Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].Das war ein gar zu liebes Ding, Goldregenüberbogen. Just kam ein kleiner Schmetterling Dicht ihr vorbeigeflogen. Ich stutzte überraschungsfroh, Schaut' ihr in Auges Tiefe. Wenn auch ihr Blick mich immer floh, Die Augen waren Briefe: "Geh' langsam durch den Garten hier, Auf buntbelebten Wegen. Wir treffen uns, ich komme dir Von ungefähr entgegen." So wandr' ich denn, und wie der Dieb Schiel' ich in Näh' und Weite, Ob bei der Mutter sie verblieb, Ob sie mir an der Seite. Indessen steht sie neben mir -- Ich kann nicht Worte finden. Ein zwei, drei Zoll lang Fädchen schier Könnt' uns zusammenbinden. Im Saale trommelts, quikt und quackt Der Geiger und der Pfeifer. Wir tanzen bald in regem Takt Den alten deutschen Schleifer. Ich drücke sanft die kleine Hand, Sie drückt die Hand mir wieder. Wo dann den Weg mit ihr ich fand, Da leuchtete der Flieder. Das war ein gar zu liebes Ding, Goldregenüberbogen. Juſt kam ein kleiner Schmetterling Dicht ihr vorbeigeflogen. Ich ſtutzte überraſchungsfroh, Schaut’ ihr in Auges Tiefe. Wenn auch ihr Blick mich immer floh, Die Augen waren Briefe: „Geh’ langſam durch den Garten hier, Auf buntbelebten Wegen. Wir treffen uns, ich komme dir Von ungefähr entgegen.“ So wandr’ ich denn, und wie der Dieb Schiel’ ich in Näh’ und Weite, Ob bei der Mutter ſie verblieb, Ob ſie mir an der Seite. Indeſſen ſteht ſie neben mir — Ich kann nicht Worte finden. Ein zwei, drei Zoll lang Fädchen ſchier Könnt’ uns zuſammenbinden. Im Saale trommelts, quikt und quackt Der Geiger und der Pfeifer. Wir tanzen bald in regem Takt Den alten deutſchen Schleifer. Ich drücke ſanft die kleine Hand, Sie drückt die Hand mir wieder. Wo dann den Weg mit ihr ich fand, Da leuchtete der Flieder. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0081" n="73"/> <lg n="7"> <l>Das war ein gar zu liebes Ding,</l><lb/> <l>Goldregenüberbogen.</l><lb/> <l>Juſt kam ein kleiner Schmetterling</l><lb/> <l>Dicht ihr vorbeigeflogen.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Ich ſtutzte überraſchungsfroh,</l><lb/> <l>Schaut’ ihr in Auges Tiefe.</l><lb/> <l>Wenn auch ihr Blick mich immer floh,</l><lb/> <l>Die Augen waren Briefe:</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>„Geh’ langſam durch den Garten hier,</l><lb/> <l>Auf buntbelebten Wegen.</l><lb/> <l>Wir treffen uns, ich komme dir</l><lb/> <l>Von ungefähr entgegen.“</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>So wandr’ ich denn, und wie der Dieb</l><lb/> <l>Schiel’ ich in Näh’ und Weite,</l><lb/> <l>Ob bei der Mutter ſie verblieb,</l><lb/> <l>Ob ſie mir an der Seite.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Indeſſen ſteht ſie neben mir —</l><lb/> <l>Ich kann nicht Worte finden.</l><lb/> <l>Ein zwei, drei Zoll lang Fädchen ſchier</l><lb/> <l>Könnt’ uns zuſammenbinden.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Im Saale trommelts, quikt und quackt</l><lb/> <l>Der Geiger und der Pfeifer.</l><lb/> <l>Wir tanzen bald in regem Takt</l><lb/> <l>Den alten deutſchen Schleifer.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Ich drücke ſanft die kleine Hand,</l><lb/> <l>Sie drückt die Hand mir wieder.</l><lb/> <l>Wo dann den Weg mit ihr ich fand,</l><lb/> <l>Da leuchtete der Flieder.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [73/0081]
Das war ein gar zu liebes Ding,
Goldregenüberbogen.
Juſt kam ein kleiner Schmetterling
Dicht ihr vorbeigeflogen.
Ich ſtutzte überraſchungsfroh,
Schaut’ ihr in Auges Tiefe.
Wenn auch ihr Blick mich immer floh,
Die Augen waren Briefe:
„Geh’ langſam durch den Garten hier,
Auf buntbelebten Wegen.
Wir treffen uns, ich komme dir
Von ungefähr entgegen.“
So wandr’ ich denn, und wie der Dieb
Schiel’ ich in Näh’ und Weite,
Ob bei der Mutter ſie verblieb,
Ob ſie mir an der Seite.
Indeſſen ſteht ſie neben mir —
Ich kann nicht Worte finden.
Ein zwei, drei Zoll lang Fädchen ſchier
Könnt’ uns zuſammenbinden.
Im Saale trommelts, quikt und quackt
Der Geiger und der Pfeifer.
Wir tanzen bald in regem Takt
Den alten deutſchen Schleifer.
Ich drücke ſanft die kleine Hand,
Sie drückt die Hand mir wieder.
Wo dann den Weg mit ihr ich fand,
Da leuchtete der Flieder.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/81 |
Zitationshilfe: | Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/81>, abgerufen am 16.02.2025. |