einer grössern Freudigkeit aufgetreten eine Rede zu halten, als jetzo, und doch, da es recht angehen soll, befinde ich mich in einer Verwirrung, die ich nicht wohl zu beschreiben vermag. Jch lasse die Hände sincken5), meine Lenden schüttern, und mir wird grün und gelbe vor den Augen. Es scheinet, als wenn Traurigkeit und Freude, zwo Gemüthsbewegun- gen, die einander gerade entgegen lauffen, wenn sie einen gewissen Grad erreichet haben, fast von einer- ley Würckung sind. Eine gar zu grosse Traurigkeit macht uns starr:
Curae leves loqvuntur, ingentes stupent6).
Und mir lähmet eine übermässige Freude die Zunge. Jch verstumme beym Anfang meiner Rede7) ... .... Wundern Sie sich nicht, Meine Herren, über einen so besondern Zufall. Bedencken Sie vielmehr die Grösse der Last, so Sie mir aufzulegen belieber. Jch soll zu Bezeugung der innigsten Freude, so un- sere Gesellschaft über die Erhebung des Herrn D. Philippi zu der Profession der Deutschen Beredsam- keit in Halle, empfindet, einem Manne eine Lobre- de halten, der bisher aus sonderbahrer Demuth seine Vortreflichkeit so geschickt zu verbergen gewust, daß
man
5) Hier ließ ich würcklich die Hände sincken, und zitterte mit dem gantzen Leibe.
6)Seneca in Hippolito.
7) Hier schwieg ich einige Minuten still. Der geneigte Leser beliebe zu mercken, wie meine Bestürtzung stufenweise zugenommen. Welches Kunststück um so viel grösser, je genauer es mit der Natur über- ein kömmt.
(o)
einer groͤſſern Freudigkeit aufgetreten eine Rede zu halten, als jetzo, und doch, da es recht angehen ſoll, befinde ich mich in einer Verwirrung, die ich nicht wohl zu beſchreiben vermag. Jch laſſe die Haͤnde ſincken5), meine Lenden ſchuͤttern, und mir wird gruͤn und gelbe vor den Augen. Es ſcheinet, als wenn Traurigkeit und Freude, zwo Gemuͤthsbewegun- gen, die einander gerade entgegen lauffen, wenn ſie einen gewiſſen Grad erreichet haben, faſt von einer- ley Wuͤrckung ſind. Eine gar zu groſſe Traurigkeit macht uns ſtarr:
Curæ leves loqvuntur, ingentes ſtupent6).
Und mir laͤhmet eine uͤbermaͤſſige Freude die Zunge. Jch verſtumme beym Anfang meiner Rede7) … .... Wundern Sie ſich nicht, Meine Herren, uͤber einen ſo beſondern Zufall. Bedencken Sie vielmehr die Groͤſſe der Laſt, ſo Sie mir aufzulegen belieber. Jch ſoll zu Bezeugung der innigſten Freude, ſo un- ſere Geſellſchaft uͤber die Erhebung des Herrn D. Philippi zu der Profeſſion der Deutſchen Beredſam- keit in Halle, empfindet, einem Manne eine Lobre- de halten, der bisher aus ſonderbahrer Demuth ſeine Vortreflichkeit ſo geſchickt zu verbergen gewuſt, daß
man
5) Hier ließ ich wuͤrcklich die Haͤnde ſincken, und zitterte mit dem gantzen Leibe.
6)Seneca in Hippolito.
