Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Der chemische Proceß der
halten eine gewisse Menge Stickstoff; sie stehen, in Beziehung
auf ihre Elemente, in der Mitte zwischen den Proteinver-
bindungen und den Fetten.

93. Im Gegensatz zu ihrem chemischen Charakter finden
wir in der Gehirnsubstanz die Eigenschaft einer Säure; sie ent-
hält eine weit größere Menge von Sauerstoff wie die or-
ganischen Basen. Wir beobachten, daß Chinin und Cinchonin,
Morphin und Codein, Strychnin und Brucin, die sich in
ihrer Zusammensetzung so nahe stehen, wenn nicht eine gleiche
Wirkung äußern, doch darin sich näher stehen, als
den anderen, welche größere Unterschiede in ihrer Zusam-
mensetzung zeigen. Wir finden, daß mit ihrem Sauerstoff-
gehalte (wie beim Narcotin) ihre energische Wirkung ab-
nimmt, daß im strengsten Sinne keine durch die andere voll-
kommen ersetzt werden kann. Es giebt aber keinen entschei-
denderen Beweis für die Art und Weise ihrer Wirkung, als
das letztere Verhalten, sie muß in der engsten Beziehung zu
ihrer Zusammensetzung stehen. Wenn diese Stoffe in der That
eine Rolle in Beziehung auf die Bildung oder Aenderung
der Qualitäten der Gehirn- und Nervensubstanz ausüben,
so erklären sich ihre Wirkungen auf den gesunden so wie
auf den kranken Organismus auf eine überraschend einfache
Weise, und wenn man nicht versucht ist zu leugnen, daß der
Hauptbestandtheil der Fleischbrühe in dem Körper des Men-
schen oder der organische Bestandtheil der Knochen in dem
Leibe eines Hundes, obwohl sie zur Blutbildung schlechter-
dings nicht geeignet sind, daß also Stickstoffverbindungen,

Der chemiſche Proceß der
halten eine gewiſſe Menge Stickſtoff; ſie ſtehen, in Beziehung
auf ihre Elemente, in der Mitte zwiſchen den Proteinver-
bindungen und den Fetten.

