die er in der bürger- lichen Ge- sellschaft hat.ausser der gelehrten Welt, keine Würckung. Unsere Oberen, und die meisten unserer Mit- Bürger, nehmen dieselbe nicht als eine Regel an, nach welcher sie ihre gute Meinung von uns einrichten müsten. Sie urtheilen von unsern Verdiensten aus andern Thaten, als aus der Verfertigung eines Buches. Unsere Ehre beruhet also nicht auf den Werth unserer Schriften. Man kan diese verachten, oh- ne daß dem Ansehen das geringste abgehet, das wir durch unsere gute Auführung uns in der Gesellschaft, in welcher wir leben, erworben ha- ben. Ein Gelehrter, der ein gut Buch ge- schrieben hat, wird darum in gemeinen Leben nicht mehr geehret; er wird nicht vornehmer; er bekömmt keinen grössern Rang. Die wenig- sten wissen es, und die es wissen, die achten es nicht. Vermehrt nun ein gut Buch die Eh- re seines Verfassers in der bürgerlichen Gesell- schaft nicht, so kan auch ein schlechtes unmög- lich seinen Urheber schänden. Ein solcher Mensch wird dadurch im gemeinen Leben nicht verächtlich. Er behält alle Ehre, die er sonst gehabt hat, sein Amt, seine Würde, und alle Vortheile, die er, als ein guter Bürger, und tu- gendhafter Mann, verlangen kan. Die Erfah- rung bekräftiget, was ich sage, und daher tra- ge ich kein Bedencken zu behaupten, daß kein Urtheil über eine Schrift so strenge, keine Sa- tyre so scharf seyn könne, daß dadurch derjeni- ge, der diese Schrift gemacht, an seiner Ehre Schaden nehmen solte.
Jch
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die er in der buͤrgeꝛ- lichen Ge- ſellſchaft hat.auſſer der gelehrten Welt, keine Wuͤrckung. Unſere Oberen, und die meiſten unſerer Mit- Buͤrger, nehmen dieſelbe nicht als eine Regel an, nach welcher ſie ihre gute Meinung von uns einrichten muͤſten. Sie urtheilen von unſern Verdienſten aus andern Thaten, als aus der Verfertigung eines Buches. Unſere Ehre beruhet alſo nicht auf den Werth unſerer Schriften. Man kan dieſe verachten, oh- ne daß dem Anſehen das geringſte abgehet, das wir durch unſere gute Aufuͤhrung uns in der Geſellſchaft, in welcher wir leben, erworben ha- ben. Ein Gelehrter, der ein gut Buch ge- ſchrieben hat, wird darum in gemeinen Leben nicht mehr geehret; er wird nicht vornehmer; er bekoͤmmt keinen groͤſſern Rang. Die wenig- ſten wiſſen es, und die es wiſſen, die achten es nicht. Vermehrt nun ein gut Buch die Eh- re ſeines Verfaſſers in der buͤrgerlichen Geſell- ſchaft nicht, ſo kan auch ein ſchlechtes unmoͤg- lich ſeinen Urheber ſchaͤnden. Ein ſolcher Menſch wird dadurch im gemeinen Leben nicht veraͤchtlich. Er behaͤlt alle Ehre, die er ſonſt gehabt hat, ſein Amt, ſeine Wuͤrde, und alle Vortheile, die er, als ein guter Buͤrger, und tu- gendhafter Mann, verlangen kan. Die Erfah- rung bekraͤftiget, was ich ſage, und daher tra- ge ich kein Bedencken zu behaupten, daß kein Urtheil uͤber eine Schrift ſo ſtrenge, keine Sa- tyre ſo ſcharf ſeyn koͤnne, daß dadurch derjeni- ge, der dieſe Schrift gemacht, an ſeiner Ehre Schaden nehmen ſolte.
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auſſer der gelehrten Welt, keine Wuͤrckung.
Unſere Oberen, und die meiſten unſerer Mit-
Buͤrger, nehmen dieſelbe nicht als eine Regel
an, nach welcher ſie ihre gute Meinung von
uns einrichten muͤſten. Sie urtheilen von
unſern Verdienſten aus andern Thaten, als
aus der Verfertigung eines Buches. Unſere
Ehre beruhet alſo nicht auf den Werth unſerer
Schriften. Man kan dieſe verachten, oh-
ne daß dem Anſehen das geringſte abgehet, das
wir durch unſere gute Aufuͤhrung uns in der
Geſellſchaft, in welcher wir leben, erworben ha-
ben. Ein Gelehrter, der ein gut Buch ge-
ſchrieben hat, wird darum in gemeinen Leben
nicht mehr geehret; er wird nicht vornehmer; er
bekoͤmmt keinen groͤſſern Rang. Die wenig-
ſten wiſſen es, und die es wiſſen, die achten es
nicht. Vermehrt nun ein gut Buch die Eh-
re ſeines Verfaſſers in der buͤrgerlichen Geſell-
ſchaft nicht, ſo kan auch ein ſchlechtes unmoͤg-
lich ſeinen Urheber ſchaͤnden. Ein ſolcher
Menſch wird dadurch im gemeinen Leben nicht
veraͤchtlich. Er behaͤlt alle Ehre, die er ſonſt
gehabt hat, ſein Amt, ſeine Wuͤrde, und alle
Vortheile, die er, als ein guter Buͤrger, und tu-
gendhafter Mann, verlangen kan. Die Erfah-
rung bekraͤftiget, was ich ſage, und daher tra-
ge ich kein Bedencken zu behaupten, daß kein
Urtheil uͤber eine Schrift ſo ſtrenge, keine Sa-
tyre ſo ſcharf ſeyn koͤnne, daß dadurch derjeni-
ge, der dieſe Schrift gemacht, an ſeiner Ehre
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die er in
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/354>, abgerufen am 22.11.2024.
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