenen Gefäßen, ohne daß also an dieser Verwandlung ein Stoff von Außen Antheil nimmt 21). Unter den stickstofffreien Substanzen kennen wir in dem Aldehyd eine mit Wasser mischbare brennbare Flüssigkeit, welche in der Wärme der Hand schon siedet, mit großer Begierde Sauerstoff aus der Luft anzieht und sich in Essigsäure verwandelt. Dieser Aldehyd läßt sich selbst in zugeschmolzenen Gefäßen nicht aufbewahren, schon nach Stunden oder Tagen ändert sich seine Beschaffenheit, seine Flüchtigkeit, seine Fähigkeit Sauerstoff anzuziehen; es setzen sich lange farblose, harte Nadeln darin ab, welche bei Siedhitze des Wassers noch nicht flüchtig sind, und die Flüssigkeit, in welcher es geschieht, ist kein Aldehyd mehr, sie siedet erst bei 60°, mischt sich nicht mehr mit Wasser und krystallisirt in eis- ähnlichen Nadeln bei einem geringen Kältegrade. Nichtsdesto- weniger hat die Analyse dargethan, daß diese drei so verschie- denen Substanzen identisch in ihrer Zusammensetzung sind 22). 3. Einer ähnlichen Dreiheit begegnen wir in dem Albumin, Wenn man Thieralbumin, -Fibrin und -Casein in einer Der chemiſche Proceß der Dieſe drei Stoffe zeigen nicht allein in der Analyſe ein abſolutgleiches Gewichtsverhältniß an Elementen, ſondern ſie können auch der eine in den andern vorwärts und rückwärts verwan- delt werden und zwar in hermetiſch geſchloſſenen Gefäßen, ohne daß alſo an dieſer Verwandlung ein Stoff von Außen Antheil nimmt 21). Unter den ſtickſtofffreien Subſtanzen kennen wir in dem Aldehyd eine mit Waſſer miſchbare brennbare Flüſſigkeit, welche in der Wärme der Hand ſchon ſiedet, mit großer Begierde Sauerſtoff aus der Luft anzieht und ſich in Eſſigſäure verwandelt. Dieſer Aldehyd läßt ſich ſelbſt in zugeſchmolzenen Gefäßen nicht aufbewahren, ſchon nach Stunden oder Tagen ändert ſich ſeine Beſchaffenheit, ſeine Flüchtigkeit, ſeine Fähigkeit Sauerſtoff anzuziehen; es ſetzen ſich lange farbloſe, harte Nadeln darin ab, welche bei Siedhitze des Waſſers noch nicht flüchtig ſind, und die Flüſſigkeit, in welcher es geſchieht, iſt kein Aldehyd mehr, ſie ſiedet erſt bei 60°, miſcht ſich nicht mehr mit Waſſer und kryſtalliſirt in eis- ähnlichen Nadeln bei einem geringen Kältegrade. Nichtsdeſto- weniger hat die Analyſe dargethan, daß dieſe drei ſo verſchie- denen Subſtanzen identiſch in ihrer Zuſammenſetzung ſind 22). 3. Einer ähnlichen Dreiheit begegnen wir in dem Albumin, Wenn man Thieralbumin, -Fibrin und -Caſein in einer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0130" n="106"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der chemiſche Proceß der</hi></fw><lb/> Dieſe drei Stoffe zeigen nicht allein in der Analyſe ein abſolut<lb/> gleiches Gewichtsverhältniß an Elementen, ſondern ſie können<lb/> auch der eine in den andern vorwärts und rückwärts verwan-<lb/> delt werden und zwar in hermetiſch geſchloſſenen Gefäßen,<lb/> ohne daß alſo an dieſer Verwandlung ein Stoff von Außen<lb/> Antheil nimmt <hi rendition="#sup">21</hi>). Unter den ſtickſtofffreien Subſtanzen<lb/> kennen wir in dem <hi rendition="#g">Aldehyd</hi> eine