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Lischnewska, Maria: Die deutsche Frauenstimmrechtsbewegung zwischen Krieg und Frieden. Berlin, 1915.

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der Gedanke einer neutralen Organisation, die alle umschließt,
die doch letzten Endes zum gleichen Ziele streben, hat durch die
Konferenz eine starke Förderung erhalten. Man hatte sich aufs
glücklichste verständigt, und das wird auch weiterhin geschehen,
wenn die Leitung sich über die Parteien zu erheben
vermag
.

Jnzwischen ist vom Vorstand der "Deutschen Vereinigung",
also der streng neutralen Organisation, eine gemeinsame Aktion
"im Jnteresse des kommunalen Wahlrechts" angeregt worden. Am
13. Juni fanden die ersten Beratungen statt, die aber - soweit
bisher zur öffentlichen Kenntnis gelangt ist - nur zwischen
der "Deutschen Vereinigung" und dem "Deutschen Verband" statt-
finden. Jrgendwelche Ausscheidung irgendeines Verbandes
würden wir im Jnteresse des nationalen Gedankens aufs tiefste
bedauern. Mit Fehmgerichten gegen Andersdenkende kann die
neue Zeit nicht geschaffen werden.

So stehen die Dinge heute, Anfang September 1915. Die
General-Versammlungen, die zu dem Einigungsgedanken Stellung
nehmen sollen, stehen bevor. Der Winter 1915/16 wird über die
Zukunft der deutschen Stimmrechtsbewegung entscheiden.

Aufgaben der Zukunft.

Wie immer sich die Zukunft der Stimmrechtsbewegung ge-
stalten mag, ganz neue Aufgaben treten nach dem Friedensschluß
an sie heran. Diese Aufgaben aber müssen schon jetzt vorbereitet
werden, bei uns genau so, wie in anderen politischen Organi-
sationen, die entschlossen sind, in dem größeren Deutschland ihre
Kulturaufgaben zu erfüllen.

Die heroische Epoche der deutschen Stimmrechts-
bewegung schloß mit dem Jahre 1907. Einer solchen Epoche pflegt
eine ganz anders geartete zu folgen. Die Jdee hat sich in den
Köpfen durchgesetzt, nun folgt die stille, gründliche Klein-
arbeit
. Diese Epoche ist für unsere Bewegung ausgeblieben, da
heftige Kämpfe an ihre Stelle traten. Was aber eine solche Epoche
planvoll geleitet, bedeuten könnte, erkennen wir, sobald wir
einen Blick auf die soziale Frauenbewegung werfen. Als
allgemeine Jdeen nach den verschiedensten Richtungen geklärt
waren, begann die Vertiefung, die Teilung der Arbeit auf allen
Gebieten, die Ausbildung von Fachleuten, von Spezialisten. Dieser
großartigen und gesunden Entwickelung der im "Bunde deutscher

der Gedanke einer neutralen Organisation, die alle umschließt,
die doch letzten Endes zum gleichen Ziele streben, hat durch die
Konferenz eine starke Förderung erhalten. Man hatte sich aufs
glücklichste verständigt, und das wird auch weiterhin geschehen,
wenn die Leitung sich über die Parteien zu erheben
vermag
.

Jnzwischen ist vom Vorstand der „Deutschen Vereinigung‟,
also der streng neutralen Organisation, eine gemeinsame Aktion
„im Jnteresse des kommunalen Wahlrechts‟ angeregt worden. Am
13. Juni fanden die ersten Beratungen statt, die aber – soweit
bisher zur öffentlichen Kenntnis gelangt ist – nur zwischen
der „Deutschen Vereinigung‟ und dem „Deutschen Verband‟ statt-
finden. Jrgendwelche Ausscheidung irgendeines Verbandes
würden wir im Jnteresse des nationalen Gedankens aufs tiefste
bedauern. Mit Fehmgerichten gegen Andersdenkende kann die
neue Zeit nicht geschaffen werden.

So stehen die Dinge heute, Anfang September 1915. Die
General-Versammlungen, die zu dem Einigungsgedanken Stellung
nehmen sollen, stehen bevor. Der Winter 1915/16 wird über die
Zukunft der deutschen Stimmrechtsbewegung entscheiden.

Aufgaben der Zukunft.

