Die nämlichen Elemente in einer andern Ordnung mit einander vereinigt, äußern mit anderen Verbindungen in Be- rührung eine höchst ungleiche Fähigkeit Widerstand zu leisten oder Widerstände aufzuheben, in der einen Form ist die zur Aeußerung gelangte Kraft verwendbar (der Körper ist activ, eine Säure z. B.), in der andern nicht (er ist indifferent), in einer dritten Form ist sein Kraftmoment der ersten ent- gegengesetzt (er ist activ, aber eine Basis).
Aendern wir die Ordnung der Elemente, so sind wir im Stande, die Bestandtheile einer Verbindung durch einen andern activen Körper zu trennen, die, in einer andern Form vereinigt, seiner Action einen unüberwindlichen Widerstand entgegensetzten.
Aehnlich wie zwei gleiche unelastische Massen von gleicher Geschwindigkeit, die aus entgegengesetzter Richtung getrieben, mit einander in Berührung kommend, zur Ruhe gelangen, ähnlich also wie zwei gleiche aber entgegengesetzte Bewegungsmomente sich gegenseitig aufheben, kann das Kraftmoment einer chemischen Verbindung, durch ein gleiches aber entgegengesetztes Kraft- moment einer zweiten Verbindung ganz oder zum Theil auf- gehoben, allein es kann nicht vernichtet werden, so lange die Ordnung nicht gestört wird, durch welche die in ihnen wohnende Kraft zur Aeußerung gelangt ist.
Die chemische Kraft der Schwefelsäure ist im Gyps eben so ungeschwächt vorhanden, als im Vitriolöl, aber für die Wahrnehmung ist sie verschwunden; nehmen wir die Ursache hinweg, die ihre Aeußerung auf andere Materien aufhob,
Die Bewegungserſcheinungen
Die nämlichen Elemente in einer andern Ordnung mit einander vereinigt, äußern mit anderen Verbindungen in Be- rührung eine höchſt ungleiche Fähigkeit Widerſtand zu leiſten oder Widerſtände aufzuheben, in der einen Form iſt die zur Aeußerung gelangte Kraft verwendbar (der Körper iſt activ, eine Säure z. B.), in der andern nicht (er iſt indifferent), in einer dritten Form iſt ſein Kraftmoment der erſten ent- gegengeſetzt (er iſt activ, aber eine Baſis).
Aendern wir die Ordnung der Elemente, ſo ſind wir im Stande, die Beſtandtheile einer Verbindung durch einen andern activen Körper zu trennen, die, in einer andern Form vereinigt, ſeiner Action einen unüberwindlichen Widerſtand entgegenſetzten.
Aehnlich wie zwei gleiche unelaſtiſche Maſſen von gleicher Geſchwindigkeit, die aus entgegengeſetzter Richtung getrieben, mit einander in Berührung kommend, zur Ruhe gelangen, ähnlich alſo wie zwei gleiche aber entgegengeſetzte Bewegungsmomente ſich gegenſeitig aufheben, kann das Kraftmoment einer chemiſchen Verbindung, durch ein gleiches aber entgegengeſetztes Kraft- moment einer zweiten Verbindung ganz oder zum Theil auf- gehoben, allein es kann nicht vernichtet werden, ſo lange die Ordnung nicht geſtört wird, durch welche die in ihnen wohnende Kraft zur Aeußerung gelangt iſt.