7) Hier ſchwieg ich einige Minuten ſtill. Der geneigte Leſer beliebe zu mercken, wie meine Beſtuͤrtzung ſtufenweiſe zugenommen. Welches Kunſtſtuͤck um ſo viel groͤſſer, je genauer es mit der Natur uͤber- ein koͤmmt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0233"n="141"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
einer groͤſſern Freudigkeit aufgetreten eine Rede zu<lb/>
halten, als jetzo, und doch, da es recht angehen ſoll,<lb/>
befinde ich mich in einer Verwirrung, die ich nicht<lb/>
wohl zu beſchreiben vermag. Jch laſſe die Haͤnde<lb/>ſincken<noteplace="foot"n="5)">Hier ließ ich wuͤrcklich die Haͤnde ſincken, und zitterte<lb/>
mit dem gantzen Leibe.</note>, meine Lenden ſchuͤttern, und mir wird<lb/>
gruͤn und gelbe vor den Augen. Es ſcheinet, als wenn<lb/>
Traurigkeit und Freude, zwo Gemuͤthsbewegun-<lb/>
gen, die einander gerade entgegen lauffen, wenn ſie<lb/>
einen gewiſſen Grad erreichet haben, faſt von einer-<lb/>
ley Wuͤrckung ſind. Eine gar zu groſſe Traurigkeit<lb/>
macht uns ſtarr:</p><lb/><cit><quote><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Curæ leves loqvuntur, ingentes ſtupent</hi><noteplace="foot"n="6)"><hirendition="#i">Seneca in Hippolito.</hi></note>.</hi></quote></cit><lb/><p>Und mir laͤhmet eine uͤbermaͤſſige Freude die Zunge.<lb/>
Jch verſtumme beym Anfang meiner Rede<noteplace="foot"n="7)">Hier ſchwieg ich einige Minuten ſtill. Der geneigte<lb/>
Leſer beliebe zu mercken, wie meine Beſtuͤrtzung<lb/>ſtufenweiſe zugenommen. Welches Kunſtſtuͤck um<lb/>ſo viel groͤſſer, je genauer es mit der Natur uͤber-<lb/>
ein koͤmmt.</note>…<lb/>
.... Wundern Sie ſich nicht, Meine Herren, uͤber<lb/>
einen ſo beſondern Zufall. Bedencken Sie vielmehr<lb/>
die Groͤſſe der Laſt, ſo Sie mir aufzulegen belieber.<lb/>
Jch ſoll zu Bezeugung der innigſten Freude, ſo un-<lb/>ſere Geſellſchaft uͤber die Erhebung des Herrn <hirendition="#aq">D.</hi><lb/>
Philippi zu der Profeſſion der Deutſchen Beredſam-<lb/>
keit in Halle, empfindet, einem Manne eine Lobre-<lb/>
de halten, der bisher aus ſonderbahrer Demuth ſeine<lb/>
Vortreflichkeit ſo geſchickt zu verbergen gewuſt, daß<lb/><fwplace="bottom"type="catch">man</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[141/0233]
(o)
einer groͤſſern Freudigkeit aufgetreten eine Rede zu
halten, als jetzo, und doch, da es recht angehen ſoll,
befinde ich mich in einer Verwirrung, die ich nicht
wohl zu beſchreiben vermag. Jch laſſe die Haͤnde
ſincken 5), meine Lenden ſchuͤttern, und mir wird
gruͤn und gelbe vor den Augen. Es ſcheinet, als wenn
Traurigkeit und Freude, zwo Gemuͤthsbewegun-
gen, die einander gerade entgegen lauffen, wenn ſie
einen gewiſſen Grad erreichet haben, faſt von einer-
ley Wuͤrckung ſind. Eine gar zu groſſe Traurigkeit
macht uns ſtarr:
Curæ leves loqvuntur, ingentes ſtupent 6).
Und mir laͤhmet eine uͤbermaͤſſige Freude die Zunge.
Jch verſtumme beym Anfang meiner Rede 7) …
.... Wundern Sie ſich nicht, Meine Herren, uͤber
einen ſo beſondern Zufall. Bedencken Sie vielmehr
die Groͤſſe der Laſt, ſo Sie mir aufzulegen belieber.
Jch ſoll zu Bezeugung der innigſten Freude, ſo un-
ſere Geſellſchaft uͤber die Erhebung des Herrn D.
Philippi zu der Profeſſion der Deutſchen Beredſam-
keit in Halle, empfindet, einem Manne eine Lobre-
de halten, der bisher aus ſonderbahrer Demuth ſeine
Vortreflichkeit ſo geſchickt zu verbergen gewuſt, daß
man
5) Hier ließ ich wuͤrcklich die Haͤnde ſincken, und zitterte
mit dem gantzen Leibe.
6) Seneca in Hippolito.
7) Hier ſchwieg ich einige Minuten ſtill. Der geneigte
Leſer beliebe zu mercken, wie meine Beſtuͤrtzung
ſtufenweiſe zugenommen. Welches Kunſtſtuͤck um
ſo viel groͤſſer, je genauer es mit der Natur uͤber-
ein koͤmmt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/233>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.