selbst meiner Gesundheit Schaden zu thun. Denn, Meine Herren, ich würde mit der blossen Erzehlung derselben heute nicht zu Ende kommen. Das, was der Herr Prof. Philippi in seinem Heldengedicht von einem Naturaliencabinet schreibet, schickt sich, mit einer kleinen Veränderung, gar wohl hieher, und ich kan mit Fug sagen:
Nennt in der Poesie mir irgend eine Art Von Raritäten, die nicht da gefunden ward. Solt ichs von Stück zu Stück mit Nah- men nur beschreiben, Jch müste wenigstens ein gantz Jahr drüber bleiben49)
Jch begnüge mich demnach nur überhaupt zu sa- gen, daß die Poesie des Herrn Prof. Philippi so heroisch ist, als seine Beredsamkeit. Es ist eine Lust anzusehen, wie wenig Er die unnützen Regeln beob- achtet, wodurch man heutiges Tages die Dichtkunst so schwer machet. Er giebt sich alle Freyheiten, die einem Manne von seiner Art zukommen können. Abschnitt, Sylbenmaaß und Füsse sind bey ihm gar verächtliche Sachen, und seine einzige Sorge gehet auf das einige Nothwendige in der Poesie, ich meine den Reim. Dieses muß ihm nothwendig die Hochachtung aller Kenner erwerben, die den Sinn des Sprüchworts: In fine videbitur cujus toni gebührend einsehen, und, nach Art der Och-
sen-
49) S. das Heldengedicht p. 13.
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ſelbſt meiner Geſundheit Schaden zu thun. Denn, Meine Herren, ich wuͤrde mit der bloſſen Erzehlung derſelben heute nicht zu Ende kommen. Das, was der Herr Prof. Philippi in ſeinem Heldengedicht von einem Naturaliencabinet ſchreibet, ſchickt ſich, mit einer kleinen Veraͤnderung, gar wohl hieher, und ich kan mit Fug ſagen:
Nennt in der Poeſie mir irgend eine Art Von Raritaͤten, die nicht da gefunden ward. Solt ichs von Stuͤck zu Stuͤck mit Nah- men nur beſchreiben, Jch muͤſte wenigſtens ein gantz Jahr druͤber bleiben49)
Jch begnuͤge mich demnach nur uͤberhaupt zu ſa- gen, daß die Poeſie des Herrn Prof. Philippi ſo heroiſch iſt, als ſeine Beredſamkeit. Es iſt eine Luſt anzuſehen, wie wenig Er die unnuͤtzen Regeln beob- achtet, wodurch man heutiges Tages die Dichtkunſt ſo ſchwer machet. Er giebt ſich alle Freyheiten, die einem Manne von ſeiner Art zukommen koͤnnen. Abſchnitt, Sylbenmaaß und Fuͤſſe ſind bey ihm gar veraͤchtliche Sachen, und ſeine einzige Sorge gehet auf das einige Nothwendige in der Poeſie, ich meine den Reim. Dieſes muß ihm nothwendig die Hochachtung aller Kenner erwerben, die den Sinn des Spruͤchworts: In fine videbitur cujus toni gebuͤhrend einſehen, und, nach Art der Och-
ſen-
49) S. das Heldengedicht p. 13.
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(o)
ſelbſt meiner Geſundheit Schaden zu thun. Denn,
Meine Herren, ich wuͤrde mit der bloſſen Erzehlung
derſelben heute nicht zu Ende kommen. Das, was
der Herr Prof. Philippi in ſeinem Heldengedicht
von einem Naturaliencabinet ſchreibet, ſchickt ſich,
mit einer kleinen Veraͤnderung, gar wohl hieher,
und ich kan mit Fug ſagen:
Nennt in der Poeſie mir irgend eine Art
Von Raritaͤten, die nicht da gefunden
ward.
Solt ichs von Stuͤck zu Stuͤck mit Nah-
men nur beſchreiben,
Jch muͤſte wenigſtens ein gantz Jahr
druͤber bleiben 49)
Jch begnuͤge mich demnach nur uͤberhaupt zu ſa-
gen, daß die Poeſie des Herrn Prof. Philippi ſo
heroiſch iſt, als ſeine Beredſamkeit. Es iſt eine Luſt
anzuſehen, wie wenig Er die unnuͤtzen Regeln beob-
achtet, wodurch man heutiges Tages die Dichtkunſt
ſo ſchwer machet. Er giebt ſich alle Freyheiten, die
einem Manne von ſeiner Art zukommen koͤnnen.
Abſchnitt, Sylbenmaaß und Fuͤſſe ſind bey ihm
gar veraͤchtliche Sachen, und ſeine einzige Sorge
gehet auf das einige Nothwendige in der Poeſie,
ich meine den Reim. Dieſes muß ihm nothwendig
die Hochachtung aller Kenner erwerben, die den
Sinn des Spruͤchworts: In fine videbitur cujus
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49) S. das Heldengedicht p. 13.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/282>, abgerufen am 29.11.2024.
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