Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.Vorwort. dem Gebiete der anorganischen Chemie erworbenen Erfah-rungen, die Kenntniß des Verhaltens der einfachen Körper und ihrer in Laboratorien darstellbaren Verbindungen mit dem lebendigen Thierkörper und dem Verhalten seiner Be- standtheile in keine Art von Beziehung gebracht werden konnten. Die Physiologie nahm keinen Theil an den Fortschritten Niemand wird den Muth haben zu behaupten, daß die Vorwort. dem Gebiete der anorganiſchen Chemie erworbenen Erfah-rungen, die Kenntniß des Verhaltens der einfachen Körper und ihrer in Laboratorien darſtellbaren Verbindungen mit dem lebendigen Thierkörper und dem Verhalten ſeiner Be- ſtandtheile in keine Art von Beziehung gebracht werden konnten. Die Phyſiologie nahm keinen Theil an den Fortſchritten Niemand wird den Muth haben zu behaupten, daß die <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015" n="IX"/><fw place="top" type="header">Vorwort.</fw><lb/> dem Gebiete der anorganiſchen Chemie erworbenen Erfah-<lb/> rungen, die Kenntniß des Verhaltens der einfachen Körper<lb/> und ihrer in Laboratorien darſtellbaren Verbindungen mit<lb/> dem lebendigen Thierkörper und dem Verhalten ſeiner Be-<lb/> ſtandtheile in keine Art von Beziehung gebracht werden<lb/> konnten.</p><lb/> <p>Die Phyſiologie nahm keinen Theil an den Fortſchritten<lb/> der Chemie, weil ſie lange Zeit hindurch, zu ihrer eigenen<lb/> Förderung, nichts von dieſer Wiſſenſchaft zu empfangen hatte.<lb/> Dieſer Zuſtand hat ſich ſeit fünfundzwanzig Jahren geändert;<lb/> allein auch in der Phyſiologie ſind in dieſer Zeit neue Wege<lb/> und Mittel zu Forſchungen in ihrem eigenen Gebiete ge-<lb/> wonnen worden, und erſt mit der Erſchöpfung dieſer Quellen<lb/> von Entdeckungen ließ ſich einer neuen Richtung in den<lb/> Arbeiten der Phyſiologen entgegenſehen. Auch dieſe Zeit<lb/> liegt uns nahe, und ein Weiterſchreiten auf dem einge-<lb/> ſchlagenen Wege würde jetzt das Gebiet der Phyſiologie,<lb/> aus dem ſich ſehr bald fühlbar machenden Mangel an fri-<lb/> ſchen Anhaltspunkten zu Forſchungen, nur breiter, aber we-<lb/> der tiefer noch gründlicher machen.</p><lb/> <p>Niemand wird den Muth haben zu behaupten, daß die<lb/> Ermittelung der Formen und der Bewegungserſcheinungen<lb/> nicht nothwendig oder nützlich wäre, ſie muß im Gegentheil<lb/> als durchaus unentbehrlich zur Erkenntniß der Lebensproceſſe<lb/> angeſehen werden; allein ſie umfaßt nur eine einzige Klaſſe<lb/> von Bedingungen zur Erkenntniß, und dieſe reichen für ſich<lb/> allein nicht dazu hin.</p><lb/> </div> </front> </text> </TEI> [IX/0015]
Vorwort.
dem Gebiete der anorganiſchen Chemie erworbenen Erfah-
rungen, die Kenntniß des Verhaltens der einfachen Körper
und ihrer in Laboratorien darſtellbaren Verbindungen mit
dem lebendigen Thierkörper und dem Verhalten ſeiner Be-
ſtandtheile in keine Art von Beziehung gebracht werden
konnten.
Die Phyſiologie nahm keinen Theil an den Fortſchritten
der Chemie, weil ſie lange Zeit hindurch, zu ihrer eigenen
Förderung, nichts von dieſer Wiſſenſchaft zu empfangen hatte.
Dieſer Zuſtand hat ſich ſeit fünfundzwanzig Jahren geändert;
allein auch in der Phyſiologie ſind in dieſer Zeit neue Wege
und Mittel zu Forſchungen in ihrem eigenen Gebiete ge-
wonnen worden, und erſt mit der Erſchöpfung dieſer Quellen
von Entdeckungen ließ ſich einer neuen Richtung in den
Arbeiten der Phyſiologen entgegenſehen. Auch dieſe Zeit
liegt uns nahe, und ein Weiterſchreiten auf dem einge-
ſchlagenen Wege würde jetzt das Gebiet der Phyſiologie,
aus dem ſich ſehr bald fühlbar machenden Mangel an fri-
ſchen Anhaltspunkten zu Forſchungen, nur breiter, aber we-
der tiefer noch gründlicher machen.
Niemand wird den Muth haben zu behaupten, daß die
Ermittelung der Formen und der Bewegungserſcheinungen
nicht nothwendig oder nützlich wäre, ſie muß im Gegentheil
als durchaus unentbehrlich zur Erkenntniß der Lebensproceſſe
angeſehen werden; allein ſie umfaßt nur eine einzige Klaſſe
von Bedingungen zur Erkenntniß, und dieſe reichen für ſich
allein nicht dazu hin.
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