Die chemiſche Kraft der Schwefelſäure iſt im Gyps eben ſo ungeſchwächt vorhanden, als im Vitriolöl, aber für die Wahrnehmung iſt ſie verſchwunden; nehmen wir die Urſache hinweg, die ihre Aeußerung auf andere Materien aufhob,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0234"n="210"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Die Bewegungserſcheinungen</hi></fw><lb/><p>Die nämlichen Elemente in einer andern Ordnung mit<lb/>
einander vereinigt, äußern mit anderen Verbindungen in Be-<lb/>
rührung eine höchſt ungleiche Fähigkeit Widerſtand zu leiſten<lb/>
oder Widerſtände aufzuheben, in der einen Form iſt die zur<lb/>
Aeußerung gelangte Kraft verwendbar (der Körper iſt activ,<lb/>
eine Säure z. B.), in der andern nicht (er iſt indifferent),<lb/>
in einer dritten Form iſt ſein Kraftmoment der erſten ent-<lb/>
gegengeſetzt (er iſt activ, aber eine Baſis).</p><lb/><p>Aendern wir die Ordnung der Elemente, ſo ſind wir<lb/>
im Stande, die Beſtandtheile einer Verbindung durch einen<lb/>
andern activen Körper zu trennen, die, in einer andern Form<lb/>
vereinigt, ſeiner Action einen unüberwindlichen Widerſtand<lb/>
entgegenſetzten.</p><lb/><p>Aehnlich wie zwei gleiche unelaſtiſche Maſſen von gleicher<lb/>
Geſchwindigkeit, die aus entgegengeſetzter Richtung getrieben,<lb/>
mit einander in Berührung kommend, zur Ruhe gelangen, ähnlich<lb/>
alſo wie zwei gleiche aber entgegengeſetzte Bewegungsmomente<lb/>ſich gegenſeitig aufheben, kann das Kraftmoment einer chemiſchen<lb/>
Verbindung, durch ein gleiches aber entgegengeſetztes Kraft-<lb/>
moment einer zweiten Verbindung ganz oder zum Theil auf-<lb/>
gehoben, allein es kann nicht vernichtet werden, ſo lange<lb/>
die Ordnung nicht geſtört wird, durch welche die in ihnen<lb/>
wohnende Kraft zur Aeußerung gelangt iſt.</p><lb/><p>Die chemiſche Kraft der Schwefelſäure iſt im Gyps eben<lb/>ſo ungeſchwächt vorhanden, als im Vitriolöl, aber für die<lb/>
Wahrnehmung iſt ſie verſchwunden; nehmen wir die Urſache<lb/>
hinweg, die ihre Aeußerung auf andere Materien aufhob,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[210/0234]
Die Bewegungserſcheinungen
Die nämlichen Elemente in einer andern Ordnung mit
einander vereinigt, äußern mit anderen Verbindungen in Be-
rührung eine höchſt ungleiche Fähigkeit Widerſtand zu leiſten
oder Widerſtände aufzuheben, in der einen Form iſt die zur
Aeußerung gelangte Kraft verwendbar (der Körper iſt activ,
eine Säure z. B.), in der andern nicht (er iſt indifferent),
in einer dritten Form iſt ſein Kraftmoment der erſten ent-
gegengeſetzt (er iſt activ, aber eine Baſis).
Aendern wir die Ordnung der Elemente, ſo ſind wir
im Stande, die Beſtandtheile einer Verbindung durch einen
andern activen Körper zu trennen, die, in einer andern Form
vereinigt, ſeiner Action einen unüberwindlichen Widerſtand
entgegenſetzten.
Aehnlich wie zwei gleiche unelaſtiſche Maſſen von gleicher
Geſchwindigkeit, die aus entgegengeſetzter Richtung getrieben,
mit einander in Berührung kommend, zur Ruhe gelangen, ähnlich
alſo wie zwei gleiche aber entgegengeſetzte Bewegungsmomente
ſich gegenſeitig aufheben, kann das Kraftmoment einer chemiſchen
Verbindung, durch ein gleiches aber entgegengeſetztes Kraft-
moment einer zweiten Verbindung ganz oder zum Theil auf-
gehoben, allein es kann nicht vernichtet werden, ſo lange
die Ordnung nicht geſtört wird, durch welche die in ihnen
wohnende Kraft zur Aeußerung gelangt iſt.
Die chemiſche Kraft der Schwefelſäure iſt im Gyps eben
ſo ungeſchwächt vorhanden, als im Vitriolöl, aber für die
Wahrnehmung iſt ſie verſchwunden; nehmen wir die Urſache
hinweg, die ihre Aeußerung auf andere Materien aufhob,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/234>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.