Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite
Umsetzung der Gebilde.

So sonderbar nun auch der Gedanke auf den ersten
Blick zu sein scheint, daß die Bestandtheile des Opiums,
oder der Chinarinde, die Elemente des Codeins, Morphins,
Chinins etc. in Bestandtheile der Gehirn- und Nervensub-
stanz, zu Trägern der Thätigkeit übergehen, von denen aus
die Bewegungen der Organe im Thierkörper vermittelt wer-
den, daß sie zu einem Bestandtheil der Substanz werden,
mit deren Hinwegnahme der Sitz des geistigen Lebens, des
Gefühls und des Bewußtseins vernichtet wird, so bleibt
nicht minder gewiß, daß alle diese Fähigkeiten und Thätigkeiten
auf's engste mit der Existenz und einer gewissen Beschaffen-
heit der Gehirn-, Rückenmark- und Nervensubstanz im Zu-
sammenhange stehen, in der Art, daß alle Aeußerungen des
Lebens dieser Stoffe, die in der Erscheinung sich als Be-
wegung, Empfindung, Gefühl zu erkennen geben, eine an-
dere Form annehmen, so wie ihre Zusammensetzung sich
ändert. Die Gehirn- und Nervensubstanz erzeugte der Or-
ganismus des Thieres aus Materien, die ihm von den
Pflanzen geliefert wurden; es sind die Bestandtheile ihrer
Nahrung, welche in Folge einer Reihe von Veränderungen
die Eigenschaften und die Beschaffenheit annehmen, die wir
an ihnen kennen.

90. Wenn nun als eine unbestreitbare Wahrheit angesehen
werden muß, daß aus den Bestandtheilen des Pflanzen-
Fibrins, -Caseins, -Albumins allein, oder mit Zuhülfenahme
der Bestandtheile der stickstofffreien Nahrungsmittel, oder des
daraus gebildeten Fettes die Gehirn- und Nervensubstanz er-

Umſetzung der Gebilde.

So ſonderbar nun auch der Gedanke auf den erſten
Blick zu ſein ſcheint, daß die Beſtandtheile des Opiums,
oder der Chinarinde, die Elemente des Codeins, Morphins,
Chinins ꝛc. in Beſtandtheile der Gehirn- und Nervenſub-
ſtanz, zu Trägern der Thätigkeit übergehen, von denen aus
die Bewegungen der Organe im Thierkörper vermittelt wer-
den, daß ſie zu einem Beſtandtheil der Subſtanz werden,
mit deren Hinwegnahme der Sitz des geiſtigen Lebens, des
Gefühls und des Bewußtſeins vernichtet wird, ſo bleibt
nicht minder gewiß, daß alle dieſe Fähigkeiten und Thätigkeiten
auf’s engſte mit der Exiſtenz und einer gewiſſen Beſchaffen-
heit der Gehirn-, Rückenmark- und Nervenſubſtanz im Zu-
ſammenhange ſtehen, in der Art, daß alle Aeußerungen des
Lebens dieſer Stoffe, die in der Erſcheinung ſich als Be-
wegung, Empfindung, Gefühl zu erkennen geben, eine an-
dere Form annehmen, ſo wie ihre Zuſammenſetzung ſich
ändert. Die Gehirn- und Nervenſubſtanz erzeugte der Or-
ganismus des Thieres aus Materien, die ihm von den
Pflanzen geliefert wurden; es ſind die Beſtandtheile ihrer
Nahrung, welche in Folge einer Reihe von Veränderungen
die Eigenſchaften und die Beſchaffenheit annehmen, die wir
an ihnen kennen.

