Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.Der chemische Proceß der lons und der Zuckerarten, bei Berührung mit Thiersubstan-zen, die sich im Zustande der Zersetzung befinden, in Milch- säure überzugehen, hat einen Grund bei den Physiologen abgegeben, um ihre Entstehung während der Verdauung ohne weiteres anzunehmen, und ihre Fähigkeit, den phosphorsau- ren Kalk aufzulösen, veranlaßte sie, der Milchsäure die Rolle eines allgemeinen Auflösungsmittels zuzuschreiben. Allein es gelang weder Prout noch Braconnot, Milch- säure im Magensafte nachzuweisen, und selbst Lehmann (s. sein Lehrbuch der physiologischen Chemie 1. Bd. S. 285) erhielt aus dem Magensaft einer Katze nur mikroskopisch erkennbare Krystalle, die er für milchsaures Zinkoxyd erklärt, obwohl ihr chemischer Charakter nicht ausgemittelt werden konnte. Das Vorhandensein von freier Salzsäure im Magen- In ihrem Vermögen, Knochenerde aufzulösen, wird die Der chemiſche Proceß der lons und der Zuckerarten, bei Berührung mit Thierſubſtan-zen, die ſich im Zuſtande der Zerſetzung befinden, in Milch- ſäure überzugehen, hat einen Grund bei den Phyſiologen abgegeben, um ihre Entſtehung während der Verdauung ohne weiteres anzunehmen, und ihre Fähigkeit, den phosphorſau- ren Kalk aufzulöſen, veranlaßte ſie, der Milchſäure die Rolle eines allgemeinen Auflöſungsmittels zuzuſchreiben. Allein es gelang weder Prout noch Braconnot, Milch- ſäure im Magenſafte nachzuweiſen, und ſelbſt Lehmann (ſ. ſein Lehrbuch der phyſiologiſchen Chemie 1. Bd. S. 285) erhielt aus dem Magenſaft einer Katze nur mikroſkopiſch erkennbare Kryſtalle, die er für milchſaures Zinkoxyd erklärt, obwohl ihr chemiſcher Charakter nicht ausgemittelt werden konnte. Das Vorhandenſein von freier Salzſäure im Magen- In ihrem Vermögen, Knochenerde aufzulöſen, wird die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0138" n="114"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der chemiſche Proceß der</hi></fw><lb/> lons und der Zuckerarten, bei Berührung mit Thierſubſtan-<lb/> zen, die ſich im Zuſtande der Zerſetzung befinden, in Milch-<lb/> ſäure überzugehen, hat einen Grund bei den Phyſiologen<lb/> abgegeben, um ihre Entſtehung während der Verdauung ohne<lb/> weiteres anzunehmen, und ihre Fähigkeit, den phosphorſau-<lb/> ren Kalk aufzulöſen, veranlaßte ſie, der Milchſäure die<lb/> Rolle eines allgemeinen Auflöſungsmittels zuzuſchreiben.<lb/> Allein es gelang weder <hi rendition="#g">Prout</hi> noch <hi rendition="#g">Braconnot</hi>, Milch-<lb/> ſäure im Magenſafte nachzuweiſen, und ſelbſt <hi rendition="#g">Lehmann</hi><lb/> (ſ. ſein Lehrbuch der phyſiologiſchen Chemie 1. Bd. S. 285)<lb/> erhielt aus dem Magenſaft einer Katze nur mikroſkopiſch<lb/> erkennbare Kryſtalle, die er für milchſaures Zinkoxyd erklärt,<lb/> obwohl ihr chemiſcher Charakter nicht ausgemittelt werden<lb/> konnte.</p><lb/> <p>Das Vorhandenſein von freier Salzſäure im Magen-<lb/> ſafte, was <hi rendition="#g">Prout</hi> zuerſt beobachtete, iſt ſpäter von allen<lb/> Chemikern, die ſich mit ſeiner Unterſuchung beſchäftigt haben,<lb/> beſtätigt worden. Dieſe Salzſäure ſtammt offenbar von<lb/> dem Kochſalz her, deſſen Natron bei dem Uebergang des<lb/> Fibrins und Caſeins in Blut eine ganz beſtimmte Rolle über-<lb/> nimmt.</p><lb/> <p>In ihrem Vermögen, Knochenerde aufzulöſen, wird die<lb/> Salzſäure von keiner organiſchen Säure übertroffen, und<lb/> Eſſigſäure ſteht in dieſer Eigenſchaft der Milchſäure gleich.<lb/> Von einer Nothwendigkeit der Gegenwart der Milchſäure<lb/> während des Verdauungsproceſſes kann hiernach keine Rede<lb/> ſein; mit Beſtimmtheit weiß man, daß ſie in dem künſtlichen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0138]
Der chemiſche Proceß der
lons und der Zuckerarten, bei Berührung mit Thierſubſtan-
zen, die ſich im Zuſtande der Zerſetzung befinden, in Milch-
ſäure überzugehen, hat einen Grund bei den Phyſiologen
abgegeben, um ihre Entſtehung während der Verdauung ohne
weiteres anzunehmen, und ihre Fähigkeit, den phosphorſau-
ren Kalk aufzulöſen, veranlaßte ſie, der Milchſäure die
Rolle eines allgemeinen Auflöſungsmittels zuzuſchreiben.
Allein es gelang weder Prout noch Braconnot, Milch-
ſäure im Magenſafte nachzuweiſen, und ſelbſt Lehmann
(ſ. ſein Lehrbuch der phyſiologiſchen Chemie 1. Bd. S. 285)
erhielt aus dem Magenſaft einer Katze nur mikroſkopiſch
erkennbare Kryſtalle, die er für milchſaures Zinkoxyd erklärt,
obwohl ihr chemiſcher Charakter nicht ausgemittelt werden
konnte.
Das Vorhandenſein von freier Salzſäure im Magen-
ſafte, was Prout zuerſt beobachtete, iſt ſpäter von allen
Chemikern, die ſich mit ſeiner Unterſuchung beſchäftigt haben,
beſtätigt worden. Dieſe Salzſäure ſtammt offenbar von
dem Kochſalz her, deſſen Natron bei dem Uebergang des
Fibrins und Caſeins in Blut eine ganz beſtimmte Rolle über-
nimmt.
In ihrem Vermögen, Knochenerde aufzulöſen, wird die
Salzſäure von keiner organiſchen Säure übertroffen, und
Eſſigſäure ſteht in dieſer Eigenſchaft der Milchſäure gleich.
Von einer Nothwendigkeit der Gegenwart der Milchſäure
während des Verdauungsproceſſes kann hiernach keine Rede
ſein; mit Beſtimmtheit weiß man, daß ſie in dem künſtlichen
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