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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Die Bewegungserscheinungen
Masse bedingt, welche ihnen das Vermögen giebt, äußeren
Actionen Widerstand zu leisten, es ist die Lebenskraft.

Um zu einer klaren Einsicht dieser in ihrer Form so
verschiedenen Aeußerungen der Lebenskraft zu gelangen, muß
man sich erinnern, daß eine jede Kraft sich in einer Materie
durch zwei für die Beobachtung durchaus verschiedene Zu-
stände der Thätigkeit zu erkennen giebt.

Die in den Theilchen eines Steins vorhandene Kraft der
Schwere ertheilt ihnen ein unausgesetztes Streben, sich nach
dem Mittelpunkte der Erde hinzubewegen.

Für die Wahrnehmung verschwindet diese Thätigkeit,
wenn der Stein z. B. auf einem Tische liegt, dessen Theile
der Aeußerung seiner Schwere einen Widerstand entgegense-
tzen. Die auf ihn wirkende Kraft ist stets vorhanden, sie
äußert sich als Druck auf die Unterlage, allein er bleibt
auf seinem Platze, er besitzt keine Bewegung. Mit Gewicht
bezeichnen wir die Aeußerung seiner Schwere im Zustande
der Ruhe.

Was den Stein am Fallen hindert, ist ein Widerstand,
welcher bewirkt wird durch eine Kraft der Anziehung, mit
welcher die Theilchen des Holzes zusammenhängen; eine
Wassermasse würde ihn am Fallen nicht gehindert haben.

Wenn die Kraft, welche die Theilchen des Steins nach
dem Mittelpunkte der Erde hintreibt, größer wäre als die
Kraft, womit die Holztheilchen zusammenhängen, so würde
die Cohäsionskraft überwunden werden, sie würde den Stein
am Fallen nicht hindern können.


Die Bewegungserſcheinungen
Maſſe bedingt, welche ihnen das Vermögen giebt, äußeren
Actionen Widerſtand zu leiſten, es iſt die Lebenskraft.

Um zu einer klaren Einſicht dieſer in ihrer Form ſo
verſchiedenen Aeußerungen der Lebenskraft zu gelangen, muß
man ſich erinnern, daß eine jede Kraft ſich in einer Materie
durch zwei für die Beobachtung durchaus verſchiedene Zu-
ſtände der Thätigkeit zu erkennen giebt.

Die in den Theilchen eines Steins vorhandene Kraft der
Schwere ertheilt ihnen ein unausgeſetztes Streben, ſich nach
dem Mittelpunkte der Erde hinzubewegen.

Für die Wahrnehmung verſchwindet dieſe Thätigkeit,
wenn der Stein z. B. auf einem Tiſche liegt, deſſen Theile
der Aeußerung ſeiner Schwere einen Widerſtand entgegenſe-
tzen. Die auf ihn wirkende Kraft iſt ſtets vorhanden, ſie
äußert ſich als Druck auf die Unterlage, allein er bleibt
auf ſeinem Platze, er beſitzt keine Bewegung. Mit Gewicht
bezeichnen wir die Aeußerung ſeiner Schwere im Zuſtande
der Ruhe.

Was den Stein am Fallen hindert, iſt ein Widerſtand,
welcher bewirkt wird durch eine Kraft der Anziehung, mit
welcher die Theilchen des Holzes zuſammenhängen; eine
Waſſermaſſe würde ihn am Fallen nicht gehindert haben.

Wenn die Kraft, welche die Theilchen des Steins nach
dem Mittelpunkte der Erde hintreibt, größer wäre als die
Kraft, womit die Holztheilchen zuſammenhängen, ſo würde
die Cohäſionskraft überwunden werden, ſie würde den Stein
am Fallen nicht hindern können.


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[204/0228] Die Bewegungserſcheinungen Maſſe bedingt, welche ihnen das Vermögen giebt, äußeren Actionen Widerſtand zu leiſten, es iſt die Lebenskraft. Um zu einer klaren Einſicht dieſer in ihrer Form ſo verſchiedenen Aeußerungen der Lebenskraft zu gelangen, muß man ſich erinnern, daß eine jede Kraft ſich in einer Materie durch zwei für die Beobachtung durchaus verſchiedene Zu- ſtände der Thätigkeit zu erkennen giebt. Die in den Theilchen eines Steins vorhandene Kraft der Schwere ertheilt ihnen ein unausgeſetztes Streben, ſich nach dem Mittelpunkte der Erde hinzubewegen. Für die Wahrnehmung verſchwindet dieſe Thätigkeit, wenn der Stein z. B. auf einem Tiſche liegt, deſſen Theile der Aeußerung ſeiner Schwere einen Widerſtand entgegenſe- tzen. Die auf ihn wirkende Kraft iſt ſtets vorhanden, ſie äußert ſich als Druck auf die Unterlage, allein er bleibt auf ſeinem Platze, er beſitzt keine Bewegung. Mit Gewicht bezeichnen wir die Aeußerung ſeiner Schwere im Zuſtande der Ruhe. Was den Stein am Fallen hindert, iſt ein Widerſtand, welcher bewirkt wird durch eine Kraft der Anziehung, mit welcher die Theilchen des Holzes zuſammenhängen; eine Waſſermaſſe würde ihn am Fallen nicht gehindert haben. Wenn die Kraft, welche die Theilchen des Steins nach dem Mittelpunkte der Erde hintreibt, größer wäre als die Kraft, womit die Holztheilchen zuſammenhängen, ſo würde die Cohäſionskraft überwunden werden, ſie würde den Stein am Fallen nicht hindern können.

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/228>, abgerufen am 21.11.2024.