Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Bewegungserscheinungen

Was die Leiter der willkürlichen Bewegungen an Kraft-
effecten nicht fortzupflanzen vermögen, wird von den Leitern
der unwillkürlichen Bewegungen aufgenommen und dem Her-
zen, den Eingeweiden zugeführt werden müssen. Die Blut-
bewegung wird in diesem Fall, auf Kosten der zu willkür-
lichen Bewegungen durch die Glieder verwendbaren Kraft
beschleunigt erscheinen, ohne daß aber, wie bemerkt, durch
den Oxydationsproceß des Alkohols ein größers Maaß von
mechanischer Kraft erzeugt worden ist.

Wir beobachten zuletzt bei den Winterschläfern, daß wäh-
rend ihres Winterschlafs die Fähigkeit der Zunahme an Masse
(eine der Hauptäußerungen der Lebenskraft), durch den Aus-
schluß aller Speise, völlig unterdrückt ist; bei manchen tritt
in Folge der niedern Temperatur und der hierdurch herab-
gestimmten Lebensthätigkeit ein Scheintod ein, bei anderen
dauern die unwillkürlichen Bewegungen fort; das Thier be-
hält eine von der Umgebung unabhängige Temperatur. Die
Athembewegungen dauern fort, nach wie vor wird Sauer-
stoff als der Bedinger der Wärme- und Krafterzeugung auf-
genommen; wir finden vor dem Winterschlaf alle Theile ih-
res Körpers, die in sich selbst keinen Widerstand gegen die
Einwirkung des Sauerstoffs zu produciren vermögen, welche
wie die Eingeweide und Membranen nicht zum Stoffwechsel
bestimmt sind, mit Fett bedeckt, mit einer Materie umgeben,
welche diesen Widerstand übernimmt.

Wenn wir uns nun denken, daß der während des Win-
terschlafs aufgenommene Sauerstoff nicht in die Zusammen-

Die Bewegungserſcheinungen

Was die Leiter der willkürlichen Bewegungen an Kraft-
effecten nicht fortzupflanzen vermögen, wird von den Leitern
der unwillkürlichen Bewegungen aufgenommen und dem Her-
zen, den Eingeweiden zugeführt werden müſſen. Die Blut-
bewegung wird in dieſem Fall, auf Koſten der zu willkür-
lichen Bewegungen durch die Glieder verwendbaren Kraft
beſchleunigt erſcheinen, ohne daß aber, wie bemerkt, durch
den Oxydationsproceß des Alkohols ein größers Maaß von
mechaniſcher Kraft erzeugt worden iſt.

Wir beobachten zuletzt bei den Winterſchläfern, daß wäh-
rend ihres Winterſchlafs die Fähigkeit der Zunahme an Maſſe
(eine der Hauptäußerungen der Lebenskraft), durch den Aus-
ſchluß aller Speiſe, völlig unterdrückt iſt; bei manchen tritt
in Folge der niedern Temperatur und der hierdurch herab-
geſtimmten Lebensthätigkeit ein Scheintod ein, bei anderen
dauern die unwillkürlichen Bewegungen fort; das Thier be-
hält eine von der Umgebung unabhängige Temperatur. Die
Athembewegungen dauern fort, nach wie vor wird Sauer-
ſtoff als der Bedinger der Wärme- und Krafterzeugung auf-
genommen; wir finden vor dem Winterſchlaf alle Theile ih-
res Körpers, die in ſich ſelbſt keinen Widerſtand gegen die
Einwirkung des Sauerſtoffs zu produciren vermögen, welche
wie die Eingeweide und Membranen nicht zum Stoffwechſel
beſtimmt ſind, mit Fett bedeckt, mit einer Materie umgeben,
welche dieſen Widerſtand übernimmt.

