und ehrwürdige Männer derselben Platz gegeben haben. Sie streitet augenscheinlich wider den er- sten Grund-Satz aller menschlichen Erkänntniß, nach welchem das, was einen Widerspruch in sich fasset, nicht wahr seyn kan. Jch wüste nicht, was einander mehr entgegen seyn könnte, als Lob und Beschimpfung. Jenes ist eine Bewunderung und Ausbreitung der Vollkommenheiten unsers Nechsten; Diese ist eine Aufdeckung seiner Män- gel. So wenig nun Vollkommenheit und Man- gel bey einander stehen können, so wenig ist es wahrscheinlich, daß ein Mensch, der eines andern Vollkommenheiten bewundernd ausbreitet, die Absicht haben solte, eben durch diese Ausbreitung dessen Mängel aufzudecken.
Jch sehe vorher, daß viele, die nicht gerne ohne Ursache gelacht haben wollen, diesen meinen unum- stößlichen Beweiß, weil er ihrem Vergnügen ent- gegen ist, anfechten werden. Sie werden sagen; es sey bekannt, daß man durch ein verstelltes Lob einen aufs allerempfindlichste beschimpfen könne; und sey dieses eben das schlimmste an meiner Schrift, daß ich mich gestellet hätte, als suche ich den Hn. M. Sievers zu loben, da doch in der That meine Absicht sey, ihn durch meine Lobes-Erhebungen lächerlich zu machen. Dieses ist ihre eintzige Aus- flucht. Darauf bestehen sie, und haben dadurch manches gutes Gemüth auf ihre Seite gebracht. Jch erschrecke aber vor diesem Einwurff gar nicht, wie groß sie sich auch damit wissen, sondern ant- worte darauf mit der Freymüthigkeit, die ein gu- tes Gewissen giebet, in aller Kürtze folgendes: 1)
Daß
(o)
und ehrwuͤrdige Maͤnner derſelben Platz gegeben haben. Sie ſtreitet augenſcheinlich wider den er- ſten Grund-Satz aller menſchlichen Erkaͤnntniß, nach welchem das, was einen Widerſpruch in ſich faſſet, nicht wahr ſeyn kan. Jch wuͤſte nicht, was einander mehr entgegen ſeyn koͤnnte, als Lob und Beſchimpfung. Jenes iſt eine Bewunderung und Ausbreitung der Vollkommenheiten unſers Nechſten; Dieſe iſt eine Aufdeckung ſeiner Maͤn- gel. So wenig nun Vollkommenheit und Man- gel bey einander ſtehen koͤnnen, ſo wenig iſt es wahrſcheinlich, daß ein Menſch, der eines andern Vollkommenheiten bewundernd ausbreitet, die Abſicht haben ſolte, eben durch dieſe Ausbreitung deſſen Maͤngel aufzudecken.
Jch ſehe vorher, daß viele, die nicht gerne ohne Urſache gelacht haben wollen, dieſen meinen unum- ſtoͤßlichen Beweiß, weil er ihrem Vergnuͤgen ent- gegen iſt, anfechten werden. Sie werden ſagen; es ſey bekannt, daß man durch ein verſtelltes Lob einen aufs allerempfindlichſte beſchimpfen koͤnne; und ſey dieſes eben das ſchlimmſte an meiner Schrift, daß ich mich geſtellet haͤtte, als ſuche ich den Hn. M. Sievers zu loben, da doch in der That meine Abſicht ſey, ihn durch meine Lobes-Erhebungen laͤcherlich zu machen. Dieſes iſt ihre eintzige Aus- flucht. Darauf beſtehen ſie, und haben dadurch manches gutes Gemuͤth auf ihre Seite gebracht. Jch erſchrecke aber vor dieſem Einwurff gar nicht, wie groß ſie ſich auch damit wiſſen, ſondern ant- worte darauf mit der Freymuͤthigkeit, die ein gu- tes Gewiſſen giebet, in aller Kuͤrtze folgendes: 1)
Daß
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(o)
und ehrwuͤrdige Maͤnner derſelben Platz gegeben
haben. Sie ſtreitet augenſcheinlich wider den er-
ſten Grund-Satz aller menſchlichen Erkaͤnntniß,
nach welchem das, was einen Widerſpruch in ſich
faſſet, nicht wahr ſeyn kan. Jch wuͤſte nicht, was
einander mehr entgegen ſeyn koͤnnte, als Lob und
Beſchimpfung. Jenes iſt eine Bewunderung
und Ausbreitung der Vollkommenheiten unſers
Nechſten; Dieſe iſt eine Aufdeckung ſeiner Maͤn-
gel. So wenig nun Vollkommenheit und Man-
gel bey einander ſtehen koͤnnen, ſo wenig iſt es
wahrſcheinlich, daß ein Menſch, der eines andern
Vollkommenheiten bewundernd ausbreitet, die
Abſicht haben ſolte, eben durch dieſe Ausbreitung
deſſen Maͤngel aufzudecken.
Jch ſehe vorher, daß viele, die nicht gerne ohne
Urſache gelacht haben wollen, dieſen meinen unum-
ſtoͤßlichen Beweiß, weil er ihrem Vergnuͤgen ent-
gegen iſt, anfechten werden. Sie werden ſagen;
es ſey bekannt, daß man durch ein verſtelltes Lob
einen aufs allerempfindlichſte beſchimpfen koͤnne;
und ſey dieſes eben das ſchlimmſte an meiner Schrift,
daß ich mich geſtellet haͤtte, als ſuche ich den Hn.
M. Sievers zu loben, da doch in der That meine
Abſicht ſey, ihn durch meine Lobes-Erhebungen
laͤcherlich zu machen. Dieſes iſt ihre eintzige Aus-
flucht. Darauf beſtehen ſie, und haben dadurch
manches gutes Gemuͤth auf ihre Seite gebracht.
Jch erſchrecke aber vor dieſem Einwurff gar nicht,
wie groß ſie ſich auch damit wiſſen, ſondern ant-
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tes Gewiſſen giebet, in aller Kuͤrtze folgendes: 1)
Daß
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/206>, abgerufen am 27.11.2024.
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