93. Im Gegenſatz zu ihrem chemiſchen Charakter finden
wir in der Gehirnſubſtanz die Eigenſchaft einer Säure; ſie ent-
hält eine weit größere Menge von Sauerſtoff wie die or-
ganiſchen Baſen. Wir beobachten, daß Chinin und Cinchonin,
Morphin und Codein, Strychnin und Brucin, die ſich in
ihrer Zuſammenſetzung ſo nahe ſtehen, wenn nicht eine gleiche
Wirkung äußern, doch darin ſich näher ſtehen, als
den anderen, welche größere Unterſchiede in ihrer Zuſam-
menſetzung zeigen. Wir finden, daß mit ihrem Sauerſtoff-
gehalte (wie beim Narcotin) ihre energiſche Wirkung ab-
nimmt, daß im ſtrengſten Sinne keine durch die andere voll-
kommen erſetzt werden kann. Es giebt aber keinen entſchei-
denderen Beweis für die Art und Weiſe ihrer Wirkung, als
das letztere Verhalten, ſie muß in der engſten Beziehung zu
ihrer Zuſammenſetzung ſtehen. Wenn dieſe Stoffe in der That
eine Rolle in Beziehung auf die Bildung oder Aenderung
der Qualitäten der Gehirn- und Nervenſubſtanz ausüben,
ſo erklären ſich ihre Wirkungen auf den geſunden ſo wie
auf den kranken Organismus auf eine überraſchend einfache
Weiſe, und wenn man nicht verſucht iſt zu leugnen, daß der
Hauptbeſtandtheil der Fleiſchbrühe in dem Körper des Men-
ſchen oder der organiſche Beſtandtheil der Knochen in dem
Leibe eines Hundes, obwohl ſie zur Blutbildung ſchlechter-
dings nicht geeignet ſind, daß alſo Stickſtoffverbindungen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0214" n="190"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der chemi&#x017F;che Proceß der</hi></fw><lb/>
halten eine gewi&#x017F;&#x017F;e Menge Stick&#x017F;toff; &#x017F;ie &#x017F;tehen, in Beziehung<lb/>
auf ihre Elemente, in der Mitte zwi&#x017F;chen den Proteinver-<lb/>
bindungen und den Fetten.</p><lb/>
          <p>93. Im Gegen&#x017F;atz zu ihrem chemi&#x017F;chen Charakter finden<lb/>
wir in der Gehirn&#x017F;ub&#x017F;tanz die Eigen&#x017F;chaft einer Säure; &#x017F;ie ent-<lb/>
hält eine weit größere Menge von Sauer&#x017F;toff wie die or-<lb/>
gani&#x017F;chen Ba&#x017F;en. Wir beobachten, daß Chinin und Cinchonin,<lb/>
Morphin und Codein, Strychnin und Brucin, die &#x017F;ich in<lb/>
ihrer Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung &#x017F;o nahe &#x017F;tehen, wenn nicht eine gleiche<lb/>
Wirkung äußern, doch darin &#x017F;ich näher &#x017F;tehen, als<lb/>
den anderen, welche größere Unter&#x017F;chiede in ihrer Zu&#x017F;am-<lb/>
men&#x017F;etzung zeigen. Wir finden, daß mit ihrem Sauer&#x017F;toff-<lb/>
gehalte (wie beim Narcotin) ihre energi&#x017F;che Wirkung ab-<lb/>
nimmt, daß im &#x017F;treng&#x017F;ten Sinne keine durch die andere voll-<lb/>
kommen er&#x017F;etzt werden kann. Es giebt aber keinen ent&#x017F;chei-<lb/>
denderen Beweis für die Art und Wei&#x017F;e ihrer Wirkung, als<lb/>
das letztere Verhalten, &#x017F;ie muß in der eng&#x017F;ten Beziehung zu<lb/>
ihrer Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung &#x017F;tehen. Wenn die&#x017F;e Stoffe in der That<lb/>
eine Rolle in Beziehung auf die Bildung oder Aenderung<lb/>
der Qualitäten der Gehirn- und Nerven&#x017F;ub&#x017F;tanz ausüben,<lb/>
&#x017F;o erklären &#x017F;ich ihre Wirkungen auf den ge&#x017F;unden &#x017F;o wie<lb/>
auf den kranken Organismus auf eine überra&#x017F;chend einfache<lb/>
Wei&#x017F;e, und wenn man nicht ver&#x017F;ucht i&#x017F;t zu leugnen, daß der<lb/>
Hauptbe&#x017F;tandtheil der Flei&#x017F;chbrühe in dem Körper des Men-<lb/>
&#x017F;chen oder der organi&#x017F;che Be&#x017F;tandtheil der Knochen in dem<lb/>
Leibe eines Hundes, obwohl &#x017F;ie zur Blutbildung &#x017F;chlechter-<lb/>
dings nicht geeignet &#x017F;ind, daß al&#x017F;o Stick&#x017F;toffverbindungen,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0214] Der chemiſche Proceß der halten eine gewiſſe Menge Stickſtoff; ſie ſtehen, in Beziehung auf ihre Elemente, in der Mitte zwiſchen den Proteinver- bindungen und den Fetten. 93. Im Gegenſatz zu ihrem chemiſchen Charakter finden wir in der Gehirnſubſtanz die Eigenſchaft einer Säure; ſie ent- hält eine weit größere Menge von Sauerſtoff wie die or- ganiſchen Baſen. Wir beobachten, daß Chinin und Cinchonin, Morphin und Codein, Strychnin und Brucin, die ſich in ihrer Zuſammenſetzung ſo nahe ſtehen, wenn nicht eine gleiche Wirkung äußern, doch darin ſich näher ſtehen, als den anderen, welche größere Unterſchiede in ihrer Zuſam- menſetzung zeigen. Wir finden, daß mit ihrem Sauerſtoff- gehalte (wie beim Narcotin) ihre energiſche Wirkung ab- nimmt, daß im ſtrengſten Sinne keine durch die andere voll- kommen erſetzt werden kann. Es giebt aber keinen entſchei- denderen Beweis für die Art und Weiſe ihrer Wirkung, als das letztere Verhalten, ſie muß in der engſten Beziehung zu ihrer Zuſammenſetzung ſtehen. Wenn dieſe Stoffe in der That eine Rolle in Beziehung auf die Bildung oder Aenderung der Qualitäten der Gehirn- und Nervenſubſtanz ausüben, ſo erklären ſich ihre Wirkungen auf den geſunden ſo wie auf den kranken Organismus auf eine überraſchend einfache Weiſe, und wenn man nicht verſucht iſt zu leugnen, daß der Hauptbeſtandtheil der Fleiſchbrühe in dem Körper des Men- ſchen oder der organiſche Beſtandtheil der Knochen in dem Leibe eines Hundes, obwohl ſie zur Blutbildung ſchlechter- dings nicht geeignet ſind, daß alſo Stickſtoffverbindungen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/214
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/214>, abgerufen am 24.11.2024.