Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].vor dem Sofa stand eine Astrallampe, die den Raum hell In eines der offenen Fenster trat ein junges Mädchen. In weiter Ferne hörte man Gesang. Bald deutlicher, Jetzt klang es klar zu ihr herüber: "Kein schön'rer Tod ist in der Welt, Als wer vor'm Feind erschlagen, Auf grüner Heid', im freien Feld, Darf nicht hör'n groß Wehklagen; Im engen Bett nur Ein'r allein Muß an den Todesreihen: Hier findet er Gesellschaft fein, Fall'n mit wie Kräuter im Maien." Sie horchte atemlos. Der Mund öffnete sich ein wenig. "Mit Trommelklang und Pfeif'ngetön Manch frommer Held war begraben, Auf grüner Heid' gefallen schön, Unsterblichen Ruhm thut er haben!" klang es, schwächer und schwächer werdend. -- vor dem Sofa ſtand eine Aſtrallampe, die den Raum hell In eines der offenen Fenſter trat ein junges Mädchen. In weiter Ferne hörte man Geſang. Bald deutlicher, Jetzt klang es klar zu ihr herüber: „Kein ſchön’rer Tod iſt in der Welt, Als wer vor’m Feind erſchlagen, Auf grüner Heid’, im freien Feld, Darf nicht hör’n groß Wehklagen; Im engen Bett nur Ein’r allein Muß an den Todesreihen: Hier findet er Geſellſchaft fein, Fall’n mit wie Kräuter im Maien.“ Sie horchte atemlos. Der Mund öffnete ſich ein wenig. „Mit Trommelklang und Pfeif’ngetön Manch frommer Held war begraben, Auf grüner Heid’ gefallen ſchön, Unſterblichen Ruhm thut er haben!“ klang es, ſchwächer und ſchwächer werdend. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0149" n="141"/> vor dem Sofa ſtand eine Aſtrallampe, die den Raum hell<lb/> erleuchtete. Den Fenſtern gegenüber war ein „Bechſtein“<lb/> hingeſchoben. — In die Nacht hinaus klang das Impromptü<lb/><hi rendition="#aq">As dur, Opus</hi> 142, Nummer 2, von Franz Schubert. Der<lb/> Zwiſchenſatz wurde zu ſchnell, zu leidenſchaftlich geſpielt; es<lb/> lag etwas wie Angſt und Unruhe darin. Bald waren auch<lb/> die letzten Akkorde des vornehmen kleinen Stückes verhallt.</p><lb/> <p>In eines der offenen Fenſter trat ein junges Mädchen.<lb/> Sie faltete die Hände und blickte in den Garten hinein. Das<lb/> Kleid war bis an den Hals geſchloſſen; aus der Spitzenkrauſe<lb/> hob ſich der ſchöne Kopf, ſchmal und blaß. — Und eine Kette<lb/> klagender, ſchwerer, ſehnſuchtsvoller Gedanken zog ihr Herz<lb/> in die Vergangenheit.</p><lb/> <p>In weiter Ferne hörte man Geſang. Bald deutlicher,<lb/> bald ſchwächer. Es waren Soldaten, die auf dem Wege zur<lb/> Grenze waren, wo der Krieg in dieſen Tagen ausgebrochen.</p><lb/> <p>Jetzt klang es klar zu ihr herüber:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Kein ſchön’rer Tod iſt in der Welt,</l><lb/> <l>Als wer vor’m Feind erſchlagen,</l><lb/> <l>Auf grüner Heid’, im freien Feld,</l><lb/> <l>Darf nicht hör’n groß Wehklagen;</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Im engen Bett nur Ein’r allein</l><lb/> <l>Muß an den Todesreihen:</l><lb/> <l>Hier findet er Geſellſchaft fein,</l><lb/> <l>Fall’n mit wie Kräuter im Maien.“</l> </lg> </lg><lb/> <p>Sie horchte atemlos. Der Mund öffnete ſich ein wenig.<lb/> Die Augen wurden größer. Auf dem holden Geſicht prägte<lb/> ſich Angſt und Sorge aus.</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Mit Trommelklang und Pfeif’ngetön</l><lb/> <l>Manch frommer Held war begraben,</l><lb/> <l>Auf grüner Heid’ gefallen ſchön,</l><lb/> <l>Unſterblichen Ruhm thut er haben!“</l> </lg> </lg><lb/> <p>klang es, ſchwächer und ſchwächer werdend. —</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [141/0149]
vor dem Sofa ſtand eine Aſtrallampe, die den Raum hell
erleuchtete. Den Fenſtern gegenüber war ein „Bechſtein“
hingeſchoben. — In die Nacht hinaus klang das Impromptü
As dur, Opus 142, Nummer 2, von Franz Schubert. Der
Zwiſchenſatz wurde zu ſchnell, zu leidenſchaftlich geſpielt; es
lag etwas wie Angſt und Unruhe darin. Bald waren auch
die letzten Akkorde des vornehmen kleinen Stückes verhallt.
In eines der offenen Fenſter trat ein junges Mädchen.
Sie faltete die Hände und blickte in den Garten hinein. Das
Kleid war bis an den Hals geſchloſſen; aus der Spitzenkrauſe
hob ſich der ſchöne Kopf, ſchmal und blaß. — Und eine Kette
klagender, ſchwerer, ſehnſuchtsvoller Gedanken zog ihr Herz
in die Vergangenheit.
In weiter Ferne hörte man Geſang. Bald deutlicher,
bald ſchwächer. Es waren Soldaten, die auf dem Wege zur
Grenze waren, wo der Krieg in dieſen Tagen ausgebrochen.
Jetzt klang es klar zu ihr herüber:
„Kein ſchön’rer Tod iſt in der Welt,
Als wer vor’m Feind erſchlagen,
Auf grüner Heid’, im freien Feld,
Darf nicht hör’n groß Wehklagen;
Im engen Bett nur Ein’r allein
Muß an den Todesreihen:
Hier findet er Geſellſchaft fein,
Fall’n mit wie Kräuter im Maien.“
Sie horchte atemlos. Der Mund öffnete ſich ein wenig.
Die Augen wurden größer. Auf dem holden Geſicht prägte
ſich Angſt und Sorge aus.
„Mit Trommelklang und Pfeif’ngetön
Manch frommer Held war begraben,
Auf grüner Heid’ gefallen ſchön,
Unſterblichen Ruhm thut er haben!“
klang es, ſchwächer und ſchwächer werdend. —
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