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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Der chemische Proceß der
ceß der Verwesung ein, alle Theile des Körpers verbinden
sich mit dem Sauerstoff der Luft.

Die Zeit, in welcher ein Verhungernder stirbt, richtet
sich nach dem Zustand der Fettleibigkeit, nach dem Zustand
der Bewegung (Anstrengung und Arbeit), nach der Tempe-
ratur der Luft, und ist zuletzt abhängig von der Gegenwart
oder Abwesenheit des Wassers. Durch die Haut und Lunge
verdunstet eine gewisse Menge Wasser, durch deren Austre-
ten, als die Bedingung aller Vermittelung von Bewegun-
gen, der Tod beschleunigt wird. Es giebt Fälle, wo bei
ungeschmälertem Wassergenuß der Tod erst nach 20, in ei-
nem Fall erst nach 60 Tagen erfolgte.

In allen chronischen Krankheiten erfolgt der Tod durch
die nämliche Ursache, durch die Einwirkung der Atmosphäre.
Wenn die Stoffe fehlen, welche in dem Organismus zur
Unterhaltung des Respirationsprocesses bestimmt sind, wenn
die Organe des Kranken ihre Funktion versagen, wenn sie
die Fähigkeit verlieren, zu ihrem eignen Schutz die genosse-
nen Speisen in den Zustand zu versetzen, in dem sich ihre
Bestandtheile mit dem Sauerstoff der Luft zu verbinden ver-
mögen, so wird ihre eigne Substanz, das Fett, das Gehirn,
die Substanz der Muskeln und Nerven dazu verwendet *).

Die eigentliche Ursache des Todes ist in diesen Fällen
der Respirationsproceß, die Einwirkung der Atmosphäre.

*) In Beziehung auf den wahren Vorgang verweise ich auf die Be-
trachtung des Stoffwechsels in dem Körper der Carnivoren (s. im
Folgenden).

Der chemiſche Proceß der
ceß der Verweſung ein, alle Theile des Körpers verbinden
ſich mit dem Sauerſtoff der Luft.

Die Zeit, in welcher ein Verhungernder ſtirbt, richtet
ſich nach dem Zuſtand der Fettleibigkeit, nach dem Zuſtand
der Bewegung (Anſtrengung und Arbeit), nach der Tempe-
ratur der Luft, und iſt zuletzt abhängig von der Gegenwart
oder Abweſenheit des Waſſers. Durch die Haut und Lunge
verdunſtet eine gewiſſe Menge Waſſer, durch deren Austre-
ten, als die Bedingung aller Vermittelung von Bewegun-
gen, der Tod beſchleunigt wird. Es giebt Fälle, wo bei
ungeſchmälertem Waſſergenuß der Tod erſt nach 20, in ei-
nem Fall erſt nach 60 Tagen erfolgte.

In allen chroniſchen Krankheiten erfolgt der Tod durch
die nämliche Urſache, durch die Einwirkung der Atmoſphäre.
Wenn die Stoffe fehlen, welche in dem Organismus zur
Unterhaltung des Reſpirationsproceſſes beſtimmt ſind, wenn
die Organe des Kranken ihre Funktion verſagen, wenn ſie
die Fähigkeit verlieren, zu ihrem eignen Schutz die genoſſe-
nen Speiſen in den Zuſtand zu verſetzen, in dem ſich ihre
Beſtandtheile mit dem Sauerſtoff der Luft zu verbinden ver-
mögen, ſo wird ihre eigne Subſtanz, das Fett, das Gehirn,
die Subſtanz der Muskeln und Nerven dazu verwendet *).

Die eigentliche Urſache des Todes iſt in dieſen Fällen
der Reſpirationsproceß, die Einwirkung der Atmoſphäre.

*) In Beziehung auf den wahren Vorgang verweiſe ich auf die Be-
trachtung des Stoffwechſels in dem Körper der Carnivoren (ſ. im
Folgenden).
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[28/0052] Der chemiſche Proceß der ceß der Verweſung ein, alle Theile des Körpers verbinden ſich mit dem Sauerſtoff der Luft. Die Zeit, in welcher ein Verhungernder ſtirbt, richtet ſich nach dem Zuſtand der Fettleibigkeit, nach dem Zuſtand der Bewegung (Anſtrengung und Arbeit), nach der Tempe- ratur der Luft, und iſt zuletzt abhängig von der Gegenwart oder Abweſenheit des Waſſers. Durch die Haut und Lunge verdunſtet eine gewiſſe Menge Waſſer, durch deren Austre- ten, als die Bedingung aller Vermittelung von Bewegun- gen, der Tod beſchleunigt wird. Es giebt Fälle, wo bei ungeſchmälertem Waſſergenuß der Tod erſt nach 20, in ei- nem Fall erſt nach 60 Tagen erfolgte. In allen chroniſchen Krankheiten erfolgt der Tod durch die nämliche Urſache, durch die Einwirkung der Atmoſphäre. Wenn die Stoffe fehlen, welche in dem Organismus zur Unterhaltung des Reſpirationsproceſſes beſtimmt ſind, wenn die Organe des Kranken ihre Funktion verſagen, wenn ſie die Fähigkeit verlieren, zu ihrem eignen Schutz die genoſſe- nen Speiſen in den Zuſtand zu verſetzen, in dem ſich ihre Beſtandtheile mit dem Sauerſtoff der Luft zu verbinden ver- mögen, ſo wird ihre eigne Subſtanz, das Fett, das Gehirn, die Subſtanz der Muskeln und Nerven dazu verwendet *). Die eigentliche Urſache des Todes iſt in dieſen Fällen der Reſpirationsproceß, die Einwirkung der Atmoſphäre. *) In Beziehung auf den wahren Vorgang verweiſe ich auf die Be- trachtung des Stoffwechſels in dem Körper der Carnivoren (ſ. im Folgenden).

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/52>, abgerufen am 30.04.2024.