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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Ueber Verwandlung der
In der Nacht gerieth ich in Schweiß, was wohl eine Wir-
kung dieser Säure sein mochte, da ich sonst nur sehr schwer
in stärkere Transpiration komme. Eine andere Wirkung
konnte ich nicht wahrnehmen, selbst als ich auch an den fol-
genden Tagen dieselbe Dosis dreimal täglich zu mir nahm,
wo auch nicht einmal der Schweiß wieder eintrat.

Der am Morgen gelassene Harn reagirte ungewöhnlich
stark sauer und zwar selbst noch, nachdem er abgedampft
worden war und 12 Stunden lang gestanden hatte. Er setzte
dabei nur das gewöhnliche Sediment von Erdsalzen ab. Als
er aber mit Salzsäure vermischt und stehen gelassen wurde,
bildeten sich darin lange, prismatische, braungefärbte Kry-
stalle in großer Menge, die schon dem Ansehen nach nicht
für Benzoesäure zu halten waren. Ein anderer Theil, der
durch Abdampfen bis zur Syrupsdicke concentrirt war, ver-
wandelte sich beim Vermischen mit Salzsäure in ein Magma
von Krystallblättchen. Diese so erhaltene krystallinische Sub-
stanz wurde ausgepreßt, in siedendem Wasser gelös't, mit
Thierkohle behandelt und umkrystallisirt. Sie wurde dadurch
in farblosen, zolllangen Prismen erhalten.

Diese Krystalle waren reine Hippursäure. Beim Er-
hitzen schmolzen sie leicht, bei etwas stärkerer Hitze verkohlte
sich die Masse unter Entwicklung eines Geruchs nach Bitter-
mandelöl und unter Sublimation von Benzoesäure. Um
jeden Zweifel zu beseitigen, bestimmte ich ihren Kohlenstoff-
gehalt, 0,3 Grm. gaben 60,4 pCt. Kohlenstoff. Nach der
Formel C18 H16 N2 O5 + aq. enthält die krystallisirte Hip-

Ueber Verwandlung der
In der Nacht gerieth ich in Schweiß, was wohl eine Wir-
kung dieſer Säure ſein mochte, da ich ſonſt nur ſehr ſchwer
in ſtärkere Transpiration komme. Eine andere Wirkung
konnte ich nicht wahrnehmen, ſelbſt als ich auch an den fol-
genden Tagen dieſelbe Doſis dreimal täglich zu mir nahm,
wo auch nicht einmal der Schweiß wieder eintrat.

Der am Morgen gelaſſene Harn reagirte ungewöhnlich
ſtark ſauer und zwar ſelbſt noch, nachdem er abgedampft
worden war und 12 Stunden lang geſtanden hatte. Er ſetzte
dabei nur das gewöhnliche Sediment von Erdſalzen ab. Als
er aber mit Salzſäure vermiſcht und ſtehen gelaſſen wurde,
bildeten ſich darin lange, prismatiſche, braungefärbte Kry-
ſtalle in großer Menge, die ſchon dem Anſehen nach nicht
für Benzoeſäure zu halten waren. Ein anderer Theil, der
durch Abdampfen bis zur Syrupsdicke concentrirt war, ver-
wandelte ſich beim Vermiſchen mit Salzſäure in ein Magma
von Kryſtallblättchen. Dieſe ſo erhaltene kryſtalliniſche Sub-
ſtanz wurde ausgepreßt, in ſiedendem Waſſer gelöſ’t, mit
Thierkohle behandelt und umkryſtalliſirt. Sie wurde dadurch
in farbloſen, zolllangen Prismen erhalten.

Dieſe Kryſtalle waren reine Hippurſäure. Beim Er-
hitzen ſchmolzen ſie leicht, bei etwas ſtärkerer Hitze verkohlte
ſich die Maſſe unter Entwicklung eines Geruchs nach Bitter-
mandelöl und unter Sublimation von Benzoeſäure. Um
jeden Zweifel zu beſeitigen, beſtimmte ich ihren Kohlenſtoff-
gehalt, 0,3 Grm. gaben 60,4 pCt. Kohlenſtoff. Nach der
Formel C18 H16 N2 O5 + aq. enthält die kryſtalliſirte Hip-

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[340/0364] Ueber Verwandlung der In der Nacht gerieth ich in Schweiß, was wohl eine Wir- kung dieſer Säure ſein mochte, da ich ſonſt nur ſehr ſchwer in ſtärkere Transpiration komme. Eine andere Wirkung konnte ich nicht wahrnehmen, ſelbſt als ich auch an den fol- genden Tagen dieſelbe Doſis dreimal täglich zu mir nahm, wo auch nicht einmal der Schweiß wieder eintrat. Der am Morgen gelaſſene Harn reagirte ungewöhnlich ſtark ſauer und zwar ſelbſt noch, nachdem er abgedampft worden war und 12 Stunden lang geſtanden hatte. Er ſetzte dabei nur das gewöhnliche Sediment von Erdſalzen ab. Als er aber mit Salzſäure vermiſcht und ſtehen gelaſſen wurde, bildeten ſich darin lange, prismatiſche, braungefärbte Kry- ſtalle in großer Menge, die ſchon dem Anſehen nach nicht für Benzoeſäure zu halten waren. Ein anderer Theil, der durch Abdampfen bis zur Syrupsdicke concentrirt war, ver- wandelte ſich beim Vermiſchen mit Salzſäure in ein Magma von Kryſtallblättchen. Dieſe ſo erhaltene kryſtalliniſche Sub- ſtanz wurde ausgepreßt, in ſiedendem Waſſer gelöſ’t, mit Thierkohle behandelt und umkryſtalliſirt. Sie wurde dadurch in farbloſen, zolllangen Prismen erhalten. Dieſe Kryſtalle waren reine Hippurſäure. Beim Er- hitzen ſchmolzen ſie leicht, bei etwas ſtärkerer Hitze verkohlte ſich die Maſſe unter Entwicklung eines Geruchs nach Bitter- mandelöl und unter Sublimation von Benzoeſäure. Um jeden Zweifel zu beſeitigen, beſtimmte ich ihren Kohlenſtoff- gehalt, 0,3 Grm. gaben 60,4 pCt. Kohlenſtoff. Nach der Formel C18 H16 N2 O5 + aq. enthält die kryſtalliſirte Hip-

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/364>, abgerufen am 05.05.2024.