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Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889.

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nicht zu erreichenden günstigsten Verhältnissen die zu leistende
Arbeit auf 1,5 x 1/4 HP oder auf cirka 0,4 HP. Diese Arbeit
würde vom Menschen auch nur auf kurze Zeit geleistet werden
können. Wir müssen also noch vorteilhaftere Wirkungsweisen
herausfinden, wenn die physische Kraft des Menschen aus-
reichen soll, um ihn mit Flügeln in der Luft gehoben zu er-
halten.

Der bisher erreichte und lediglich in einer richtigen
Flügelform beruhende Vorteil ist unverkennbar; es soll hier
aber von einer weiteren Behandlung aus dem Grunde ab-
gesehen werden, weil sich im folgenden erweisen wird, dass
die bisher bekannt gemachten Luftwiderstandsverhältnisse für
die Praxis des Fliegens nicht ohne weiteres zutreffen.

Zu diesen letzten Berechnungen ist der Luftwiderstand
zu Grunde gelegt, welcher am Rotationsapparat in ruhender
Luft gemessen wurde.

Es sollen nun im ferneren die analogen Untersuchungen
angestellt werden unter zu Grundelegung der Luftwiderstands-
verhältnisse, welche man bei Messungen im Winde findet. Es
wird sich herausstellen, dass man zu ungleich günstigeren
Resultaten gelangt. Bevor aber auf diese Messungen im Winde
näher eingegangen wird, seien einige allgemeine Betrachtungen
über das Verhalten der Vögel zum Winde angestellt.


31. Die Vögel und der Wind.

In strengerem Sinne noch als die Luft kann man den
Wind als das eigentliche Element der Vögel bezeichnen. Wir
haben bereits gesehen, dass der Wind den Vögeln das Auf-
fliegen sehr erleichtert, und dass viele Vögel, wenn der zu
ihrem Auffliegen erforderliche Wind nicht herrscht, durch
Vorwärtshüpfen oder Laufen eine relative Luftbewegung gegen
sich hervorrufen, bevor ihre wirkliche Erhebung erfolgt. Wir
bemerken ferner, dass die Flugbewegungen der Vögel im Winde

nicht zu erreichenden günstigsten Verhältnissen die zu leistende
Arbeit auf 1,5 × ¼ HP oder auf cirka 0,4 HP. Diese Arbeit
würde vom Menschen auch nur auf kurze Zeit geleistet werden
können. Wir müssen also noch vorteilhaftere Wirkungsweisen
herausfinden, wenn die physische Kraft des Menschen aus-
reichen soll, um ihn mit Flügeln in der Luft gehoben zu er-
halten.

Der bisher erreichte und lediglich in einer richtigen
Flügelform beruhende Vorteil ist unverkennbar; es soll hier
aber von einer weiteren Behandlung aus dem Grunde ab-
gesehen werden, weil sich im folgenden erweisen wird, daſs
die bisher bekannt gemachten Luftwiderstandsverhältnisse für
die Praxis des Fliegens nicht ohne weiteres zutreffen.

Zu diesen letzten Berechnungen ist der Luftwiderstand
zu Grunde gelegt, welcher am Rotationsapparat in ruhender
Luft gemessen wurde.

Es sollen nun im ferneren die analogen Untersuchungen
angestellt werden unter zu Grundelegung der Luftwiderstands-
verhältnisse, welche man bei Messungen im Winde findet. Es
wird sich herausstellen, daſs man zu ungleich günstigeren
Resultaten gelangt. Bevor aber auf diese Messungen im Winde
näher eingegangen wird, seien einige allgemeine Betrachtungen
über das Verhalten der Vögel zum Winde angestellt.


31. Die Vögel und der Wind.

In strengerem Sinne noch als die Luft kann man den
Wind als das eigentliche Element der Vögel bezeichnen. Wir
haben bereits gesehen, daſs der Wind den Vögeln das Auf-
fliegen sehr erleichtert, und daſs viele Vögel, wenn der zu
ihrem Auffliegen erforderliche Wind nicht herrscht, durch
Vorwärtshüpfen oder Laufen eine relative Luftbewegung gegen
sich hervorrufen, bevor ihre wirkliche Erhebung erfolgt. Wir
bemerken ferner, daſs die Flugbewegungen der Vögel im Winde

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[102/0118] nicht zu erreichenden günstigsten Verhältnissen die zu leistende Arbeit auf 1,5 × ¼ HP oder auf cirka 0,4 HP. Diese Arbeit würde vom Menschen auch nur auf kurze Zeit geleistet werden können. Wir müssen also noch vorteilhaftere Wirkungsweisen herausfinden, wenn die physische Kraft des Menschen aus- reichen soll, um ihn mit Flügeln in der Luft gehoben zu er- halten. Der bisher erreichte und lediglich in einer richtigen Flügelform beruhende Vorteil ist unverkennbar; es soll hier aber von einer weiteren Behandlung aus dem Grunde ab- gesehen werden, weil sich im folgenden erweisen wird, daſs die bisher bekannt gemachten Luftwiderstandsverhältnisse für die Praxis des Fliegens nicht ohne weiteres zutreffen. Zu diesen letzten Berechnungen ist der Luftwiderstand zu Grunde gelegt, welcher am Rotationsapparat in ruhender Luft gemessen wurde. Es sollen nun im ferneren die analogen Untersuchungen angestellt werden unter zu Grundelegung der Luftwiderstands- verhältnisse, welche man bei Messungen im Winde findet. Es wird sich herausstellen, daſs man zu ungleich günstigeren Resultaten gelangt. Bevor aber auf diese Messungen im Winde näher eingegangen wird, seien einige allgemeine Betrachtungen über das Verhalten der Vögel zum Winde angestellt. 31. Die Vögel und der Wind. In strengerem Sinne noch als die Luft kann man den Wind als das eigentliche Element der Vögel bezeichnen. Wir haben bereits gesehen, daſs der Wind den Vögeln das Auf- fliegen sehr erleichtert, und daſs viele Vögel, wenn der zu ihrem Auffliegen erforderliche Wind nicht herrscht, durch Vorwärtshüpfen oder Laufen eine relative Luftbewegung gegen sich hervorrufen, bevor ihre wirkliche Erhebung erfolgt. Wir bemerken ferner, daſs die Flugbewegungen der Vögel im Winde

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Zitationshilfe: Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889/118>, abgerufen am 23.11.2024.