dieser unvergleichlichen Gedächtniß-Rede übergan- gen habe, nachzuhohlen. Es ist deren, Meine Herren, eine solche Menge, daß, wenn ich dieselben alle bemer- cken wolte, ich etliche Stunden damit zu bringen wür- de. Jch begnüge mich demnach, die vornehmsten kürtz- lich vorzustellen.
Jndem ich darauf sinne, wo ich zuerst anfangen soll, fällt mir diejenige Stelle in die Augen, woselbst der Herr Prof. Philippi der beyden Frantzösischen Printzessinnen erwehnet28). Diese Stelle ist voll- kommen heroisch, und die darinn enthaltenen Ge- dancken sind so beschafen, daß niemand als der Herr Prof Philippi dieselbe haben können. Wenn es mir vergönnet ist, Meine Herren, so will ich die gan- tze Stelle herlesen.
Der Herr Prof. hatte vorher ausgegrübelt, war- um doch die Russische Catharina, der Englische Ge- org, und die Königin von Pohlen fast zu einer Zeit gestorben? Ob es darum geschehen, weil der Be- herrscher des unterirrdischen Reiches auch die gedritte Zahl liebe? Oder ob es eine Anzeige seyn solle, daß das Reich der Todten so wohl, als das Reich der Lebendigen fruchtbarer an Heldinnen, als Hel- den? Er setzt diese tiefsinnige Gedancken nicht wei- ter fort, sondern verfällt auf die Frantzösischen Prin- tzessinnen.
Lebten wir annoch, spricht er, in denen Zeiten des Heydenthums, so würden wir uns in dergleichen Begebenheit wohl kaum zufin- den wissen, sondern uns bereden, die Göttin
des
28) S. die sechs deutschen Reden p. 19. 20.
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dieſer unvergleichlichen Gedaͤchtniß-Rede uͤbergan- gen habe, nachzuhohlen. Es iſt deren, Meine Herren, eine ſolche Menge, daß, wenn ich dieſelben alle bemer- cken wolte, ich etliche Stunden damit zu bringen wuͤr- de. Jch begnuͤge mich demnach, die vornehmſten kuͤrtz- lich vorzuſtellen.
Jndem ich darauf ſinne, wo ich zuerſt anfangen ſoll, faͤllt mir diejenige Stelle in die Augen, woſelbſt der Herr Prof. Philippi der beyden Frantzoͤſiſchen Printzeſſinnen erwehnet28). Dieſe Stelle iſt voll- kommen heroiſch, und die darinn enthaltenen Ge- dancken ſind ſo beſchafen, daß niemand als der Herr Prof Philippi dieſelbe haben koͤnnen. Wenn es mir vergoͤnnet iſt, Meine Herren, ſo will ich die gan- tze Stelle herleſen.
Der Herr Prof. hatte vorher ausgegruͤbelt, war- um doch die Ruſſiſche Catharina, der Engliſche Ge- org, und die Koͤnigin von Pohlen faſt zu einer Zeit geſtorben? Ob es darum geſchehen, weil der Be- herrſcher des unterirrdiſchen Reiches auch die gedritte Zahl liebe? Oder ob es eine Anzeige ſeyn ſolle, daß das Reich der Todten ſo wohl, als das Reich der Lebendigen fruchtbarer an Heldinnen, als Hel- den? Er ſetzt dieſe tiefſinnige Gedancken nicht wei- ter fort, ſondern verfaͤllt auf die Frantzoͤſiſchen Prin- tzeſſinnen.
Lebten wir annoch, ſpricht er, in denen Zeiten des Heydenthums, ſo wuͤrden wir uns in dergleichen Begebenheit wohl kaum zufin- den wiſſen, ſondern uns bereden, die Goͤttin
des
28) S. die ſechs deutſchen Reden p. 19. 20.
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dieſer unvergleichlichen Gedaͤchtniß-Rede uͤbergan-
gen habe, nachzuhohlen. Es iſt deren, Meine Herren,
eine ſolche Menge, daß, wenn ich dieſelben alle bemer-
cken wolte, ich etliche Stunden damit zu bringen wuͤr-
de. Jch begnuͤge mich demnach, die vornehmſten kuͤrtz-
lich vorzuſtellen.
Jndem ich darauf ſinne, wo ich zuerſt anfangen
ſoll, faͤllt mir diejenige Stelle in die Augen, woſelbſt
der Herr Prof. Philippi der beyden Frantzoͤſiſchen
Printzeſſinnen erwehnet 28). Dieſe Stelle iſt voll-
kommen heroiſch, und die darinn enthaltenen Ge-
dancken ſind ſo beſchafen, daß niemand als der Herr
Prof Philippi dieſelbe haben koͤnnen. Wenn es
mir vergoͤnnet iſt, Meine Herren, ſo will ich die gan-
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Der Herr Prof. hatte vorher ausgegruͤbelt, war-
um doch die Ruſſiſche Catharina, der Engliſche Ge-
org, und die Koͤnigin von Pohlen faſt zu einer Zeit
geſtorben? Ob es darum geſchehen, weil der Be-
herrſcher des unterirrdiſchen Reiches auch die gedritte
Zahl liebe? Oder ob es eine Anzeige ſeyn ſolle,
daß das Reich der Todten ſo wohl, als das Reich
der Lebendigen fruchtbarer an Heldinnen, als Hel-
den? Er ſetzt dieſe tiefſinnige Gedancken nicht wei-
ter fort, ſondern verfaͤllt auf die Frantzoͤſiſchen Prin-
tzeſſinnen.
Lebten wir annoch, ſpricht er, in denen
Zeiten des Heydenthums, ſo wuͤrden wir uns
in dergleichen Begebenheit wohl kaum zufin-
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28) S. die ſechs deutſchen Reden p. 19. 20.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/259>, abgerufen am 18.12.2024.
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