von Galle, so muß anderen stickstoffhaltigen Substanzen ein ähnliches Vermögen zugeschrieben werden.
Unerforschlich wird es immer bleiben, wie die Menschen auf den Genuß eines heißen Aufgusses von Blättern gewis- ser Stauden oder der Abkochung gerösteter Samen gekom- men sind; es muß eine Ursache geben, welche erklärt, wie er ganzen Nationen zu einem Lebensbedürfniß geworden ist. Noch weit merkwürdiger ist es gewiß, daß die wohlthätigen Wirkungen auf die Gesundheit, in beiden Pflanzenstoffen, ei- ner und derselben Materie zugeschrieben werden müssen, deren Vorhandensein in zwei Pflanzen, welche verschiedenen Pflanzenfamilien und Welttheilen angehören, die kühnste Phantasie nicht voraussetzen konnte.
Nicht minder bemerkenswerth ist es gewiß, daß der Fleisch-essende Indianer in dem Tabacksrauchen ein Mittel entdeckte, welches den Umsatz seiner Gebilde verlangsamt und damit den Hunger erträglicher macht, daß er dem Ge- nusse des Branntweins nicht zu widerstehen vermag, der in seinem Körper als Respirationsmittel dient und die Func- tion seiner umgesetzten Gebilde übernimmt. Thee und Caffee treffen wir ursprünglich bei Nationen an, welche vor- zugsweise vegetabilische Nahrung genießen.
87. Ohne auf die medicinischen Wirkungen des Caffeins und Theins einzugehen, wird man es jedenfalls, selbst wenn man sich darin gefallen sollte, ihren Einfluß auf den Secretionsproceß zu leugnen, höchst auffallend finden, daß Caffein und Thein, durch ein Hinzutreten von Wasser und
Umſetzung der Gebilde.
von Galle, ſo muß anderen ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen ein ähnliches Vermögen zugeſchrieben werden.
Unerforſchlich wird es immer bleiben, wie die Menſchen auf den Genuß eines heißen Aufguſſes von Blättern gewiſ- ſer Stauden oder der Abkochung geröſteter Samen gekom- men ſind; es muß eine Urſache geben, welche erklärt, wie er ganzen Nationen zu einem Lebensbedürfniß geworden iſt. Noch weit merkwürdiger iſt es gewiß, daß die wohlthätigen Wirkungen auf die Geſundheit, in beiden Pflanzenſtoffen, ei- ner und derſelben Materie zugeſchrieben werden müſſen, deren Vorhandenſein in zwei Pflanzen, welche verſchiedenen Pflanzenfamilien und Welttheilen angehören, die kühnſte Phantaſie nicht vorausſetzen konnte.
Nicht minder bemerkenswerth iſt es gewiß, daß der Fleiſch-eſſende Indianer in dem Tabacksrauchen ein Mittel entdeckte, welches den Umſatz ſeiner Gebilde verlangſamt und damit den Hunger erträglicher macht, daß er dem Ge- nuſſe des Branntweins nicht zu widerſtehen vermag, der in ſeinem Körper als Reſpirationsmittel dient und die Func- tion ſeiner umgeſetzten Gebilde übernimmt. Thee und Caffee treffen wir urſprünglich bei Nationen an, welche vor- zugsweiſe vegetabiliſche Nahrung genießen.