Wie immer sich die Zukunft der Stimmrechtsbewegung ge-
stalten mag, ganz neue Aufgaben treten nach dem Friedensschluß
an sie heran. Diese Aufgaben aber müssen schon jetzt vorbereitet
werden, bei uns genau so, wie in anderen politischen Organi-
sationen, die entschlossen sind, in dem größeren Deutschland ihre
Kulturaufgaben zu erfüllen.

Die heroische Epoche der deutschen Stimmrechts-
bewegung schloß mit dem Jahre 1907. Einer solchen Epoche pflegt
eine ganz anders geartete zu folgen. Die Jdee hat sich in den
Köpfen durchgesetzt, nun folgt die stille, gründliche Klein-
arbeit
. Diese Epoche ist für unsere Bewegung ausgeblieben, da
heftige Kämpfe an ihre Stelle traten. Was aber eine solche Epoche
planvoll geleitet, bedeuten könnte, erkennen wir, sobald wir
einen Blick auf die soziale Frauenbewegung werfen. Als
allgemeine Jdeen nach den verschiedensten Richtungen geklärt
waren, begann die Vertiefung, die Teilung der Arbeit auf allen
Gebieten, die Ausbildung von Fachleuten, von Spezialisten. Dieser
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[39/0039] der Gedanke einer neutralen Organisation, die alle umschließt, die doch letzten Endes zum gleichen Ziele streben, hat durch die Konferenz eine starke Förderung erhalten. Man hatte sich aufs glücklichste verständigt, und das wird auch weiterhin geschehen, wenn die Leitung sich über die Parteien zu erheben vermag. Jnzwischen ist vom Vorstand der „Deutschen Vereinigung‟, also der streng neutralen Organisation, eine gemeinsame Aktion „im Jnteresse des kommunalen Wahlrechts‟ angeregt worden. Am 13. Juni fanden die ersten Beratungen statt, die aber – soweit bisher zur öffentlichen Kenntnis gelangt ist – nur zwischen der „Deutschen Vereinigung‟ und dem „Deutschen Verband‟ statt- finden. Jrgendwelche Ausscheidung irgendeines Verbandes würden wir im Jnteresse des nationalen Gedankens aufs tiefste bedauern. Mit Fehmgerichten gegen Andersdenkende kann die neue Zeit nicht geschaffen werden. So stehen die Dinge heute, Anfang September 1915. Die General-Versammlungen, die zu dem Einigungsgedanken Stellung nehmen sollen, stehen bevor. Der Winter 1915/16 wird über die Zukunft der deutschen Stimmrechtsbewegung entscheiden. Aufgaben der Zukunft. Wie immer sich die Zukunft der Stimmrechtsbewegung ge- stalten mag, ganz neue Aufgaben treten nach dem Friedensschluß an sie heran. Diese Aufgaben aber müssen schon jetzt vorbereitet werden, bei uns genau so, wie in anderen politischen Organi- sationen, die entschlossen sind, in dem größeren Deutschland ihre Kulturaufgaben zu erfüllen. Die heroische Epoche der deutschen Stimmrechts- bewegung schloß mit dem Jahre 1907. Einer solchen Epoche pflegt eine ganz anders geartete zu folgen. Die Jdee hat sich in den Köpfen durchgesetzt, nun folgt die stille, gründliche Klein- arbeit. Diese Epoche ist für unsere Bewegung ausgeblieben, da heftige Kämpfe an ihre Stelle traten. Was aber eine solche Epoche planvoll geleitet, bedeuten könnte, erkennen wir, sobald wir einen Blick auf die soziale Frauenbewegung werfen. Als allgemeine Jdeen nach den verschiedensten Richtungen geklärt waren, begann die Vertiefung, die Teilung der Arbeit auf allen Gebieten, die Ausbildung von Fachleuten, von Spezialisten. Dieser großartigen und gesunden Entwickelung der im „Bunde deutscher  

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-05-11T12:53:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-05-11T12:53:44Z)

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Zitationshilfe: Lischnewska, Maria: Die deutsche Frauenstimmrechtsbewegung zwischen Krieg und Frieden. Berlin, 1915, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lischnewska_frauenstimmrechtsbewegung_1915/39>, abgerufen am 21.11.2024.