Jch wende mich also zu dir, Großmächtigste Königin Beredsamkeit19)! Du allgewaltige Hertzenszwingerin, deren Gegenwart, wie sie der gantzen Welt, also auch mir armer Sünder, un- entbehrlich ist, einen Mann nach Verdienst zu prei- sen, der dazu ersehen, daß Er das elende Häuf- lein deiner wahren Verehrer, wider die böse Rotte der Naseweisen vertrete, welche die Ober-Hand sich mit List und Macht mehr und mehr herauszunehmen scheinen, und dich selbst durch Erhebung der gar- stigen Hure der Vernunft unterdrücken wollen. Jch flehe dich an, laß diejenigen Vollkommenheiten, damit der Geist deines im hohen Maaß gesalbten, des grossen und ausserordentlichen Redners Philippi, reichlich geschmücket ist, mir in dieser Stunde zu Hülffe kommen. Erleuchte meine Au- gen, damit ich durch den Vorhang der Bescheiden- heit dringen könne, hinter welchen die vornehmsten Schönheiten der Reden unsers grossen Philippi ver- borgen sind, und löse das Band meiner Zungen, damit ich geschickt sey, die Wunder, die ich erblicke, aller Welt kund zu machen.
Jch
19) Da der Hr. Prof. Philippi in seinen Sechs deutschen Reden p. 30. die Tugend auf solche Art angeredet, so wird sich der geneigte Leser über die Titel, so ich der Beredsamkeit gebe, um so viel weniger wundern. Mich deucht, man gehe nicht sicherer, als wenn man einem so grossen Meister in der Beredsamkeit folget, und ich halte die Bemühung, dem Hrn. Prof. Philip- pi nachzuahmen, vor die grösseste Zierde meiner Rede.
(o)
Jch wende mich alſo zu dir, Großmaͤchtigſte Koͤnigin Beredſamkeit19)! Du allgewaltige Hertzenszwingerin, deren Gegenwart, wie ſie der gantzen Welt, alſo auch mir armer Suͤnder, un- entbehrlich iſt, einen Mann nach Verdienſt zu prei- ſen, der dazu erſehen, daß Er das elende Haͤuf- lein deiner wahren Verehrer, wider die boͤſe Rotte der Naſeweiſen vertrete, welche die Ober-Hand ſich mit Liſt und Macht mehr und mehr herauszunehmen ſcheinen, und dich ſelbſt durch Erhebung der gar- ſtigen Hure der Vernunft unterdruͤcken wollen. Jch flehe dich an, laß diejenigen Vollkommenheiten, damit der Geiſt deines im hohen Maaß geſalbten, des groſſen und auſſerordentlichen Redners Philippi, reichlich geſchmuͤcket iſt, mir in dieſer Stunde zu Huͤlffe kommen. Erleuchte meine Au- gen, damit ich durch den Vorhang der Beſcheiden- heit dringen koͤnne, hinter welchen die vornehmſten Schoͤnheiten der Reden unſers groſſen Philippi ver- borgen ſind, und loͤſe das Band meiner Zungen, damit ich geſchickt ſey, die Wunder, die ich erblicke, aller Welt kund zu machen.
Jch
19) Da der Hr. Prof. Philippi in ſeinen Sechs deutſchen Reden p. 30. die Tugend auf ſolche Art angeredet, ſo wird ſich der geneigte Leſer uͤber die Titel, ſo ich der Beredſamkeit gebe, um ſo viel weniger wundern. Mich deucht, man gehe nicht ſicherer, als wenn man einem ſo groſſen Meiſter in der Beredſamkeit folget, und ich halte die Bemuͤhung, dem Hrn. Prof. Philip- pi nachzuahmen, vor die groͤſſeſte Zierde meiner Rede.
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Jch wende mich alſo zu dir, Großmaͤchtigſte
Koͤnigin Beredſamkeit 19)! Du allgewaltige
Hertzenszwingerin, deren Gegenwart, wie ſie der
gantzen Welt, alſo auch mir armer Suͤnder, un-
entbehrlich iſt, einen Mann nach Verdienſt zu prei-
ſen, der dazu erſehen, daß Er das elende Haͤuf-
lein deiner wahren Verehrer, wider die boͤſe Rotte
der Naſeweiſen vertrete, welche die Ober-Hand ſich
mit Liſt und Macht mehr und mehr herauszunehmen
ſcheinen, und dich ſelbſt durch Erhebung der gar-
ſtigen Hure der Vernunft unterdruͤcken wollen.
Jch flehe dich an, laß diejenigen Vollkommenheiten,
damit der Geiſt deines im hohen Maaß geſalbten,
des groſſen und auſſerordentlichen Redners
Philippi, reichlich geſchmuͤcket iſt, mir in dieſer
Stunde zu Huͤlffe kommen. Erleuchte meine Au-
gen, damit ich durch den Vorhang der Beſcheiden-
heit dringen koͤnne, hinter welchen die vornehmſten
Schoͤnheiten der Reden unſers groſſen Philippi ver-
borgen ſind, und loͤſe das Band meiner Zungen,
damit ich geſchickt ſey, die Wunder, die ich erblicke,
aller Welt kund zu machen.
Jch
19) Da der Hr. Prof. Philippi in ſeinen Sechs deutſchen
Reden p. 30. die Tugend auf ſolche Art angeredet,
ſo wird ſich der geneigte Leſer uͤber die Titel, ſo ich
der Beredſamkeit gebe, um ſo viel weniger wundern.
Mich deucht, man gehe nicht ſicherer, als wenn man
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und ich halte die Bemuͤhung, dem Hrn. Prof. Philip-
pi nachzuahmen, vor die groͤſſeſte Zierde meiner
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/246>, abgerufen am 27.11.2024.
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