Jederman weiß, daß die Menschen nicht alle einer Art sind. Einige sind klug und tugendhaft, andere aber dumm und böse. Ein ehrlicher Mann kehrt sich wenig daran, was diese letzten von ihm sa- gen oder dencken. Er verlanget nicht von ihnen gelobet zu seyn, und achtet es nicht, wenn sie ihn lästern. Er spricht:
Non moror, an laudet me turpis, an im- probet osor.
Aber der Beyfall kluger und tugendhafter Per- sonen ist eine Sache, die er eyferig suchet. Es ist ihm nicht gleichviel, was solche Leute von ihm sagen, und so wenig er darnach frägt, was die dumme Welt von ihm urtheilet, so sehr erquicket ihn das Lob, so ihm die Klugen beylegen. Er ist gesinnet, wie der Hector beym Nävius. Laetus sum, spricht er, laudari me abs te, pater, lau- dato viro. Denn ea profecto jucunda laus, qvae ab iis proficiscitur, qvi ipsi in laude vixerunt. Zu reden mit dem Cicerone Lib. XV. ep. 6.
Jst es nun einem gelehrten Mann angenehm, von rechtschaffenen Leuten gelobet zu werden, so so ist es ihm hergegen ein empfindliches Creutz, wenn solche Personen ungleiche Gedancken von ihm haben. Jch rede aus der Erfahrung, geneig- ter Leser, und habe seit einigen Monathen mit Verdruß empfunden, was die widrigen Urtheile, solcher Leute, denen wir zu gefallen suchen, einem Menschen vor Kummer verursachen, den sein Ge- wissen überzeuget, daß er dieselben nicht verdiene.
Der Christliche Leser weiß, daß vor nicht lan- ger Zeit eine kleine Schrift zum Vorschein gekom-
men
G 2
(o)
Jederman weiß, daß die Menſchen nicht alle einer Art ſind. Einige ſind klug und tugendhaft, andere aber dumm und boͤſe. Ein ehrlicher Mann kehrt ſich wenig daran, was dieſe letzten von ihm ſa- gen oder dencken. Er verlanget nicht von ihnen gelobet zu ſeyn, und achtet es nicht, wenn ſie ihn laͤſtern. Er ſpricht:
Non moror, an laudet me turpis, an im- probet oſor.
Aber der Beyfall kluger und tugendhafter Per- ſonen iſt eine Sache, die er eyferig ſuchet. Es iſt ihm nicht gleichviel, was ſolche Leute von ihm ſagen, und ſo wenig er darnach fraͤgt, was die dumme Welt von ihm urtheilet, ſo ſehr erquicket ihn das Lob, ſo ihm die Klugen beylegen. Er iſt geſinnet, wie der Hector beym Naͤvius. Lætus ſum, ſpricht er, laudari me abs te, pater, lau- dato viro. Denn ea profecto jucunda laus, qvæ ab iis proficiſcitur, qvi ipſi in laude vixerunt. Zu reden mit dem Cicerone Lib. XV. ep. 6.
Jſt es nun einem gelehrten Mann angenehm, von rechtſchaffenen Leuten gelobet zu werden, ſo ſo iſt es ihm hergegen ein empfindliches Creutz, wenn ſolche Perſonen ungleiche Gedancken von ihm haben. Jch rede aus der Erfahrung, geneig- ter Leſer, und habe ſeit einigen Monathen mit Verdruß empfunden, was die widrigen Urtheile, ſolcher Leute, denen wir zu gefallen ſuchen, einem Menſchen vor Kummer verurſachen, den ſein Ge- wiſſen uͤberzeuget, daß er dieſelben nicht verdiene.
