lichen Geschicke zu dancken hat. Jch muß immer lachen, Meine Herren, wenn ich den Ovidius und Canitz, ihrer Poesie wegen, rühmen höre, die doch beyde aufrichtig gestanden, daß sie von Jugend auf einen unüberwindlichen Trieb zum Dichten, bey sich gespüret haben. Es ist groß Wunder, daß man auch nicht an ihnen lobet, daß sie gegessen haben, wenn der Hunger sie geplaget. Dieser Trieb zum Essen war ihnen nicht mehr natürlich, als die Nei- gung und Geschicklichkeit zur Poesie.
Die beste Eigenschaft, Meine Herren, zu welcher wir nichts beytragen, kan uns nicht zum Ruhm gereichen. Es haben schon andre angemer- cket, daß derienige, der, um den Cato recht groß zu machen, sagte: Cato habe nicht anders ge- konnt, als Gutes thun50), sich schlecht um den- selben verdient gemacht hat; Und Socrates würde nicht die Helfte der Hochachtung verdienen, die man ietzo vor ihm heget, wenn nicht sein eigen Ge- ständniß, daß sein Naturel grund böse, und seine Tugend gekünstelt sey, seine Weißheit so bewunde- rungs-würdig gemachet hätte.
Was vor Lob verdienet demnach nicht die so sehr gekünstelte, und unnatürliche Poesie des Herrn Prof. Philippi? Und was vor Ehrerbietung ein so grosser Poet? Jch weiß, Meine Herren, dieje- nige, die Sie gegen ihn hegen, ist so groß, als es seine Verdienste erfordern.
Ja, grosser Dichter, wir verehren dich, als
einen
50)Vellejus Paterculus Lib. II. Cap. 35. nunquam recte fecit, ut videretur, sed quia aliter non poterat.
(o)
lichen Geſchicke zu dancken hat. Jch muß immer lachen, Meine Herren, wenn ich den Ovidius und Canitz, ihrer Poeſie wegen, ruͤhmen hoͤre, die doch beyde aufrichtig geſtanden, daß ſie von Jugend auf einen unuͤberwindlichen Trieb zum Dichten, bey ſich geſpuͤret haben. Es iſt groß Wunder, daß man auch nicht an ihnen lobet, daß ſie gegeſſen haben, wenn der Hunger ſie geplaget. Dieſer Trieb zum Eſſen war ihnen nicht mehr natuͤrlich, als die Nei- gung und Geſchicklichkeit zur Poeſie.
Die beſte Eigenſchaft, Meine Herren, zu welcher wir nichts beytragen, kan uns nicht zum Ruhm gereichen. Es haben ſchon andre angemer- cket, daß derienige, der, um den Cato recht groß zu machen, ſagte: Cato habe nicht anders ge- konnt, als Gutes thun50), ſich ſchlecht um den- ſelben verdient gemacht hat; Und Socrates wuͤrde nicht die Helfte der Hochachtung verdienen, die man ietzo vor ihm heget, wenn nicht ſein eigen Ge- ſtaͤndniß, daß ſein Naturel grund boͤſe, und ſeine Tugend gekuͤnſtelt ſey, ſeine Weißheit ſo bewunde- rungs-wuͤrdig gemachet haͤtte.
Was vor Lob verdienet demnach nicht die ſo ſehr gekuͤnſtelte, und unnatuͤrliche Poeſie des Herrn Prof. Philippi? Und was vor Ehrerbietung ein ſo groſſer Poet? Jch weiß, Meine Herren, dieje- nige, die Sie gegen ihn hegen, iſt ſo groß, als es ſeine Verdienſte erfordern.
Ja, groſſer Dichter, wir verehren dich, als
einen
50)Vellejus Paterculus Lib. II. Cap. 35. nunquam recte fecit, ut videretur, ſed quia aliter non poterat.
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(o)
lichen Geſchicke zu dancken hat. Jch muß immer
lachen, Meine Herren, wenn ich den Ovidius und
Canitz, ihrer Poeſie wegen, ruͤhmen hoͤre, die
doch beyde aufrichtig geſtanden, daß ſie von Jugend
auf einen unuͤberwindlichen Trieb zum Dichten,
bey ſich geſpuͤret haben. Es iſt groß Wunder, daß
man auch nicht an ihnen lobet, daß ſie gegeſſen haben,
wenn der Hunger ſie geplaget. Dieſer Trieb zum
Eſſen war ihnen nicht mehr natuͤrlich, als die Nei-
gung und Geſchicklichkeit zur Poeſie.
Die beſte Eigenſchaft, Meine Herren, zu
welcher wir nichts beytragen, kan uns nicht zum
Ruhm gereichen. Es haben ſchon andre angemer-
cket, daß derienige, der, um den Cato recht groß
zu machen, ſagte: Cato habe nicht anders ge-
konnt, als Gutes thun 50), ſich ſchlecht um den-
ſelben verdient gemacht hat; Und Socrates wuͤrde
nicht die Helfte der Hochachtung verdienen, die
man ietzo vor ihm heget, wenn nicht ſein eigen Ge-
ſtaͤndniß, daß ſein Naturel grund boͤſe, und ſeine
Tugend gekuͤnſtelt ſey, ſeine Weißheit ſo bewunde-
rungs-wuͤrdig gemachet haͤtte.
Was vor Lob verdienet demnach nicht die ſo
ſehr gekuͤnſtelte, und unnatuͤrliche Poeſie des Herrn
Prof. Philippi? Und was vor Ehrerbietung ein
ſo groſſer Poet? Jch weiß, Meine Herren, dieje-
nige, die Sie gegen ihn hegen, iſt ſo groß, als es
ſeine Verdienſte erfordern.
Ja, groſſer Dichter, wir verehren dich, als
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/284>, abgerufen am 29.11.2024.
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