90. Wenn nun als eine unbeſtreitbare Wahrheit angeſehen
werden muß, daß aus den Beſtandtheilen des Pflanzen-
Fibrins, -Caſeins, -Albumins allein, oder mit Zuhülfenahme
der Beſtandtheile der ſtickſtofffreien Nahrungsmittel, oder des
daraus gebildeten Fettes die Gehirn- und Nervenſubſtanz er-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0211" n="187"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Um&#x017F;etzung der Gebilde</hi>.</fw><lb/>
          <p>So &#x017F;onderbar nun auch der Gedanke auf den er&#x017F;ten<lb/>
Blick zu &#x017F;ein &#x017F;cheint, daß die Be&#x017F;tandtheile des Opiums,<lb/>
oder der Chinarinde, die Elemente des Codeins, Morphins,<lb/>
Chinins &#xA75B;c. in Be&#x017F;tandtheile der Gehirn- und Nerven&#x017F;ub-<lb/>
&#x017F;tanz, zu Trägern der Thätigkeit übergehen, von denen aus<lb/>
die Bewegungen der Organe im Thierkörper vermittelt wer-<lb/>
den, daß &#x017F;ie zu einem Be&#x017F;tandtheil der Sub&#x017F;tanz werden,<lb/>
mit deren Hinwegnahme der Sitz des gei&#x017F;tigen Lebens, des<lb/>
Gefühls und des Bewußt&#x017F;eins vernichtet wird, &#x017F;o bleibt<lb/>
nicht minder gewiß, daß alle die&#x017F;e Fähigkeiten und Thätigkeiten<lb/>
auf&#x2019;s eng&#x017F;te mit der Exi&#x017F;tenz und einer gewi&#x017F;&#x017F;en Be&#x017F;chaffen-<lb/>
heit der Gehirn-, Rückenmark- und Nerven&#x017F;ub&#x017F;tanz im Zu-<lb/>
&#x017F;ammenhange &#x017F;tehen, in der Art, daß alle Aeußerungen des<lb/>
Lebens die&#x017F;er Stoffe, die in der Er&#x017F;cheinung &#x017F;ich als Be-<lb/>
wegung, Empfindung, Gefühl zu erkennen geben, eine an-<lb/>
dere Form annehmen, &#x017F;o wie ihre Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung &#x017F;ich<lb/>
ändert. Die Gehirn- und Nerven&#x017F;ub&#x017F;tanz erzeugte der Or-<lb/>
ganismus des Thieres aus Materien, die ihm von den<lb/>
Pflanzen geliefert wurden; es &#x017F;ind die Be&#x017F;tandtheile ihrer<lb/>
Nahrung, welche in Folge einer Reihe von Veränderungen<lb/>
die Eigen&#x017F;chaften und die Be&#x017F;chaffenheit annehmen, die wir<lb/>
an ihnen kennen.</p><lb/>
          <p>90. Wenn nun als eine unbe&#x017F;treitbare Wahrheit ange&#x017F;ehen<lb/>
werden muß, daß aus den Be&#x017F;tandtheilen des Pflanzen-<lb/>
Fibrins, -Ca&#x017F;eins, -Albumins allein, oder mit Zuhülfenahme<lb/>
der Be&#x017F;tandtheile der &#x017F;tick&#x017F;tofffreien Nahrungsmittel, oder des<lb/>
daraus gebildeten Fettes die Gehirn- und Nerven&#x017F;ub&#x017F;tanz er-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0211] Umſetzung der Gebilde. So ſonderbar nun auch der Gedanke auf den erſten Blick zu ſein ſcheint, daß die Beſtandtheile des Opiums, oder der Chinarinde, die Elemente des Codeins, Morphins, Chinins ꝛc. in Beſtandtheile der Gehirn- und Nervenſub- ſtanz, zu Trägern der Thätigkeit übergehen, von denen aus die Bewegungen der Organe im Thierkörper vermittelt wer- den, daß ſie zu einem Beſtandtheil der Subſtanz werden, mit deren Hinwegnahme der Sitz des geiſtigen Lebens, des Gefühls und des Bewußtſeins vernichtet wird, ſo bleibt nicht minder gewiß, daß alle dieſe Fähigkeiten und Thätigkeiten auf’s engſte mit der Exiſtenz und einer gewiſſen Beſchaffen- heit der Gehirn-, Rückenmark- und Nervenſubſtanz im Zu- ſammenhange ſtehen, in der Art, daß alle Aeußerungen des Lebens dieſer Stoffe, die in der Erſcheinung ſich als Be- wegung, Empfindung, Gefühl zu erkennen geben, eine an- dere Form annehmen, ſo wie ihre Zuſammenſetzung ſich ändert. Die Gehirn- und Nervenſubſtanz erzeugte der Or- ganismus des Thieres aus Materien, die ihm von den Pflanzen geliefert wurden; es ſind die Beſtandtheile ihrer Nahrung, welche in Folge einer Reihe von Veränderungen die Eigenſchaften und die Beſchaffenheit annehmen, die wir an ihnen kennen. 90. Wenn nun als eine unbeſtreitbare Wahrheit angeſehen werden muß, daß aus den Beſtandtheilen des Pflanzen- Fibrins, -Caſeins, -Albumins allein, oder mit Zuhülfenahme der Beſtandtheile der ſtickſtofffreien Nahrungsmittel, oder des daraus gebildeten Fettes die Gehirn- und Nervenſubſtanz er-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/211
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/211>, abgerufen am 21.11.2024.