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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
aber sagen, daß ich ungemein dadurch gerühret wor-
den, und wenn Sie wissen wollen, wie mir zu Muthe
gewesen, als ich den 13 den Jenner des Morgens zwi-
schen 8. und 9. Uhr meine wunderbare Fenster-Schei-
be zuerst erblickte, so kan ich Jhnen meinen Zustand
nicht besser beschreiben, als wenn ich sage, daß ich eben
so bestürtzt gewesen, als Belsazer.

Jch ließ demnach alle Weisen und Gelehrten, die
ich kannte, zu mir bitten, und wenn ich einen Zaube-
rer zu finden gewust hätte, würde ich nicht ermangelt
haben, auch denselben um Rath zu fragen. Sie fan-
den sich in ziemlicher Anzabl ein, und ich legte ihnen ei-
nen Abriß von meiner Fenster-Scheibe vor. Nachdem
sie nun die seltsamen Figuren wohl betrachtet, und
sich höchstens darüber gewundert hatten, fieng der D.
Bromley, ein Mann von ziemlicher Gelehrsamkeit,
aber auch von sehr wunderlichen Einfällen, mit seiner
gewöhnlichen Beredsamkeit an, zu behaupten, die
Bilder auf meiner gefrornen Fenster-Scheibe wären
prophetisch, und voller Geheimnisse.

Er wisse wohl, setzte er hinzu, daß unsere Kirche
nicht viel von neuen Offenbahrungen halte: Allein
er wisse auch, daß sie dieses nur in Ansehung der Lehr-
Puncren thäte, und gerne zugebe, daß GOtt auch
noch heutiges Tages das zukünfftige Schicksal sei-
ner Kirche gewissen Leuten offenbaren könne. Es
sey, fuhr er fort, offenbar, daß meine gefrorne Fenster-
Scheibe eben zu solchem Ende mit so lehrreichen Bil-
dern gezieret worden. Er bat die gantze Gesellschafft,
ihm zu sagen, ob das in der Mitten befindliche Gesicht
mit der hohen Mütze wohl etwas anders, als das
Bild der grossen Hure, seyn könne? Die Zahl des

Thieres,

(o)
aber ſagen, daß ich ungemein dadurch geruͤhret wor-
den, und wenn Sie wiſſen wollen, wie mir zu Muthe
geweſen, als ich den 13 den Jenner des Morgens zwi-
ſchen 8. und 9. Uhr meine wunderbare Fenſter-Schei-
be zuerſt erblickte, ſo kan ich Jhnen meinen Zuſtand
nicht beſſer beſchreiben, als wenn ich ſage, daß ich eben
ſo beſtuͤrtzt geweſen, als Belſazer.

Jch ließ demnach alle Weiſen und Gelehrten, die
ich kannte, zu mir bitten, und wenn ich einen Zaube-
rer zu finden gewuſt haͤtte, wuͤrde ich nicht ermangelt
haben, auch denſelben um Rath zu fragen. Sie fan-
den ſich in ziemlicher Anzabl ein, und ich legte ihnen ei-
nen Abriß von meiner Fenſter-Scheibe vor. Nachdem
ſie nun die ſeltſamen Figuren wohl betrachtet, und
ſich hoͤchſtens daruͤber gewundert hatten, fieng der D.
Bromley, ein Mann von ziemlicher Gelehrſamkeit,
aber auch von ſehr wunderlichen Einfaͤllen, mit ſeiner
gewoͤhnlichen Beredſamkeit an, zu behaupten, die
Bilder auf meiner gefrornen Fenſter-Scheibe waͤren
prophetiſch, und voller Geheimniſſe.

Er wiſſe wohl, ſetzte er hinzu, daß unſere Kirche
nicht viel von neuen Offenbahrungen halte: Allein
er wiſſe auch, daß ſie dieſes nur in Anſehung der Lehr-
Puncren thaͤte, und gerne zugebe, daß GOtt auch
noch heutiges Tages das zukuͤnfftige Schickſal ſei-
ner Kirche gewiſſen Leuten offenbaren koͤnne. Es
ſey, fuhr er fort, offenbar, daß meine gefrorne Fenſter-
Scheibe eben zu ſolchem Ende mit ſo lehrreichen Bil-
dern gezieret worden. Er bat die gantze Geſellſchafft,
ihm zu ſagen, ob das in der Mitten befindliche Geſicht
mit der hohen Muͤtze wohl etwas anders, als das
Bild der groſſen Hure, ſeyn koͤnne? Die Zahl des

Thieres,
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[60/0152] (o) aber ſagen, daß ich ungemein dadurch geruͤhret wor- den, und wenn Sie wiſſen wollen, wie mir zu Muthe geweſen, als ich den 13 den Jenner des Morgens zwi- ſchen 8. und 9. Uhr meine wunderbare Fenſter-Schei- be zuerſt erblickte, ſo kan ich Jhnen meinen Zuſtand nicht beſſer beſchreiben, als wenn ich ſage, daß ich eben ſo beſtuͤrtzt geweſen, als Belſazer. Jch ließ demnach alle Weiſen und Gelehrten, die ich kannte, zu mir bitten, und wenn ich einen Zaube- rer zu finden gewuſt haͤtte, wuͤrde ich nicht ermangelt haben, auch denſelben um Rath zu fragen. Sie fan- den ſich in ziemlicher Anzabl ein, und ich legte ihnen ei- nen Abriß von meiner Fenſter-Scheibe vor. Nachdem ſie nun die ſeltſamen Figuren wohl betrachtet, und ſich hoͤchſtens daruͤber gewundert hatten, fieng der D. Bromley, ein Mann von ziemlicher Gelehrſamkeit, aber auch von ſehr wunderlichen Einfaͤllen, mit ſeiner gewoͤhnlichen Beredſamkeit an, zu behaupten, die Bilder auf meiner gefrornen Fenſter-Scheibe waͤren prophetiſch, und voller Geheimniſſe. Er wiſſe wohl, ſetzte er hinzu, daß unſere Kirche nicht viel von neuen Offenbahrungen halte: Allein er wiſſe auch, daß ſie dieſes nur in Anſehung der Lehr- Puncren thaͤte, und gerne zugebe, daß GOtt auch noch heutiges Tages das zukuͤnfftige Schickſal ſei- ner Kirche gewiſſen Leuten offenbaren koͤnne. Es ſey, fuhr er fort, offenbar, daß meine gefrorne Fenſter- Scheibe eben zu ſolchem Ende mit ſo lehrreichen Bil- dern gezieret worden. Er bat die gantze Geſellſchafft, ihm zu ſagen, ob das in der Mitten befindliche Geſicht mit der hohen Muͤtze wohl etwas anders, als das Bild der groſſen Hure, ſeyn koͤnne? Die Zahl des Thieres,

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/152>, abgerufen am 18.12.2024.