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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Respiration und Ernährung.
Wasser auswäscht, so setzt sich aus der trüben ablaufenden
Flüssigkeit ein höchst feines Stärkmehl ab, von dem man in den
sogenannten reifen Früchten keine Spur mehr wahrnimmt.
Manche von diesen Obstsorten werden auf dem Baume süß
(Sommer-Birnen, -Aepfel), andere hingegen erst einige Zeit
nachher, wenn sie, vom Baume genommen, aufbewahrt werden.
Dieses sogenannte Nachreifen, wie man dieses Süßwerden nennt,
ist ein rein chemischer Proceß, der mit dem Pflanzenleben nichts
zu thun hat. Mit dem Aufhören der Vegetation ist die Frucht
zur Fortpflanzung geeignet, d. h. der Kern ist völlig reif, allein
die fleischige Hülle unterliegt von diesem Zeitpunkte an der
Einwirkung der Atmosphäre, sie nimmt wie alle verwesenden
Substanzen Sauerstoff auf, und es trennt sich von ihrer Substanz
eine gewisse Menge kohlensaures Gas.

Aehnlich nun wie die Stärke in faulendem Kleister oder durch
verwesenden Kleber in Zucker übergeführt wird, verwandelt sich das
Amylon der genannten verwesenden Früchte in Traubenzucker, sie
werden in dem Verhältniß süßer, als sie mehr Stärke enthielten.

Zwischen Amylon und Zucker findet nach dem Vorerwähn-
ten ein ganz bestimmter Zusammenhang statt; durch eine Menge
chemischer Actionen, welche auf die Elemente des Amylons
keine andere Wirkung äußern, als daß sie die Richtung ihrer
gegenseitigen Anziehung ändern, sind wir im Stande, das Amy-
lon in Zucker und zwar in Traubenzucker überzuführen.

Der Milchzucker 13) verhält sich in vielen Beziehungen ähnlich
wie das Amylon, er ist für sich der weingeistigen Gährung
nicht fähig, er erlangt aber die Eigenschaft in Alkohol und Koh-

Reſpiration und Ernährung.
Waſſer auswäſcht, ſo ſetzt ſich aus der trüben ablaufenden
Flüſſigkeit ein höchſt feines Stärkmehl ab, von dem man in den
ſogenannten reifen Früchten keine Spur mehr wahrnimmt.
Manche von dieſen Obſtſorten werden auf dem Baume ſüß
(Sommer-Birnen, -Aepfel), andere hingegen erſt einige Zeit
nachher, wenn ſie, vom Baume genommen, aufbewahrt werden.
Dieſes ſogenannte Nachreifen, wie man dieſes Süßwerden nennt,
iſt ein rein chemiſcher Proceß, der mit dem Pflanzenleben nichts
zu thun hat. Mit dem Aufhören der Vegetation iſt die Frucht
zur Fortpflanzung geeignet, d. h. der Kern iſt völlig reif, allein
die fleiſchige Hülle unterliegt von dieſem Zeitpunkte an der
Einwirkung der Atmoſphäre, ſie nimmt wie alle verweſenden
Subſtanzen Sauerſtoff auf, und es trennt ſich von ihrer Subſtanz
eine gewiſſe Menge kohlenſaures Gas.

Aehnlich nun wie die Stärke in faulendem Kleiſter oder durch
verweſenden Kleber in Zucker übergeführt wird, verwandelt ſich das
Amylon der genannten verweſenden Früchte in Traubenzucker, ſie
werden in dem Verhältniß ſüßer, als ſie mehr Stärke enthielten.

Zwiſchen Amylon und Zucker findet nach dem Vorerwähn-
ten ein ganz beſtimmter Zuſammenhang ſtatt; durch eine Menge
chemiſcher Actionen, welche auf die Elemente des Amylons
keine andere Wirkung äußern, als daß ſie die Richtung ihrer
gegenſeitigen Anziehung ändern, ſind wir im Stande, das Amy-
lon in Zucker und zwar in Traubenzucker überzuführen.

Der Milchzucker 13) verhält ſich in vielen Beziehungen ähnlich
wie das Amylon, er iſt für ſich der weingeiſtigen Gährung
nicht fähig, er erlangt aber die Eigenſchaft in Alkohol und Koh-

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[73/0097] Reſpiration und Ernährung. Waſſer auswäſcht, ſo ſetzt ſich aus der trüben ablaufenden Flüſſigkeit ein höchſt feines Stärkmehl ab, von dem man in den ſogenannten reifen Früchten keine Spur mehr wahrnimmt. Manche von dieſen Obſtſorten werden auf dem Baume ſüß (Sommer-Birnen, -Aepfel), andere hingegen erſt einige Zeit nachher, wenn ſie, vom Baume genommen, aufbewahrt werden. Dieſes ſogenannte Nachreifen, wie man dieſes Süßwerden nennt, iſt ein rein chemiſcher Proceß, der mit dem Pflanzenleben nichts zu thun hat. Mit dem Aufhören der Vegetation iſt die Frucht zur Fortpflanzung geeignet, d. h. der Kern iſt völlig reif, allein die fleiſchige Hülle unterliegt von dieſem Zeitpunkte an der Einwirkung der Atmoſphäre, ſie nimmt wie alle verweſenden Subſtanzen Sauerſtoff auf, und es trennt ſich von ihrer Subſtanz eine gewiſſe Menge kohlenſaures Gas. Aehnlich nun wie die Stärke in faulendem Kleiſter oder durch verweſenden Kleber in Zucker übergeführt wird, verwandelt ſich das Amylon der genannten verweſenden Früchte in Traubenzucker, ſie werden in dem Verhältniß ſüßer, als ſie mehr Stärke enthielten. Zwiſchen Amylon und Zucker findet nach dem Vorerwähn- ten ein ganz beſtimmter Zuſammenhang ſtatt; durch eine Menge chemiſcher Actionen, welche auf die Elemente des Amylons keine andere Wirkung äußern, als daß ſie die Richtung ihrer gegenſeitigen Anziehung ändern, ſind wir im Stande, das Amy- lon in Zucker und zwar in Traubenzucker überzuführen. Der Milchzucker 13) verhält ſich in vielen Beziehungen ähnlich wie das Amylon, er iſt für ſich der weingeiſtigen Gährung nicht fähig, er erlangt aber die Eigenſchaft in Alkohol und Koh-

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/97>, abgerufen am 30.04.2024.