Der Chriſtliche Leſer weiß, daß vor nicht lan- ger Zeit eine kleine Schrift zum Vorſchein gekom-
men
G 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0191"n="99"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/><p>Jederman weiß, daß die Menſchen nicht alle einer<lb/>
Art ſind. Einige ſind klug und tugendhaft, andere<lb/>
aber dumm und boͤſe. Ein ehrlicher Mann kehrt<lb/>ſich wenig daran, was dieſe letzten von ihm ſa-<lb/>
gen oder dencken. Er verlanget nicht von ihnen<lb/>
gelobet zu ſeyn, und achtet es nicht, wenn ſie ihn<lb/>
laͤſtern. Er ſpricht:</p><lb/><cit><quote><hirendition="#aq">Non moror, an laudet me turpis, an im-<lb/><hirendition="#et">probet oſor.</hi></hi></quote></cit><lb/><p>Aber der Beyfall kluger und tugendhafter Per-<lb/>ſonen iſt eine Sache, die er eyferig ſuchet. Es<lb/>
iſt ihm nicht gleichviel, was ſolche Leute von ihm<lb/>ſagen, und ſo wenig er darnach fraͤgt, was die<lb/>
dumme Welt von ihm urtheilet, ſo ſehr erquicket<lb/>
ihn das Lob, ſo ihm die Klugen beylegen. Er iſt<lb/>
geſinnet, wie der Hector beym Naͤvius. <hirendition="#aq">Lætus<lb/>ſum,</hi>ſpricht er, <hirendition="#aq">laudari me abs te, pater, lau-<lb/>
dato viro.</hi> Denn <hirendition="#aq">ea profecto jucunda laus, qvæ<lb/>
ab iis proficiſcitur, qvi ipſi in laude vixerunt.</hi><lb/>
Zu reden mit dem <hirendition="#aq">Cicerone Lib. XV. ep.</hi> 6.</p><lb/><p>Jſt es nun einem gelehrten Mann angenehm,<lb/>
von rechtſchaffenen Leuten gelobet zu werden, ſo<lb/>ſo iſt es ihm hergegen ein empfindliches Creutz,<lb/>
wenn ſolche Perſonen ungleiche Gedancken von<lb/>
ihm haben. Jch rede aus der Erfahrung, geneig-<lb/>
ter Leſer, und habe ſeit einigen Monathen mit<lb/>
Verdruß empfunden, was die widrigen Urtheile,<lb/>ſolcher Leute, denen wir zu gefallen ſuchen, einem<lb/>
Menſchen vor Kummer verurſachen, den ſein Ge-<lb/>
wiſſen uͤberzeuget, daß er dieſelben nicht verdiene.</p><lb/><p>Der Chriſtliche Leſer weiß, daß vor nicht lan-<lb/>
ger Zeit eine kleine Schrift zum Vorſchein gekom-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">G 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">men</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[99/0191]
(o)
Jederman weiß, daß die Menſchen nicht alle einer
Art ſind. Einige ſind klug und tugendhaft, andere
aber dumm und boͤſe. Ein ehrlicher Mann kehrt
ſich wenig daran, was dieſe letzten von ihm ſa-
gen oder dencken. Er verlanget nicht von ihnen
gelobet zu ſeyn, und achtet es nicht, wenn ſie ihn
laͤſtern. Er ſpricht:
Non moror, an laudet me turpis, an im-
probet oſor.
Aber der Beyfall kluger und tugendhafter Per-
ſonen iſt eine Sache, die er eyferig ſuchet. Es
iſt ihm nicht gleichviel, was ſolche Leute von ihm
ſagen, und ſo wenig er darnach fraͤgt, was die
dumme Welt von ihm urtheilet, ſo ſehr erquicket
ihn das Lob, ſo ihm die Klugen beylegen. Er iſt
geſinnet, wie der Hector beym Naͤvius. Lætus
ſum, ſpricht er, laudari me abs te, pater, lau-
dato viro. Denn ea profecto jucunda laus, qvæ
ab iis proficiſcitur, qvi ipſi in laude vixerunt.
Zu reden mit dem Cicerone Lib. XV. ep. 6.
Jſt es nun einem gelehrten Mann angenehm,
von rechtſchaffenen Leuten gelobet zu werden, ſo
ſo iſt es ihm hergegen ein empfindliches Creutz,
wenn ſolche Perſonen ungleiche Gedancken von
ihm haben. Jch rede aus der Erfahrung, geneig-
ter Leſer, und habe ſeit einigen Monathen mit
Verdruß empfunden, was die widrigen Urtheile,
ſolcher Leute, denen wir zu gefallen ſuchen, einem
Menſchen vor Kummer verurſachen, den ſein Ge-
wiſſen uͤberzeuget, daß er dieſelben nicht verdiene.
Der Chriſtliche Leſer weiß, daß vor nicht lan-
ger Zeit eine kleine Schrift zum Vorſchein gekom-
men
G 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/191>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.