Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
de die Geschichte dieser Händel aufrichtig
erzehlen.

Der erste, mit dem ich verfiel, war
der Herr Mag. Sievers, ein junger
Mensch aus Lübeck gebürtig, woselbst sein
Vater Cantor war. Eine gar zu vor-
theilhafte Einbildung von der Grösse sei-
ner Gaben, die an sich nicht zu verachten
waren, hatte in ihm von Jugend auf ei-
ne Begierde gewircket, seinem Nechsten
zu dienen, die grösser war, als sein Ver-
mögen. Er ward gantz frühe Meister der
freyen Künste, unterrichtete die studiren-
de Jugend zu Rostock, und theilte der
Welt in kurtzer Zeit eine solche Menge
Schriften in gebundener und ungebunde-
ner Rede mit, daß er schon in seinem 21ten
Jahr im Stande war, eine Sammlung
derselben in Zween Octav Bänden her-
auszugeben.

Alle diese Schriften waren nicht weit
her, und, aufs bescheidenste davon zu re-
den, nichts anders, als ein Mischmasch
gemeiner, unreifer, und gutentheils ge-
stohlner Gedancken, die entweder, mit
vieler Mühe, in deutsche Reime gezwun-
gen, oder durch ein plattes und barbari
sches Küchen-Latein noch mehr verstelet
waren.

Jch
a 4

(o)
de die Geſchichte dieſer Haͤndel aufrichtig
erzehlen.

Der erſte, mit dem ich verfiel, war
der Herr Mag. Sievers, ein junger
Menſch aus Luͤbeck gebuͤrtig, woſelbſt ſein
Vater Cantor war. Eine gar zu vor-
theilhafte Einbildung von der Groͤſſe ſei-
ner Gaben, die an ſich nicht zu verachten
waren, hatte in ihm von Jugend auf ei-
ne Begierde gewircket, ſeinem Nechſten
zu dienen, die groͤſſer war, als ſein Ver-
moͤgen. Er ward gantz fruͤhe Meiſter der
freyen Kuͤnſte, unterrichtete die ſtudiren-
de Jugend zu Roſtock, und theilte der
Welt in kurtzer Zeit eine ſolche Menge
Schriften in gebundener und ungebunde-
ner Rede mit, daß er ſchon in ſeinem 21ten
Jahr im Stande war, eine Sammlung
derſelben in Zween Octav Baͤnden her-
auszugeben.

Alle dieſe Schriften waren nicht weit
her, und, aufs beſcheidenſte davon zu re-
den, nichts anders, als ein Miſchmaſch
gemeiner, unreifer, und gutentheils ge-
ſtohlner Gedancken, die entweder, mit
vieler Muͤhe, in deutſche Reime gezwun-
gen, oder durch ein plattes und barbari
ſches Kuͤchen-Latein noch mehr verſtelet
waren.

Jch
a 4
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface" n="1">
        <p><pb facs="#f0011" n="7"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
de die Ge&#x017F;chichte die&#x017F;er Ha&#x0364;ndel aufrichtig<lb/>
erzehlen.</p><lb/>
        <p>Der er&#x017F;te, mit dem ich verfiel, war<lb/>
der Herr Mag. <hi rendition="#fr">Sievers,</hi> ein junger<lb/>
Men&#x017F;ch aus Lu&#x0364;beck gebu&#x0364;rtig, wo&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ein<lb/>
Vater Cantor war. Eine gar zu vor-<lb/>
theilhafte Einbildung von der Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ei-<lb/>
ner Gaben, die an &#x017F;ich nicht zu verachten<lb/>
waren, hatte in ihm von Jugend auf ei-<lb/>
ne Begierde gewircket, &#x017F;einem Nech&#x017F;ten<lb/>
zu dienen, die gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er war, als &#x017F;ein Ver-<lb/>
mo&#x0364;gen. Er ward gantz fru&#x0364;he Mei&#x017F;ter der<lb/>
freyen Ku&#x0364;n&#x017F;te, unterrichtete die &#x017F;tudiren-<lb/>
de Jugend zu Ro&#x017F;tock, und theilte der<lb/>
Welt in kurtzer Zeit eine &#x017F;olche Menge<lb/>
Schriften in gebundener und ungebunde-<lb/>
ner Rede mit, daß er &#x017F;chon in &#x017F;einem 21<hi rendition="#sup">ten</hi><lb/>
Jahr im Stande war, eine Sammlung<lb/>
der&#x017F;elben in Zween Octav Ba&#x0364;nden her-<lb/>
auszugeben.</p><lb/>
        <p>Alle die&#x017F;e Schriften waren nicht weit<lb/>
her, und, aufs be&#x017F;cheiden&#x017F;te davon zu re-<lb/>
den, nichts anders, als ein Mi&#x017F;chma&#x017F;ch<lb/>
gemeiner, unreifer, und gutentheils ge-<lb/>
&#x017F;tohlner Gedancken, die entweder, mit<lb/>
vieler Mu&#x0364;he, in deut&#x017F;che Reime gezwun-<lb/>
gen, oder durch ein plattes und barbari<lb/>
&#x017F;ches Ku&#x0364;chen-Latein noch mehr ver&#x017F;telet<lb/>
waren.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">a 4</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[7/0011] (o) de die Geſchichte dieſer Haͤndel aufrichtig erzehlen. Der erſte, mit dem ich verfiel, war der Herr Mag. Sievers, ein junger Menſch aus Luͤbeck gebuͤrtig, woſelbſt ſein Vater Cantor war. Eine gar zu vor- theilhafte Einbildung von der Groͤſſe ſei- ner Gaben, die an ſich nicht zu verachten waren, hatte in ihm von Jugend auf ei- ne Begierde gewircket, ſeinem Nechſten zu dienen, die groͤſſer war, als ſein Ver- moͤgen. Er ward gantz fruͤhe Meiſter der freyen Kuͤnſte, unterrichtete die ſtudiren- de Jugend zu Roſtock, und theilte der Welt in kurtzer Zeit eine ſolche Menge Schriften in gebundener und ungebunde- ner Rede mit, daß er ſchon in ſeinem 21ten Jahr im Stande war, eine Sammlung derſelben in Zween Octav Baͤnden her- auszugeben. Alle dieſe Schriften waren nicht weit her, und, aufs beſcheidenſte davon zu re- den, nichts anders, als ein Miſchmaſch gemeiner, unreifer, und gutentheils ge- ſtohlner Gedancken, die entweder, mit vieler Muͤhe, in deutſche Reime gezwun- gen, oder durch ein plattes und barbari ſches Kuͤchen-Latein noch mehr verſtelet waren. Jch a 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/11
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/11>, abgerufen am 21.11.2024.