des Schicksals könne mit gleich gültigen Au- gen den bald hinter einander erfolgten Ver- lust zweyer grossen Printzessinnen ansehen, weil sie in Franckreich mit einmahl zwey Printzessinnen davor gebohren werden lassen, die, wo kein Cron-Printz nachkommen solte, wohl noch das Frantzösische Scepter erlan- gen, und also eine der grössesten und bisher nicht erhörten Veränderungen in Europa verursachen, ja durch ihre einmahl erfolgen- de Verheyrathung, wohl noch mehrere Cro- nen zusammen bekommen dürften.
Jch frage Sie, Meine Herren, haben sie jemah- len etwas gelesen, das dieser tiefen Betrachtungen gleich käme? Jn dieser Stelle hat der Herr Prof. gewiesen, daß die Gottesfurcht einem Menschen nicht hinderlich sey die Staats-Lehre zu verstehen. Sein erleuchteter, und durch das Flämmlein aus göttlicher Flamme durchglüeter Verstand ist so durch dringend, daß er auch zukünftige Begebenhei- ten vorher siehet, und auf Muthmassungen verfällt, die vor ihm keinem Menschen in den Sinn gekom- men sind. Jch zweifele sehr, ob ausser dem Herrn Prof. Philippi ein Mensch in der Welt zu finden ist, dem es auch nur im Traum eingefallen sey, daß, wenn kein Dauphin in Franckreich wäre, die Töchter des Kö- niges das Frantzösische Scepter erlangen würden. Man hat bisher immer geglaubet, und in allen Bü- chern geschrieben, daß die Frantzösische Crone nicht auf die Töchter fallen könne, que le Roiaume de France ne tombe jamais en quenouille. Es ist zu vermuthen, daß dem Herrn Prof. Philippi die-
ses
(o)
des Schickſals koͤnne mit gleich guͤltigen Au- gen den bald hinter einander erfolgten Ver- luſt zweyer groſſen Printzeſſinnen anſehen, weil ſie in Franckreich mit einmahl zwey Printzeſſinnen davor gebohren werden laſſen, die, wo kein Cron-Printz nachkommen ſolte, wohl noch das Frantzoͤſiſche Scepter erlan- gen, und alſo eine der groͤſſeſten und bisher nicht erhoͤrten Veraͤnderungen in Europa verurſachen, ja durch ihre einmahl erfolgen- de Verheyrathung, wohl noch mehrere Cro- nen zuſammen bekommen duͤrften.
Jch frage Sie, Meine Herren, haben ſie jemah- len etwas geleſen, das dieſer tiefen Betrachtungen gleich kaͤme? Jn dieſer Stelle hat der Herr Prof. gewieſen, daß die Gottesfurcht einem Menſchen nicht hinderlich ſey die Staats-Lehre zu verſtehen. Sein erleuchteter, und durch das Flaͤmmlein aus goͤttlicher Flamme durchgluͤeter Verſtand iſt ſo durch dringend, daß er auch zukuͤnftige Begebenhei- ten vorher ſiehet, und auf Muthmaſſungen verfaͤllt, die vor ihm keinem Menſchen in den Sinn gekom- men ſind. Jch zweifele ſehr, ob auſſer dem Herrn Prof. Philippi ein Menſch in der Welt zu finden iſt, dem es auch nur im Traum eingefallen ſey, daß, wenn kein Dauphin in Franckreich waͤre, die Toͤchter des Koͤ- niges das Frantzoͤſiſche Scepter erlangen wuͤrden. Man hat bisher immer geglaubet, und in allen Buͤ- chern geſchrieben, daß die Frantzoͤſiſche Crone nicht auf die Toͤchter fallen koͤnne, que le Roïaume de France ne tombe jamais en quenouïlle. Es iſt zu vermuthen, daß dem Herrn Prof. Philippi die-
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(o)
des Schickſals koͤnne mit gleich guͤltigen Au-
gen den bald hinter einander erfolgten Ver-
luſt zweyer groſſen Printzeſſinnen anſehen,
weil ſie in Franckreich mit einmahl zwey
Printzeſſinnen davor gebohren werden laſſen,
die, wo kein Cron-Printz nachkommen ſolte,
wohl noch das Frantzoͤſiſche Scepter erlan-
gen, und alſo eine der groͤſſeſten und bisher
nicht erhoͤrten Veraͤnderungen in Europa
verurſachen, ja durch ihre einmahl erfolgen-
de Verheyrathung, wohl noch mehrere Cro-
nen zuſammen bekommen duͤrften.
Jch frage Sie, Meine Herren, haben ſie jemah-
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gleich kaͤme? Jn dieſer Stelle hat der Herr Prof.
gewieſen, daß die Gottesfurcht einem Menſchen
nicht hinderlich ſey die Staats-Lehre zu verſtehen.
Sein erleuchteter, und durch das Flaͤmmlein aus
goͤttlicher Flamme durchgluͤeter Verſtand iſt ſo
durch dringend, daß er auch zukuͤnftige Begebenhei-
ten vorher ſiehet, und auf Muthmaſſungen verfaͤllt,
die vor ihm keinem Menſchen in den Sinn gekom-
men ſind. Jch zweifele ſehr, ob auſſer dem Herrn Prof.
Philippi ein Menſch in der Welt zu finden iſt, dem
es auch nur im Traum eingefallen ſey, daß, wenn kein
Dauphin in Franckreich waͤre, die Toͤchter des Koͤ-
niges das Frantzoͤſiſche Scepter erlangen wuͤrden.
Man hat bisher immer geglaubet, und in allen Buͤ-
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auf die Toͤchter fallen koͤnne, que le Roïaume de
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/260>, abgerufen am 18.12.2024.
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