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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Umsetzung der Gebilde.
wird durch die Berührung mit andern Körpern, deren Ele-
mentartheile sich selbst im Zustand der Umsetzung (Zersetzung)
befinden. Es ist eine Uebertragung und Mittheilung eines
Zustandes der Bewegung, welche die Atome eines sich
in Bewegung befindlichen Körpers in andern Materien her-
vorzubringen vermögen, deren Elementartheile nur mit einer
geringen Kraft zusammengehalten sind.

8. So enthält denn der klare Magensaft eine im Zustand
der Umsetzung befindliche Materie, durch deren Berührung
mit den an und für sich im Wasser unlöslichen Bestandtheilen
der Speise, diese die Fähigkeit sich zu lösen, in Folge einer
neuen Gruppirung ihrer Elementartheile, empfangen. Wäh-
rend der Verdauung enthält der abgesonderte Magensaft eine
freie Mineralsäure, durch deren Gegenwart eine jede weitere
Veränderung aufgehalten wird.

Daß die Löslichwerdung der Speisen unabhängig von der
Lebensthätigkeit der Verdauungsorgane ist, haben die Physiolo-
gen aufs klarste durch eine Menge der schönsten Versuche darge-
than. Speisen, in metallene durchlöcherte Röhren eingeschlossen,
so daß sie mit den Wänden des Magens nicht in Berührung
kommen konnten, verschwinden ebenso leicht und schnell, sie wer-
den eben so gut verdaut, wie wenn diese Hülle nicht vorhanden
gewesen wäre, und frisch aus dem Körper genommener Ma-
gensaft, in dem man gekochtes Eiweiß, Muskelfleisch bei der
Temperatur des Thierkörpers eine Zeitlang erhält, bewirkt,
daß sie ihre feste Beschaffenheit verlieren; sie lösen sich in
der Flüssigkeit auf.


Umſetzung der Gebilde.
wird durch die Berührung mit andern Körpern, deren Ele-
mentartheile ſich ſelbſt im Zuſtand der Umſetzung (Zerſetzung)
befinden. Es iſt eine Uebertragung und Mittheilung eines
Zuſtandes der Bewegung, welche die Atome eines ſich
in Bewegung befindlichen Körpers in andern Materien her-
vorzubringen vermögen, deren Elementartheile nur mit einer
geringen Kraft zuſammengehalten ſind.

8. So enthält denn der klare Magenſaft eine im Zuſtand
der Umſetzung befindliche Materie, durch deren Berührung
mit den an und für ſich im Waſſer unlöslichen Beſtandtheilen
der Speiſe, dieſe die Fähigkeit ſich zu löſen, in Folge einer
neuen Gruppirung ihrer Elementartheile, empfangen. Wäh-
rend der Verdauung enthält der abgeſonderte Magenſaft eine
freie Mineralſäure, durch deren Gegenwart eine jede weitere
Veränderung aufgehalten wird.

Daß die Löslichwerdung der Speiſen unabhängig von der
Lebensthätigkeit der Verdauungsorgane iſt, haben die Phyſiolo-
gen aufs klarſte durch eine Menge der ſchönſten Verſuche darge-
than. Speiſen, in metallene durchlöcherte Röhren eingeſchloſſen,
ſo daß ſie mit den Wänden des Magens nicht in Berührung
kommen konnten, verſchwinden ebenſo leicht und ſchnell, ſie wer-
den eben ſo gut verdaut, wie wenn dieſe Hülle nicht vorhanden
geweſen wäre, und friſch aus dem Körper genommener Ma-
genſaft, in dem man gekochtes Eiweiß, Muskelfleiſch bei der
Temperatur des Thierkörpers eine Zeitlang erhält, bewirkt,
daß ſie ihre feſte Beſchaffenheit verlieren; ſie löſen ſich in
der Flüſſigkeit auf.


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[111/0135] Umſetzung der Gebilde. wird durch die Berührung mit andern Körpern, deren Ele- mentartheile ſich ſelbſt im Zuſtand der Umſetzung (Zerſetzung) befinden. Es iſt eine Uebertragung und Mittheilung eines Zuſtandes der Bewegung, welche die Atome eines ſich in Bewegung befindlichen Körpers in andern Materien her- vorzubringen vermögen, deren Elementartheile nur mit einer geringen Kraft zuſammengehalten ſind. 8. So enthält denn der klare Magenſaft eine im Zuſtand der Umſetzung befindliche Materie, durch deren Berührung mit den an und für ſich im Waſſer unlöslichen Beſtandtheilen der Speiſe, dieſe die Fähigkeit ſich zu löſen, in Folge einer neuen Gruppirung ihrer Elementartheile, empfangen. Wäh- rend der Verdauung enthält der abgeſonderte Magenſaft eine freie Mineralſäure, durch deren Gegenwart eine jede weitere Veränderung aufgehalten wird. Daß die Löslichwerdung der Speiſen unabhängig von der Lebensthätigkeit der Verdauungsorgane iſt, haben die Phyſiolo- gen aufs klarſte durch eine Menge der ſchönſten Verſuche darge- than. Speiſen, in metallene durchlöcherte Röhren eingeſchloſſen, ſo daß ſie mit den Wänden des Magens nicht in Berührung kommen konnten, verſchwinden ebenſo leicht und ſchnell, ſie wer- den eben ſo gut verdaut, wie wenn dieſe Hülle nicht vorhanden geweſen wäre, und friſch aus dem Körper genommener Ma- genſaft, in dem man gekochtes Eiweiß, Muskelfleiſch bei der Temperatur des Thierkörpers eine Zeitlang erhält, bewirkt, daß ſie ihre feſte Beſchaffenheit verlieren; ſie löſen ſich in der Flüſſigkeit auf.

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/135>, abgerufen am 07.05.2024.