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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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im Thierorganismus.

Ueber die Natur und das Wesen der Lebenskraft kann
man sich wohl keiner selbstgeschaffenen Täuschung hingeben,
wenn man beachtet, daß sie sich in allen ihren Aeußerungen
ganz ähnlich wie andere Naturkräfte verhält, daß sie ohne
Bewußtsein, völlig willenlos, einem Blasenpflaster unterge-
ordnet ist.

Die Nerven, welche die willkürlichen und unwillkürlichen
Bewegungen im Thierkörper vermitteln, sind, nach dem Vor-
hergehenden, nicht die Erzeuger, sondern nur die Leiter der
Lebenskraft; sie pflanzen die Bewegung fort und verhalten
sich gegen andere Ursachen von Bewegungen, welche in ih-
ren Aeußerungen der Lebenskraft ähnlich sind, gegen einen
elektrischen Strom z. B. auf eine völlig gleiche Weise, sie
gestatten ihm den Durchgang und bieten als Leiter der Elek-
tricität alle Erscheinungen dar, welche ihnen als Leitern der
Lebenskraft zukommen. Niemandem wird es wohl, nach dem
gegenwärtigen Zustande unserer Kenntnisse, in den Sinn
kommen, als die Ursache der Bewegungserscheinungen in dem
Thierkörper die Elektricität anzusehen, allein die medicini-
schen Wirkungen der Elektricität, so wie die eines Magne-
ten, der in Berührung mit dem Körper die Entstehung ei-
nes elektrischen Stromes vermittelt, können nicht geleugnet
werden. Denn zu der vorhandenen Kraft der Bewegung
und Störung addirt sich in dem elektrischen Strome eine
neue Ursache von Bewegung, Form- und Beschaffenheitsän-
derung, deren Wirkungen nicht gleich Null gesetzt werden
dürfen.


im Thierorganismus.

Ueber die Natur und das Weſen der Lebenskraft kann
man ſich wohl keiner ſelbſtgeſchaffenen Täuſchung hingeben,
wenn man beachtet, daß ſie ſich in allen ihren Aeußerungen
ganz ähnlich wie andere Naturkräfte verhält, daß ſie ohne
Bewußtſein, völlig willenlos, einem Blaſenpflaſter unterge-
ordnet iſt.

Die Nerven, welche die willkürlichen und unwillkürlichen
Bewegungen im Thierkörper vermitteln, ſind, nach dem Vor-
hergehenden, nicht die Erzeuger, ſondern nur die Leiter der
Lebenskraft; ſie pflanzen die Bewegung fort und verhalten
ſich gegen andere Urſachen von Bewegungen, welche in ih-
ren Aeußerungen der Lebenskraft ähnlich ſind, gegen einen
elektriſchen Strom z. B. auf eine völlig gleiche Weiſe, ſie
geſtatten ihm den Durchgang und bieten als Leiter der Elek-
tricität alle Erſcheinungen dar, welche ihnen als Leitern der
Lebenskraft zukommen. Niemandem wird es wohl, nach dem
gegenwärtigen Zuſtande unſerer Kenntniſſe, in den Sinn
kommen, als die Urſache der Bewegungserſcheinungen in dem
Thierkörper die Elektricität anzuſehen, allein die medicini-
ſchen Wirkungen der Elektricität, ſo wie die eines Magne-
ten, der in Berührung mit dem Körper die Entſtehung ei-
nes elektriſchen Stromes vermittelt, können nicht geleugnet
werden. Denn zu der vorhandenen Kraft der Bewegung
und Störung addirt ſich in dem elektriſchen Strome eine
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dürfen.


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[267/0291] im Thierorganismus. Ueber die Natur und das Weſen der Lebenskraft kann man ſich wohl keiner ſelbſtgeſchaffenen Täuſchung hingeben, wenn man beachtet, daß ſie ſich in allen ihren Aeußerungen ganz ähnlich wie andere Naturkräfte verhält, daß ſie ohne Bewußtſein, völlig willenlos, einem Blaſenpflaſter unterge- ordnet iſt. Die Nerven, welche die willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen im Thierkörper vermitteln, ſind, nach dem Vor- hergehenden, nicht die Erzeuger, ſondern nur die Leiter der Lebenskraft; ſie pflanzen die Bewegung fort und verhalten ſich gegen andere Urſachen von Bewegungen, welche in ih- ren Aeußerungen der Lebenskraft ähnlich ſind, gegen einen elektriſchen Strom z. B. auf eine völlig gleiche Weiſe, ſie geſtatten ihm den Durchgang und bieten als Leiter der Elek- tricität alle Erſcheinungen dar, welche ihnen als Leitern der Lebenskraft zukommen. Niemandem wird es wohl, nach dem gegenwärtigen Zuſtande unſerer Kenntniſſe, in den Sinn kommen, als die Urſache der Bewegungserſcheinungen in dem Thierkörper die Elektricität anzuſehen, allein die medicini- ſchen Wirkungen der Elektricität, ſo wie die eines Magne- ten, der in Berührung mit dem Körper die Entſtehung ei- nes elektriſchen Stromes vermittelt, können nicht geleugnet werden. Denn zu der vorhandenen Kraft der Bewegung und Störung addirt ſich in dem elektriſchen Strome eine neue Urſache von Bewegung, Form- und Beſchaffenheitsän- derung, deren Wirkungen nicht gleich Null geſetzt werden dürfen.

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/291>, abgerufen am 21.05.2024.