Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].

Bild:
<< vorherige Seite

Daß mir die Thräne niederrann.
Und wurde blasser, immer blasser,
Und sank allmählig in die Wasser. --
Ich wandte mich und ging feldein,
Doch eh ich hundert Schritte kaum
Gegangen war in schwerem Traum,
Kehrt' ich mich um im Mondenschein.
Da stand sie wieder, doch bewegt,
In ihren Mienen aufgeregt.
Ein Schrei drang gellend her von ihr,
Wie Ruf und Schrei von einem Tier.

In Böhmen einst, in Junitagen,
In heißer Schlacht, in heißer Schlacht,
Hört' ich ein Pferd im Tode klagen,
Das klang durch all' die heiße Schlacht.
Wir kämpften um ein Dorf mit Wut
In dickem Staub und Sonnenglut.
Mann gegen Mann, in Haus und Garten,
Um Knick und Mauer, Dach und Scharten.
Da, mitten drin im Pulverdampf,
Kommandoruf und Roßgestampf,
Durch Trommelwirbel, Hörnerschall,
Durch Mordgeheul und Donnerknall,
Hört' ich aus einem Stall, der brannte,
Ein Schreien, das mich übermannte.
"Hierher, rief ich mit heiserer Stimme,
Hierher zu mir im letzten Lauf,
Hierher! und schlagt die Thüren auf!"
Sie kamen schnell in Sturm und Grimme,
Und als wir in die Scheune drangen,
Sah bald an einer Kett' ich hangen
Ein halbverkohltes Pferd, das schrie,
Und ich vergess' es im Leben nie. --
Habt einen Menschen ihr gehört,

Daß mir die Thräne niederrann.
Und wurde blaſſer, immer blaſſer,
Und ſank allmählig in die Waſſer. —
Ich wandte mich und ging feldein,
Doch eh ich hundert Schritte kaum
Gegangen war in ſchwerem Traum,
Kehrt’ ich mich um im Mondenſchein.
Da ſtand ſie wieder, doch bewegt,
In ihren Mienen aufgeregt.
Ein Schrei drang gellend her von ihr,
Wie Ruf und Schrei von einem Tier.

