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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
Man hat Ursache zu glauben, daß solche Leute
sich finden werden, wenn man ihnen nur deut-
lich vorstellet, wie sehr ihre Lehren und Thaten
gewissen unstreitigen Sätzen, die sie selbst nicht
leugnen, zuwider laufen. Sie verdienen al-
so, daß man ihnen diesen Dienst erweise; und
dieses heisset einen ernsthaft wiederlegen.
Andere Jrrthümer und Thorheiten sind her-
gegen so handgreiflich, daß ein jeder Mensch
von gesundem Verstande deren Abweichung
von den Grund-Wahrheiten bemercket,
und über die Einfalt dessen, der sie vorgebracht,
oder begangen hat, erstaunet. Es würde eine
vergebliche Bemühung seyn, wenn man sol-
che Fratzen ernsthaft wiederlegen wolte. Die-
jenigen, welche so weit verfallen, geben einen
gar zu schlechten Begrif von dem Zustande ih-
res Gehirnes, als daß man hofen könnte, sie
würden sich besinnen, wenn man ihnen die
greuliche Abweichung ihrer Lehren und Tha-
ten von den Grund-Wahrheiten auf eine
ernsthafte Art deutlich vorstellete. Da sie
nicht fähig gewesen sind, dieses vor sich zu be-
greifen, so wird auch die deutlichste Vorstellung
bey ihnen nichts verfangen. Mit solchen Leu-
ten muß man nicht ernsthaft reden. Sie wür-
den nur dadurch auf die hochmühtigen Gedan-
cken gerahten, man glaube, daß ihre Grillen
einigen Schein hätten, und zu deren Verthei-
digung nur immer neue Thorheiten vorbrin-
gen. Man thut also nicht besser, als wenn
man ihnen, dem Scheine nach, Recht giebet,

sich

(o)
Man hat Urſache zu glauben, daß ſolche Leute
ſich finden werden, wenn man ihnen nur deut-
lich vorſtellet, wie ſehr ihre Lehren und Thaten
gewiſſen unſtreitigen Saͤtzen, die ſie ſelbſt nicht
leugnen, zuwider laufen. Sie verdienen al-
ſo, daß man ihnen dieſen Dienſt erweiſe; und
dieſes heiſſet einen ernſthaft wiederlegen.
Andere Jrrthuͤmer und Thorheiten ſind her-
gegen ſo handgreiflich, daß ein jeder Menſch
von geſundem Verſtande deren Abweichung
von den Grund-Wahrheiten bemercket,
und uͤber die Einfalt deſſen, der ſie vorgebracht,
oder begangen hat, erſtaunet. Es wuͤrde eine
vergebliche Bemuͤhung ſeyn, wenn man ſol-
che Fratzen ernſthaft wiederlegen wolte. Die-
jenigen, welche ſo weit verfallen, geben einen
gar zu ſchlechten Begrif von dem Zuſtande ih-
res Gehirnes, als daß man hofen koͤnnte, ſie
wuͤrden ſich beſinnen, wenn man ihnen die
greuliche Abweichung ihrer Lehren und Tha-
ten von den Grund-Wahrheiten auf eine
ernſthafte Art deutlich vorſtellete. Da ſie
nicht faͤhig geweſen ſind, dieſes vor ſich zu be-
greifen, ſo wird auch die deutlichſte Vorſtellung
bey ihnen nichts verfangen. Mit ſolchen Leu-
ten muß man nicht ernſthaft reden. Sie wuͤr-
den nur dadurch auf die hochmuͤhtigen Gedan-
cken gerahten, man glaube, daß ihre Grillen
einigen Schein haͤtten, und zu deren Verthei-
digung nur immer neue Thorheiten vorbrin-
gen. Man thut alſo nicht beſſer, als wenn
man ihnen, dem Scheine nach, Recht giebet,

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[278/0370] (o) Man hat Urſache zu glauben, daß ſolche Leute ſich finden werden, wenn man ihnen nur deut- lich vorſtellet, wie ſehr ihre Lehren und Thaten gewiſſen unſtreitigen Saͤtzen, die ſie ſelbſt nicht leugnen, zuwider laufen. Sie verdienen al- ſo, daß man ihnen dieſen Dienſt erweiſe; und dieſes heiſſet einen ernſthaft wiederlegen. Andere Jrrthuͤmer und Thorheiten ſind her- gegen ſo handgreiflich, daß ein jeder Menſch von geſundem Verſtande deren Abweichung von den Grund-Wahrheiten bemercket, und uͤber die Einfalt deſſen, der ſie vorgebracht, oder begangen hat, erſtaunet. Es wuͤrde eine vergebliche Bemuͤhung ſeyn, wenn man ſol- che Fratzen ernſthaft wiederlegen wolte. Die- jenigen, welche ſo weit verfallen, geben einen gar zu ſchlechten Begrif von dem Zuſtande ih- res Gehirnes, als daß man hofen koͤnnte, ſie wuͤrden ſich beſinnen, wenn man ihnen die greuliche Abweichung ihrer Lehren und Tha- ten von den Grund-Wahrheiten auf eine ernſthafte Art deutlich vorſtellete. Da ſie nicht faͤhig geweſen ſind, dieſes vor ſich zu be- greifen, ſo wird auch die deutlichſte Vorſtellung bey ihnen nichts verfangen. Mit ſolchen Leu- ten muß man nicht ernſthaft reden. Sie wuͤr- den nur dadurch auf die hochmuͤhtigen Gedan- cken gerahten, man glaube, daß ihre Grillen einigen Schein haͤtten, und zu deren Verthei- digung nur immer neue Thorheiten vorbrin- gen. Man thut alſo nicht beſſer, als wenn man ihnen, dem Scheine nach, Recht giebet, ſich

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/370>, abgerufen am 21.11.2024.