abzuziehen, und einen Spiegel vorzuhalten, welcher ihnen ihre scheußliche Gestalt aufrich- tig vorstellet? Sie sind in solchem Unfall un- tröstbar, und gerathen in die grösseste Wuth. Der Spiegel wird zur Erden geschmissen, mit Füssen getreten, und muß es entgelten, daß sie nicht besser gebildet sind. Sie indessen düncken sich doch schön, und heissen denjenigen, der ih- nen durch einen Liebes-Dienst, den sie nimmer genug erkennen können, zu der Erkänntniß ih- rer selbst Anleitung geben wollen, einen Pas- quillanten und einen Ehren-Dieb. Sie thun kläglich, und stimmen ein jämmerliches: Porro Quirites! an. Denn Ehre verlohren, alles verlohren. Sie suchen Himmel und Erde ge- gen ihren Feind zu bewegen, und geberden sich nicht viel klüger, als jener Gecke in der Fabel, der von einem Floh gebissen wurde. S. Les Fables de M. de la Fontaine Liv. II. Fab. 5. Denn wie dieser es dem Hercules verwieß, daß er die Welt auch nicht von dem ihn plagen- den Ungeheuer befreyet hätte, und vom Jupiter verlangte, seinen Peiniger mit Donner und Blitz zu vertilgen, so rufen sie die Obrigkeit um Schutz an, und nehmen es übel, wenn diese ih- rem Jammer ohne Erbarmung zusiehet, und dem Frevel ihrer Verfolger nicht steuret.
Thun thö- richt dar- an.
Allein sie müssen wissen, daß ihr Geschrey unvernünftig, und ihre Forderung unbillig ist. Die Obrigkeit ist schuldig in allen Stücken vor das wahre Beste ihrer Unterthanen zu sorgen: Aber, sie kömmt, wo sie klug ist, den thörig-
ten
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abzuziehen, und einen Spiegel vorzuhalten, welcher ihnen ihre ſcheußliche Geſtalt aufrich- tig vorſtellet? Sie ſind in ſolchem Unfall un- troͤſtbar, und gerathen in die groͤſſeſte Wuth. Der Spiegel wird zur Erden geſchmiſſen, mit Fuͤſſen getreten, und muß es entgelten, daß ſie nicht beſſer gebildet ſind. Sie indeſſen duͤncken ſich doch ſchoͤn, und heiſſen denjenigen, der ih- nen durch einen Liebes-Dienſt, den ſie nimmer genug erkennen koͤnnen, zu der Erkaͤnntniß ih- rer ſelbſt Anleitung geben wollen, einen Pas- quillanten und einen Ehren-Dieb. Sie thun klaͤglich, und ſtimmen ein jaͤmmerliches: Porro Quirites! an. Denn Ehre verlohren, alles verlohren. Sie ſuchen Himmel und Erde ge- gen ihren Feind zu bewegen, und geberden ſich nicht viel kluͤger, als jener Gecke in der Fabel, der von einem Floh gebiſſen wurde. S. Les Fables de M. de la Fontaine Liv. II. Fab. 5. Denn wie dieſer es dem Hercules verwieß, daß er die Welt auch nicht von dem ihn plagen- den Ungeheuer befreyet haͤtte, und vom Jupiter verlangte, ſeinen Peiniger mit Donner und Blitz zu vertilgen, ſo rufen ſie die Obrigkeit um Schutz an, und nehmen es uͤbel, wenn dieſe ih- rem Jammer ohne Erbarmung zuſiehet, und dem Frevel ihrer Verfolger nicht ſteuret.
Thun thoͤ- richt dar- an.
Allein ſie muͤſſen wiſſen, daß ihr Geſchrey unvernuͤnftig, und ihre Forderung unbillig iſt. Die Obrigkeit iſt ſchuldig in allen Stuͤcken vor das wahre Beſte ihrer Unterthanen zu ſorgen: Aber, ſie koͤmmt, wo ſie klug iſt, den thoͤrig-
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abzuziehen, und einen Spiegel vorzuhalten,
welcher ihnen ihre ſcheußliche Geſtalt aufrich-
tig vorſtellet? Sie ſind in ſolchem Unfall un-
troͤſtbar, und gerathen in die groͤſſeſte Wuth.
Der Spiegel wird zur Erden geſchmiſſen, mit
Fuͤſſen getreten, und muß es entgelten, daß ſie
nicht beſſer gebildet ſind. Sie indeſſen duͤncken
ſich doch ſchoͤn, und heiſſen denjenigen, der ih-
nen durch einen Liebes-Dienſt, den ſie nimmer
genug erkennen koͤnnen, zu der Erkaͤnntniß ih-
rer ſelbſt Anleitung geben wollen, einen Pas-
quillanten und einen Ehren-Dieb. Sie thun
klaͤglich, und ſtimmen ein jaͤmmerliches: Porro
Quirites! an. Denn Ehre verlohren, alles
verlohren. Sie ſuchen Himmel und Erde ge-
gen ihren Feind zu bewegen, und geberden ſich
nicht viel kluͤger, als jener Gecke in der Fabel,
der von einem Floh gebiſſen wurde. S. Les
Fables de M. de la Fontaine Liv. II. Fab.
5. Denn wie dieſer es dem Hercules verwieß,
daß er die Welt auch nicht von dem ihn plagen-
den Ungeheuer befreyet haͤtte, und vom Jupiter
verlangte, ſeinen Peiniger mit Donner und
Blitz zu vertilgen, ſo rufen ſie die Obrigkeit um
Schutz an, und nehmen es uͤbel, wenn dieſe ih-
rem Jammer ohne Erbarmung zuſiehet, und
dem Frevel ihrer Verfolger nicht ſteuret.
Allein ſie muͤſſen wiſſen, daß ihr Geſchrey
unvernuͤnftig, und ihre Forderung unbillig iſt.
Die Obrigkeit iſt ſchuldig in allen Stuͤcken vor
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/336>, abgerufen am 24.11.2024.
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