Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889.häufige Windstillen auszeichnen, überhaupt meiden, und sich Man kann den Albatros sehr gut und andauernd beob- Mein Bruder sah ihn oft mit erstaunlicher Sicherheit in Diese Kunststücke sind für den Albatros aber noch Neben- häufige Windstillen auszeichnen, überhaupt meiden, und sich Man kann den Albatros sehr gut und andauernd beob- Mein Bruder sah ihn oft mit erstaunlicher Sicherheit in Diese Kunststücke sind für den Albatros aber noch Neben- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0122" n="106"/> häufige Windstillen auszeichnen, überhaupt meiden, und sich<lb/> vorwiegend in solchen Breiten und solchen Meeren aufhalten,<lb/> die durch regelmäſsige stärkere Winde ausgezeichnet sind.<lb/> Der Albatros namentlich versteht mit seinen langen und<lb/> schmalen, fast säbelförmigen Flügeln sogar den Orkan zu be-<lb/> meistern. Sein schwerer Körper segelt mit seinem schlank<lb/> gebauten Flugapparat auf dem Sturme ruhend dahin. Nur<lb/> wenig dreht und wendet er die Flügel, und der Sturm trägt<lb/> ihn gehorsam, wohin er ihn tragen soll, ob mit dem Sturm<lb/> oder ihm entgegen. Die Bewegung mit und gegen den Sturm<lb/> unterscheidet sich durch weiter nichts als durch die Ge-<lb/> schwindigkeit.</p><lb/> <p>Man kann den Albatros sehr gut und andauernd beob-<lb/> achten, denn er bleibt in gewissen Gegenden, wie am Kap der<lb/> guten Hoffnung, ein sehr beständiger Begleiter der Schiffe,<lb/> und als Liebling der Schiffer, die sich an seinen majestätischen<lb/> Bewegungen erfreuen, umspielt er das Schiff mit groſser Zu-<lb/> traulichkeit.</p><lb/> <p>Mein Bruder sah ihn oft mit erstaunlicher Sicherheit in<lb/> schräger Stellung Spielräume der Takelung durchsegeln, die<lb/> eigentlich seiner groſsen Klafterbreite nicht Raum genug boten.<lb/> Man stelle sich vor, welche Gewandtheit dazu gehört, mit der<lb/> Geschwindigkeit des Sturmes und der Geschwindigkeit der<lb/> groſsen Dampfer der Australienlinie die eigene Geschwindig-<lb/> keit so zu kombinieren, daſs solch ein glatter Schwung, den<lb/> der groſse Vogel sich giebt, ihn ungestraft zwischen Rahen<lb/> und Taue hindurchführt.</p><lb/> <p>Diese Kunststücke sind für den Albatros aber noch Neben-<lb/> sache; denn was er eigentlich will, drücken seine grünlichen<lb/> Augen deutlich genug aus. Diese spähen ununterbrochen nach<lb/> einem Leckerbissen, welchen das mütterliche Meer nicht bieten<lb/> kann. Und so verstehen es diese Vögel denn auch, noch eine<lb/> vierte Bewegung gleichzeitig zu verfolgen, um ihrer Freſsgier<lb/> zu fröhnen, nämlich die vom Schiffe ihnen zugeworfenen<lb/> Küchenabfälle aus der Luft aufzufangen und sich gegenseitig<lb/> abzujagen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [106/0122]
häufige Windstillen auszeichnen, überhaupt meiden, und sich
vorwiegend in solchen Breiten und solchen Meeren aufhalten,
die durch regelmäſsige stärkere Winde ausgezeichnet sind.
Der Albatros namentlich versteht mit seinen langen und
schmalen, fast säbelförmigen Flügeln sogar den Orkan zu be-
meistern. Sein schwerer Körper segelt mit seinem schlank
gebauten Flugapparat auf dem Sturme ruhend dahin. Nur
wenig dreht und wendet er die Flügel, und der Sturm trägt
ihn gehorsam, wohin er ihn tragen soll, ob mit dem Sturm
oder ihm entgegen. Die Bewegung mit und gegen den Sturm
unterscheidet sich durch weiter nichts als durch die Ge-
schwindigkeit.
Man kann den Albatros sehr gut und andauernd beob-
achten, denn er bleibt in gewissen Gegenden, wie am Kap der
guten Hoffnung, ein sehr beständiger Begleiter der Schiffe,
und als Liebling der Schiffer, die sich an seinen majestätischen
Bewegungen erfreuen, umspielt er das Schiff mit groſser Zu-
traulichkeit.
Mein Bruder sah ihn oft mit erstaunlicher Sicherheit in
schräger Stellung Spielräume der Takelung durchsegeln, die
eigentlich seiner groſsen Klafterbreite nicht Raum genug boten.
Man stelle sich vor, welche Gewandtheit dazu gehört, mit der
Geschwindigkeit des Sturmes und der Geschwindigkeit der
groſsen Dampfer der Australienlinie die eigene Geschwindig-
keit so zu kombinieren, daſs solch ein glatter Schwung, den
der groſse Vogel sich giebt, ihn ungestraft zwischen Rahen
und Taue hindurchführt.
Diese Kunststücke sind für den Albatros aber noch Neben-
sache; denn was er eigentlich will, drücken seine grünlichen
Augen deutlich genug aus. Diese spähen ununterbrochen nach
einem Leckerbissen, welchen das mütterliche Meer nicht bieten
kann. Und so verstehen es diese Vögel denn auch, noch eine
vierte Bewegung gleichzeitig zu verfolgen, um ihrer Freſsgier
zu fröhnen, nämlich die vom Schiffe ihnen zugeworfenen
Küchenabfälle aus der Luft aufzufangen und sich gegenseitig
abzujagen.
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