Wenn wir uns nun denken, daß der während des Win-
terſchlafs aufgenommene Sauerſtoff nicht in die Zuſammen-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0270" n="246"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Die Bewegungser&#x017F;cheinungen</hi> </fw><lb/>
          <p>Was die Leiter der willkürlichen Bewegungen an Kraft-<lb/>
effecten nicht fortzupflanzen vermögen, wird von den Leitern<lb/>
der unwillkürlichen Bewegungen aufgenommen und dem Her-<lb/>
zen, den Eingeweiden zugeführt werden mü&#x017F;&#x017F;en. Die Blut-<lb/>
bewegung wird in die&#x017F;em Fall, auf Ko&#x017F;ten der zu willkür-<lb/>
lichen Bewegungen durch die Glieder verwendbaren Kraft<lb/>
be&#x017F;chleunigt er&#x017F;cheinen, ohne daß aber, wie bemerkt, durch<lb/>
den Oxydationsproceß des Alkohols ein größers Maaß von<lb/>
mechani&#x017F;cher Kraft erzeugt worden i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Wir beobachten zuletzt bei den Winter&#x017F;chläfern, daß wäh-<lb/>
rend ihres Winter&#x017F;chlafs die Fähigkeit der Zunahme an Ma&#x017F;&#x017F;e<lb/>
(eine der Hauptäußerungen der Lebenskraft), durch den Aus-<lb/>
&#x017F;chluß aller Spei&#x017F;e, völlig unterdrückt i&#x017F;t; bei manchen tritt<lb/>
in Folge der niedern Temperatur und der hierdurch herab-<lb/>
ge&#x017F;timmten Lebensthätigkeit ein Scheintod ein, bei anderen<lb/>
dauern die unwillkürlichen Bewegungen fort; das Thier be-<lb/>
hält eine von der Umgebung unabhängige Temperatur. Die<lb/>
Athembewegungen dauern fort, nach wie vor wird Sauer-<lb/>
&#x017F;toff als der Bedinger der Wärme- und Krafterzeugung auf-<lb/>
genommen; wir finden vor dem Winter&#x017F;chlaf alle Theile ih-<lb/>
res Körpers, die in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t keinen Wider&#x017F;tand gegen die<lb/>
Einwirkung des Sauer&#x017F;toffs zu produciren vermögen, welche<lb/>
wie die Eingeweide und Membranen nicht zum Stoffwech&#x017F;el<lb/>
be&#x017F;timmt &#x017F;ind, mit Fett bedeckt, mit einer Materie umgeben,<lb/>
welche die&#x017F;en Wider&#x017F;tand übernimmt.</p><lb/>
          <p>Wenn wir uns nun denken, daß der während des Win-<lb/>
ter&#x017F;chlafs aufgenommene Sauer&#x017F;toff nicht in die Zu&#x017F;ammen-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0270] Die Bewegungserſcheinungen Was die Leiter der willkürlichen Bewegungen an Kraft- effecten nicht fortzupflanzen vermögen, wird von den Leitern der unwillkürlichen Bewegungen aufgenommen und dem Her- zen, den Eingeweiden zugeführt werden müſſen. Die Blut- bewegung wird in dieſem Fall, auf Koſten der zu willkür- lichen Bewegungen durch die Glieder verwendbaren Kraft beſchleunigt erſcheinen, ohne daß aber, wie bemerkt, durch den Oxydationsproceß des Alkohols ein größers Maaß von mechaniſcher Kraft erzeugt worden iſt. Wir beobachten zuletzt bei den Winterſchläfern, daß wäh- rend ihres Winterſchlafs die Fähigkeit der Zunahme an Maſſe (eine der Hauptäußerungen der Lebenskraft), durch den Aus- ſchluß aller Speiſe, völlig unterdrückt iſt; bei manchen tritt in Folge der niedern Temperatur und der hierdurch herab- geſtimmten Lebensthätigkeit ein Scheintod ein, bei anderen dauern die unwillkürlichen Bewegungen fort; das Thier be- hält eine von der Umgebung unabhängige Temperatur. Die Athembewegungen dauern fort, nach wie vor wird Sauer- ſtoff als der Bedinger der Wärme- und Krafterzeugung auf- genommen; wir finden vor dem Winterſchlaf alle Theile ih- res Körpers, die in ſich ſelbſt keinen Widerſtand gegen die Einwirkung des Sauerſtoffs zu produciren vermögen, welche wie die Eingeweide und Membranen nicht zum Stoffwechſel beſtimmt ſind, mit Fett bedeckt, mit einer Materie umgeben, welche dieſen Widerſtand übernimmt. Wenn wir uns nun denken, daß der während des Win- terſchlafs aufgenommene Sauerſtoff nicht in die Zuſammen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/270
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/270>, abgerufen am 21.05.2024.