87. Ohne auf die mediciniſchen Wirkungen des Caffeins und Theins einzugehen, wird man es jedenfalls, ſelbſt wenn man ſich darin gefallen ſollte, ihren Einfluß auf den Secretionsproceß zu leugnen, höchſt auffallend finden, daß Caffein und Thein, durch ein Hinzutreten von Waſſer und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0207"n="183"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Umſetzung der Gebilde</hi>.</fw><lb/>
von Galle, ſo muß anderen ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen ein<lb/>
ähnliches Vermögen zugeſchrieben werden.</p><lb/><p>Unerforſchlich wird es immer bleiben, wie die Menſchen<lb/>
auf den Genuß eines heißen Aufguſſes von Blättern gewiſ-<lb/>ſer Stauden oder der Abkochung geröſteter Samen gekom-<lb/>
men ſind; es muß eine Urſache geben, welche erklärt, wie er<lb/>
ganzen Nationen zu einem Lebensbedürfniß geworden iſt.<lb/>
Noch weit merkwürdiger iſt es gewiß, daß die wohlthätigen<lb/>
Wirkungen auf die Geſundheit, in beiden Pflanzenſtoffen, ei-<lb/>
ner und derſelben Materie zugeſchrieben werden müſſen,<lb/>
deren Vorhandenſein in zwei Pflanzen, welche verſchiedenen<lb/>
Pflanzenfamilien und Welttheilen angehören, die kühnſte<lb/>
Phantaſie nicht vorausſetzen konnte.</p><lb/><p>Nicht minder bemerkenswerth iſt es gewiß, daß der<lb/>
Fleiſch-eſſende Indianer in dem Tabacksrauchen ein Mittel<lb/>
entdeckte, welches den Umſatz ſeiner Gebilde verlangſamt<lb/>
und damit den Hunger erträglicher macht, daß er dem Ge-<lb/>
nuſſe des Branntweins nicht zu widerſtehen vermag, der in<lb/>ſeinem Körper als Reſpirationsmittel dient und die Func-<lb/>
tion ſeiner umgeſetzten Gebilde übernimmt. Thee und<lb/>
Caffee treffen wir urſprünglich bei Nationen an, welche vor-<lb/>
zugsweiſe vegetabiliſche Nahrung genießen.</p><lb/><p>87. Ohne auf die mediciniſchen Wirkungen des Caffeins<lb/>
und Theins einzugehen, wird man es jedenfalls, ſelbſt<lb/>
wenn man ſich darin gefallen ſollte, ihren Einfluß auf den<lb/>
Secretionsproceß zu leugnen, höchſt auffallend finden, daß<lb/>
Caffein und Thein, durch ein Hinzutreten von Waſſer und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[183/0207]
Umſetzung der Gebilde.
von Galle, ſo muß anderen ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen ein
ähnliches Vermögen zugeſchrieben werden.
Unerforſchlich wird es immer bleiben, wie die Menſchen
auf den Genuß eines heißen Aufguſſes von Blättern gewiſ-
ſer Stauden oder der Abkochung geröſteter Samen gekom-
men ſind; es muß eine Urſache geben, welche erklärt, wie er
ganzen Nationen zu einem Lebensbedürfniß geworden iſt.
Noch weit merkwürdiger iſt es gewiß, daß die wohlthätigen
Wirkungen auf die Geſundheit, in beiden Pflanzenſtoffen, ei-
ner und derſelben Materie zugeſchrieben werden müſſen,
deren Vorhandenſein in zwei Pflanzen, welche verſchiedenen
Pflanzenfamilien und Welttheilen angehören, die kühnſte
Phantaſie nicht vorausſetzen konnte.
Nicht minder bemerkenswerth iſt es gewiß, daß der
Fleiſch-eſſende Indianer in dem Tabacksrauchen ein Mittel
entdeckte, welches den Umſatz ſeiner Gebilde verlangſamt
und damit den Hunger erträglicher macht, daß er dem Ge-
nuſſe des Branntweins nicht zu widerſtehen vermag, der in
ſeinem Körper als Reſpirationsmittel dient und die Func-
tion ſeiner umgeſetzten Gebilde übernimmt. Thee und
Caffee treffen wir urſprünglich bei Nationen an, welche vor-
zugsweiſe vegetabiliſche Nahrung genießen.
87. Ohne auf die mediciniſchen Wirkungen des Caffeins
und Theins einzugehen, wird man es jedenfalls, ſelbſt
wenn man ſich darin gefallen ſollte, ihren Einfluß auf den
Secretionsproceß zu leugnen, höchſt auffallend finden, daß
Caffein und Thein, durch ein Hinzutreten von Waſſer und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/207>, abgerufen am 04.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.