In Böhmen einſt, in Junitagen,
In heißer Schlacht, in heißer Schlacht,
Hört’ ich ein Pferd im Tode klagen,
Das klang durch all’ die heiße Schlacht.
Wir kämpften um ein Dorf mit Wut
In dickem Staub und Sonnenglut.
Mann gegen Mann, in Haus und Garten,
Um Knick und Mauer, Dach und Scharten.
Da, mitten drin im Pulverdampf,
Kommandoruf und Roßgeſtampf,
Durch Trommelwirbel, Hörnerſchall,
Durch Mordgeheul und Donnerknall,
Hört’ ich aus einem Stall, der brannte,
Ein Schreien, das mich übermannte.
„Hierher, rief ich mit heiſerer Stimme,
Hierher zu mir im letzten Lauf,
Hierher! und ſchlagt die Thüren auf!“
Sie kamen ſchnell in Sturm und Grimme,
Und als wir in die Scheune drangen,
Sah bald an einer Kett’ ich hangen
Ein halbverkohltes Pferd, das ſchrie,
Und ich vergeſſ’ es im Leben nie. —
Habt einen Menſchen ihr gehört,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="9">
            <pb facs="#f0067" n="59"/>
            <l>Daß mir die Thräne niederrann.</l><lb/>
            <l>Und wurde bla&#x017F;&#x017F;er, immer bla&#x017F;&#x017F;er,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ank allmählig in die Wa&#x017F;&#x017F;er. &#x2014;</l><lb/>
            <l>Ich wandte mich und ging feldein,</l><lb/>
            <l>Doch eh ich hundert Schritte kaum</l><lb/>
            <l>Gegangen war in &#x017F;chwerem Traum,</l><lb/>
            <l>Kehrt&#x2019; ich mich um im Monden&#x017F;chein.</l><lb/>
            <l>Da &#x017F;tand &#x017F;ie wieder, doch bewegt,</l><lb/>
            <l>In ihren Mienen aufgeregt.</l><lb/>
            <l>Ein Schrei drang gellend her von ihr,</l><lb/>
            <l>Wie Ruf und Schrei von einem Tier.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="10">
            <l>In Böhmen ein&#x017F;t, in Junitagen,</l><lb/>
            <l>In heißer Schlacht, in heißer Schlacht,</l><lb/>
            <l>Hört&#x2019; ich ein Pferd im Tode klagen,</l><lb/>
            <l>Das klang durch all&#x2019; die heiße Schlacht.</l><lb/>
            <l>Wir kämpften um ein Dorf mit Wut</l><lb/>
            <l>In dickem Staub und Sonnenglut.</l><lb/>
            <l>Mann gegen Mann, in Haus und Garten,</l><lb/>
            <l>Um Knick und Mauer, Dach und Scharten.</l><lb/>
            <l>Da, mitten drin im Pulverdampf,</l><lb/>
            <l>Kommandoruf und Roßge&#x017F;tampf,</l><lb/>
            <l>Durch Trommelwirbel, Hörner&#x017F;chall,</l><lb/>
            <l>Durch Mordgeheul und Donnerknall,</l><lb/>
            <l>Hört&#x2019; ich aus einem Stall, der brannte,</l><lb/>
            <l>Ein Schreien, das mich übermannte.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Hierher, rief ich mit hei&#x017F;erer Stimme,</l><lb/>
            <l>Hierher zu mir im letzten Lauf,</l><lb/>
            <l>Hierher! und &#x017F;chlagt die Thüren auf!&#x201C;</l><lb/>
            <l>Sie kamen &#x017F;chnell in Sturm und Grimme,</l><lb/>
            <l>Und als wir in die Scheune drangen,</l><lb/>
            <l>Sah bald an einer Kett&#x2019; ich hangen</l><lb/>
            <l>Ein halbverkohltes Pferd, das &#x017F;chrie,</l><lb/>
            <l>Und ich verge&#x017F;&#x017F;&#x2019; es im Leben nie. &#x2014;</l><lb/>
            <l>Habt einen Men&#x017F;chen ihr gehört,</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0067] Daß mir die Thräne niederrann. Und wurde blaſſer, immer blaſſer, Und ſank allmählig in die Waſſer. — Ich wandte mich und ging feldein, Doch eh ich hundert Schritte kaum Gegangen war in ſchwerem Traum, Kehrt’ ich mich um im Mondenſchein. Da ſtand ſie wieder, doch bewegt, In ihren Mienen aufgeregt. Ein Schrei drang gellend her von ihr, Wie Ruf und Schrei von einem Tier. In Böhmen einſt, in Junitagen, In heißer Schlacht, in heißer Schlacht, Hört’ ich ein Pferd im Tode klagen, Das klang durch all’ die heiße Schlacht. Wir kämpften um ein Dorf mit Wut In dickem Staub und Sonnenglut. Mann gegen Mann, in Haus und Garten, Um Knick und Mauer, Dach und Scharten. Da, mitten drin im Pulverdampf, Kommandoruf und Roßgeſtampf, Durch Trommelwirbel, Hörnerſchall, Durch Mordgeheul und Donnerknall, Hört’ ich aus einem Stall, der brannte, Ein Schreien, das mich übermannte. „Hierher, rief ich mit heiſerer Stimme, Hierher zu mir im letzten Lauf, Hierher! und ſchlagt die Thüren auf!“ Sie kamen ſchnell in Sturm und Grimme, Und als wir in die Scheune drangen, Sah bald an einer Kett’ ich hangen Ein halbverkohltes Pferd, das ſchrie, Und ich vergeſſ’ es im Leben nie. — Habt einen Menſchen ihr gehört,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/67
Zitationshilfe: Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/67>, abgerufen am 21.11.2024.