Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.Der chemische Proceß der brauch von Sauerstoff. Die Temperatur des Thiers war38°, die des umgebenden Wassers in den Versuchen von Despretz 8,5°. Diese Versuche beweisen also, daß bei ei- ner großen Differenz der Temperatur des Körpers und der der Umgebung, beim Mangel aller Bewegung, mehr Wärme entweicht, als dem eingeathmeten Sauerstoff entspricht; in gleichen Zeiten bei freier ungehinderter Bewegung würde eine weit größere Menge Sauerstoff aufgenommen worden sein, ohne bemerkbare Erhöhung des Wärmeverlustes. Dieser Zustand tritt bei Menschen und Thieren zu ge- wissen Jahreszeiten ein, und wir sagen in diesem Fall, daß wir frieren. Es ist klar, daß, wenn wir einen Menschen mit einem metallischen Kleide umgeben, der Wär- meverlust, wenn wir ihm Hände und Füße binden, bei glei- chem Sauerstoffverbrauch weit größer sein wird, als wenn wir ihn in Pelz und Wolle stecken, ja wir finden sogar, daß er in dem letztern Fall anfängt zu schwitzen, daß war- mes Wasser quellenweise aus den feinen Schweißlöchern sei- ner Haut tritt. Wenn man hinzunimmt, daß ganz bestimmte Beobach- Diese Schlüsse haben für die Meinung, daß eine andere Der chemiſche Proceß der brauch von Sauerſtoff. Die Temperatur des Thiers war38°, die des umgebenden Waſſers in den Verſuchen von Despretz 8,5°. Dieſe Verſuche beweiſen alſo, daß bei ei- ner großen Differenz der Temperatur des Körpers und der der Umgebung, beim Mangel aller Bewegung, mehr Wärme entweicht, als dem eingeathmeten Sauerſtoff entſpricht; in gleichen Zeiten bei freier ungehinderter Bewegung würde eine weit größere Menge Sauerſtoff aufgenommen worden ſein, ohne bemerkbare Erhöhung des Wärmeverluſtes. Dieſer Zuſtand tritt bei Menſchen und Thieren zu ge- wiſſen Jahreszeiten ein, und wir ſagen in dieſem Fall, daß wir frieren. Es iſt klar, daß, wenn wir einen Menſchen mit einem metalliſchen Kleide umgeben, der Wär- meverluſt, wenn wir ihm Hände und Füße binden, bei glei- chem Sauerſtoffverbrauch weit größer ſein wird, als wenn wir ihn in Pelz und Wolle ſtecken, ja wir finden ſogar, daß er in dem letztern Fall anfängt zu ſchwitzen, daß war- mes Waſſer quellenweiſe aus den feinen Schweißlöchern ſei- ner Haut tritt. Wenn man hinzunimmt, daß ganz beſtimmte Beobach- Dieſe Schlüſſe haben für die Meinung, daß eine andere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0062" n="38"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der chemiſche Proceß der</hi></fw><lb/> brauch von Sauerſtoff. Die Temperatur des Thiers war<lb/> 38°, die des umgebenden Waſſers in den Verſuchen von<lb/><hi rendition="#g">Despretz</hi> 8,5°. Dieſe Verſuche beweiſen alſo, daß bei ei-<lb/> ner großen Differenz der Temperatur des Körpers und der<lb/> der Umgebung, beim Mangel aller Bewegung, mehr Wärme<lb/> entweicht, als dem eingeathmeten Sauerſtoff entſpricht; in<lb/> gleichen Zeiten bei freier ungehinderter Bewegung würde<lb/> eine weit größere Menge Sauerſtoff aufgenommen worden<lb/> ſein, ohne bemerkbare Erhöhung des Wärmeverluſtes.<lb/> Dieſer Zuſtand tritt bei Menſchen und Thieren zu ge-<lb/> wiſſen Jahreszeiten ein, und wir ſagen in dieſem Fall,<lb/> daß wir frieren. Es iſt klar, daß, wenn wir einen<lb/> Menſchen mit einem metalliſchen Kleide umgeben, der Wär-<lb/> meverluſt, wenn wir ihm Hände und Füße binden, bei glei-<lb/> chem Sauerſtoffverbrauch weit größer ſein wird, als wenn<lb/> wir ihn in Pelz und Wolle ſtecken, ja wir finden ſogar,<lb/> daß er in dem letztern Fall anfängt zu ſchwitzen, daß war-<lb/> mes Waſſer quellenweiſe aus den feinen Schweißlöchern ſei-<lb/> ner Haut tritt.</p><lb/> <p>Wenn man hinzunimmt, daß ganz beſtimmte Beobach-<lb/> tungen vorliegen, wo Thiere, die gebunden in einer unna-<lb/> türlichen Stellung, z. B. auf dem Rücken liegend, athmeten,<lb/> daß die Temperatur ihres Körpers durch den Thermometer<lb/> meßbar abnimmt, ſo kann man wohl ſchwerlich über die<lb/> Schlüſſe, die man aus dieſen Verſuchen gezogen hat, im<lb/> Zweifel ſein.</p><lb/> <p>Dieſe Schlüſſe haben für die Meinung, daß eine andere<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0062]
Der chemiſche Proceß der
brauch von Sauerſtoff. Die Temperatur des Thiers war
38°, die des umgebenden Waſſers in den Verſuchen von
Despretz 8,5°. Dieſe Verſuche beweiſen alſo, daß bei ei-
ner großen Differenz der Temperatur des Körpers und der
der Umgebung, beim Mangel aller Bewegung, mehr Wärme
entweicht, als dem eingeathmeten Sauerſtoff entſpricht; in
gleichen Zeiten bei freier ungehinderter Bewegung würde
eine weit größere Menge Sauerſtoff aufgenommen worden
ſein, ohne bemerkbare Erhöhung des Wärmeverluſtes.
Dieſer Zuſtand tritt bei Menſchen und Thieren zu ge-
wiſſen Jahreszeiten ein, und wir ſagen in dieſem Fall,
daß wir frieren. Es iſt klar, daß, wenn wir einen
Menſchen mit einem metalliſchen Kleide umgeben, der Wär-
meverluſt, wenn wir ihm Hände und Füße binden, bei glei-
chem Sauerſtoffverbrauch weit größer ſein wird, als wenn
wir ihn in Pelz und Wolle ſtecken, ja wir finden ſogar,
daß er in dem letztern Fall anfängt zu ſchwitzen, daß war-
mes Waſſer quellenweiſe aus den feinen Schweißlöchern ſei-
ner Haut tritt.
Wenn man hinzunimmt, daß ganz beſtimmte Beobach-
tungen vorliegen, wo Thiere, die gebunden in einer unna-
türlichen Stellung, z. B. auf dem Rücken liegend, athmeten,
daß die Temperatur ihres Körpers durch den Thermometer
meßbar abnimmt, ſo kann man wohl ſchwerlich über die
Schlüſſe, die man aus dieſen Verſuchen gezogen hat, im
Zweifel ſein.
Dieſe Schlüſſe haben für die Meinung, daß eine andere
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Zitationshilfe: | Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/62>, abgerufen am 16.02.2025. |