einen Mann, der in seiner Art der einzige ist. Fah- re nur fort, deine matte Fähigkeit zum Dencken, und zum Dichten, über welche du klagest51), mit Nachdruck zu bestreiten: Zeige der Welt, daß Horatz ein Gecke gewesen, da er geschrieben:
Tu nihil invita dicas faciasve Minerva52).
Dein Helden-Gedicht lehret uns, daß man auch ohne der Minerven Wissen und Willen in der Dicht-Kunst groß seyn könne: und dir, Christlicher Philippi, stehet es vor andern wohl an, dieser heid- nischen Göttin zum Possen, ein Handwerck zu trei- ben, dazu du nicht gebohren bist. Schreib dem- nach, unvergleichlicher Dichter, und schone kein Papier. Die Schaar der Musen giebt dir von den Zehn tausend Ballen, die sie geschenckt bekommen hat 53), gerne einige Ballen wieder zurücke. Kehre dich nicht daran, wenn deine verderbte Vernunft dir zu- ruft: Schreibe nicht! oder wenn andere über deine Verse spotten. Jenes ist eine Anfechtung die Leute dei- ner Art leicht überwinden, und dieses ein Unfall, den du mit vielen vortreflichen Dichtern gemein hast. Die Gesellschaft der kleinen Geister wird darum eben so wenig von der Hochachtung gegen dich etwas fallen lassen, als du selbst, und dich alle Zeit, du magst wol- len oder nicht, als ein Mitglied ansehen, das ihr die meiste Ehre bringet.
Jch
51) S. das Helden-Gedicht p. 5.
52)Horatius de Arte poetica.
53) S. das Helden-Gedicht p. 16.
N
(o)
einen Mann, der in ſeiner Art der einzige iſt. Fah- re nur fort, deine matte Faͤhigkeit zum Dencken, und zum Dichten, uͤber welche du klageſt51), mit Nachdruck zu beſtreiten: Zeige der Welt, daß Horatz ein Gecke geweſen, da er geſchrieben:
Tu nihil invita dicas faciasve Minerva52).
Dein Helden-Gedicht lehret uns, daß man auch ohne der Minerven Wiſſen und Willen in der Dicht-Kunſt groß ſeyn koͤnne: und dir, Chriſtlicher Philippi, ſtehet es vor andern wohl an, dieſer heid- niſchen Goͤttin zum Poſſen, ein Handwerck zu trei- ben, dazu du nicht gebohren biſt. Schreib dem- nach, unvergleichlicher Dichter, und ſchone kein Papier. Die Schaar der Muſen giebt dir von den Zehn tauſend Ballen, die ſie geſchenckt bekommen hat 53), gerne einige Ballen wieder zuruͤcke. Kehre dich nicht daran, wenn deine verderbte Vernunft dir zu- ruft: Schreibe nicht! oder wenn andere uͤber deine Verſe ſpotten. Jenes iſt eine Anfechtung die Leute dei- ner Art leicht uͤberwinden, und dieſes ein Unfall, den du mit vielen vortreflichen Dichtern gemein haſt. Die Geſellſchaft der kleinen Geiſter wird darum eben ſo wenig von der Hochachtung gegen dich etwas fallen laſſen, als du ſelbſt, und dich alle Zeit, du magſt wol- len oder nicht, als ein Mitglied anſehen, das ihr die meiſte Ehre bringet.
Jch
51) S. das Helden-Gedicht p. 5.
52)Horatius de Arte poëtica.
53) S. das Helden-Gedicht p. 16.
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(o)
einen Mann, der in ſeiner Art der einzige iſt. Fah-
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und zum Dichten, uͤber welche du klageſt 51),
mit Nachdruck zu beſtreiten: Zeige der Welt, daß
Horatz ein Gecke geweſen, da er geſchrieben:
Tu nihil invita dicas faciasve Minerva 52).
Dein Helden-Gedicht lehret uns, daß man auch
ohne der Minerven Wiſſen und Willen in der
Dicht-Kunſt groß ſeyn koͤnne: und dir, Chriſtlicher
Philippi, ſtehet es vor andern wohl an, dieſer heid-
niſchen Goͤttin zum Poſſen, ein Handwerck zu trei-
ben, dazu du nicht gebohren biſt. Schreib dem-
nach, unvergleichlicher Dichter, und ſchone kein
Papier. Die Schaar der Muſen giebt dir von den
Zehn tauſend Ballen, die ſie geſchenckt bekommen hat
53), gerne einige Ballen wieder zuruͤcke. Kehre dich
nicht daran, wenn deine verderbte Vernunft dir zu-
ruft: Schreibe nicht! oder wenn andere uͤber deine
Verſe ſpotten. Jenes iſt eine Anfechtung die Leute dei-
ner Art leicht uͤberwinden, und dieſes ein Unfall, den du
mit vielen vortreflichen Dichtern gemein haſt. Die
Geſellſchaft der kleinen Geiſter wird darum eben ſo
wenig von der Hochachtung gegen dich etwas fallen
laſſen, als du ſelbſt, und dich alle Zeit, du magſt wol-
len oder nicht, als ein Mitglied anſehen, das ihr die
meiſte Ehre bringet.
Jch
51) S. das Helden-Gedicht p. 5.
52) Horatius de Arte poëtica.
53) S. das Helden-Gedicht p. 16.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/285>, abgerufen am 29.11.2024.
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