mit Waſſer miſchbare<lb/> brennbare Flüſſigkeit, welche in der Wärme der Hand ſchon<lb/> ſiedet, mit großer Begierde Sauerſtoff aus der Luft anzieht<lb/> und ſich in Eſſigſäure verwandelt. Dieſer Aldehyd läßt ſich<lb/> ſelbſt in zugeſchmolzenen Gefäßen nicht aufbewahren, ſchon<lb/> nach Stunden oder Tagen ändert ſich ſeine Beſchaffenheit, ſeine<lb/> Flüchtigkeit, ſeine Fähigkeit Sauerſtoff anzuziehen; es ſetzen ſich<lb/> lange farbloſe, harte Nadeln darin ab, welche bei Siedhitze<lb/> des Waſſers noch nicht flüchtig ſind, und die Flüſſigkeit, in<lb/> welcher es geſchieht, iſt kein Aldehyd mehr, ſie ſiedet erſt bei<lb/> 60°, miſcht ſich nicht mehr mit Waſſer und kryſtalliſirt in eis-<lb/> ähnlichen Nadeln bei einem geringen Kältegrade. Nichtsdeſto-<lb/> weniger hat die Analyſe dargethan, daß dieſe drei ſo verſchie-<lb/> denen Subſtanzen identiſch in ihrer Zuſammenſetzung ſind <hi rendition="#sup">22</hi>).</p><lb/> <p>3. Einer ähnlichen Dreiheit begegnen wir in dem Albumin,<lb/> Fibrin und Caſein. Bis auf ihre phyſikaliſchen Eigenſchaften<lb/> weichen ſie in ihrem Gehalte an organiſchen Elementen nicht<lb/> von einander ab.</p><lb/> <p>Wenn man Thieralbumin, -Fibrin und -Caſein in einer<lb/> mäßig ſtarken Kalilauge löſ’t und dieſe Flüſſigkeit eine Zeit-<lb/> lang einer höhern Temperatur ausſetzt, ſo werden dieſe Ma-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0130]
Der chemiſche Proceß der
Dieſe drei Stoffe zeigen nicht allein in der Analyſe ein abſolut
gleiches Gewichtsverhältniß an Elementen, ſondern ſie können
auch der eine in den andern vorwärts und rückwärts verwan-
delt werden und zwar in hermetiſch geſchloſſenen Gefäßen,
ohne daß alſo an dieſer Verwandlung ein Stoff von Außen
Antheil nimmt 21). Unter den ſtickſtofffreien Subſtanzen
kennen wir in dem Aldehyd eine mit Waſſer miſchbare
brennbare Flüſſigkeit, welche in der Wärme der Hand ſchon
ſiedet, mit großer Begierde Sauerſtoff aus der Luft anzieht
und ſich in Eſſigſäure verwandelt. Dieſer Aldehyd läßt ſich
ſelbſt in zugeſchmolzenen Gefäßen nicht aufbewahren, ſchon
nach Stunden oder Tagen ändert ſich ſeine Beſchaffenheit, ſeine
Flüchtigkeit, ſeine Fähigkeit Sauerſtoff anzuziehen; es ſetzen ſich
lange farbloſe, harte Nadeln darin ab, welche bei Siedhitze
des Waſſers noch nicht flüchtig ſind, und die Flüſſigkeit, in
welcher es geſchieht, iſt kein Aldehyd mehr, ſie ſiedet erſt bei
60°, miſcht ſich nicht mehr mit Waſſer und kryſtalliſirt in eis-
ähnlichen Nadeln bei einem geringen Kältegrade. Nichtsdeſto-
weniger hat die Analyſe dargethan, daß dieſe drei ſo verſchie-
denen Subſtanzen identiſch in ihrer Zuſammenſetzung ſind 22).
3. Einer ähnlichen Dreiheit begegnen wir in dem Albumin,
Fibrin und Caſein. Bis auf ihre phyſikaliſchen Eigenſchaften
weichen ſie in ihrem Gehalte an organiſchen Elementen nicht
von einander ab.
Wenn man Thieralbumin, -Fibrin und -Caſein in einer
mäßig ſtarken Kalilauge löſ’t und dieſe Flüſſigkeit eine Zeit-
lang einer höhern Temperatur ausſetzt, ſo werden dieſe Ma-
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