absterben und klug werden. Dieses nennet der Heil. Augustinus mori vitaliter. Confess. Lib. VIII. cap. 8. Ob demnach gleich die Satyren eine Art der Strafe in der Gelehr- ten Republick und ein tödliches Gift sind, so bleiben sie, dem ungeachtet, doch eine Artzeney, und ich darf meine Verse aus dem Lucretius nicht wieder ausstreichen.
Die zwar nicht bey allen an- schlägt.
Jch kehre demnach wieder zu meinem Zweck, und sage, daß die ernsthaften und murrischen Feinde einer satyrischen Schreib-Art nicht be- rechtiget sind, so heftig wider eine Satyre zu ei- fern, und daß sie sich heßlich betriegen, wenn sie meynen, eine Satyre laufe wider die Regeln der Höflichkeit, Sanftmuth und Weisheit, und ein Spötter sey ein boshafter Mensch, ein Thor, und ich weiß nicht was. Jch habe ge- wiesen, daß die satyrische Schreib-Art höflicher und bescheidener ist, als eine andere; ich habe ge- wiesen, das es Fälle gebe, da dieselbe unumgäng- lich nöthig ist; ich glaube also nicht, daß man ferner diejenigen, die sich derselben bedienen, vor Leute von bösem Gemüth halten wird, wenn man nur die Unschuld ihrer Absicht, welche auf nichts, als die Besserung der Thoren gehet, in Betracht ziehen will. Die Schriften dieser Leute führen eine den Thoren sehr heilsame Artzeney bey sich, an welcher sonst nichts aus- zusetzen ist, als daß sie den gemeinen Fehler aller Artzeneyen an sich hat, und nicht allemal die gewünschte Würckung thut. Denn da sie aus nichts als Wahrheit, die ungemein bitter
ist,
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abſterben und klug werden. Dieſes nennet der Heil. Auguſtinus mori vitaliter. Confeſſ. Lib. VIII. cap. 8. Ob demnach gleich die Satyren eine Art der Strafe in der Gelehr- ten Republick und ein toͤdliches Gift ſind, ſo bleiben ſie, dem ungeachtet, doch eine Artzeney, und ich darf meine Verſe aus dem Lucretius nicht wieder ausſtreichen.
Die zwar nicht bey allen an- ſchlaͤgt.
Jch kehre demnach wieder zu meinem Zweck, und ſage, daß die ernſthaften und murriſchen Feinde einer ſatyriſchen Schreib-Art nicht be- rechtiget ſind, ſo heftig wider eine Satyre zu ei- fern, und daß ſie ſich heßlich betriegen, wenn ſie meynen, eine Satyre laufe wider die Regeln der Hoͤflichkeit, Sanftmuth und Weisheit, und ein Spoͤtter ſey ein boshafter Menſch, ein Thor, und ich weiß nicht was. Jch habe ge- wieſen, daß die ſatyriſche Schreib-Art hoͤflicher und beſcheidener iſt, als eine andere; ich habe ge- wieſen, das es Faͤlle gebe, da dieſelbe unumgaͤng- lich noͤthig iſt; ich glaube alſo nicht, daß man ferner diejenigen, die ſich derſelben bedienen, vor Leute von boͤſem Gemuͤth halten wird, wenn man nur die Unſchuld ihrer Abſicht, welche auf nichts, als die Beſſerung der Thoren gehet, in Betracht ziehen will. Die Schriften dieſer Leute fuͤhren eine den Thoren ſehr heilſame Artzeney bey ſich, an welcher ſonſt nichts aus- zuſetzen iſt, als daß ſie den gemeinen Fehler aller Artzeneyen an ſich hat, und nicht allemal die gewuͤnſchte Wuͤrckung thut. Denn da ſie aus nichts als Wahrheit, die ungemein bitter
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(o)
abſterben und klug werden. Dieſes nennet
der Heil. Auguſtinus mori vitaliter. Confeſſ.
Lib. VIII. cap. 8. Ob demnach gleich die
Satyren eine Art der Strafe in der Gelehr-
ten Republick und ein toͤdliches Gift ſind, ſo
bleiben ſie, dem ungeachtet, doch eine Artzeney,
und ich darf meine Verſe aus dem Lucretius
nicht wieder ausſtreichen.
Jch kehre demnach wieder zu meinem Zweck,
und ſage, daß die ernſthaften und murriſchen
Feinde einer ſatyriſchen Schreib-Art nicht be-
rechtiget ſind, ſo heftig wider eine Satyre zu ei-
fern, und daß ſie ſich heßlich betriegen, wenn ſie
meynen, eine Satyre laufe wider die Regeln
der Hoͤflichkeit, Sanftmuth und Weisheit,
und ein Spoͤtter ſey ein boshafter Menſch, ein
Thor, und ich weiß nicht was. Jch habe ge-
wieſen, daß die ſatyriſche Schreib-Art hoͤflicher
und beſcheidener iſt, als eine andere; ich habe ge-
wieſen, das es Faͤlle gebe, da dieſelbe unumgaͤng-
lich noͤthig iſt; ich glaube alſo nicht, daß man
ferner diejenigen, die ſich derſelben bedienen, vor
Leute von boͤſem Gemuͤth halten wird, wenn
man nur die Unſchuld ihrer Abſicht, welche auf
nichts, als die Beſſerung der Thoren gehet, in
Betracht ziehen will. Die Schriften dieſer
Leute fuͤhren eine den Thoren ſehr heilſame
Artzeney bey ſich, an welcher ſonſt nichts aus-
zuſetzen iſt, als daß ſie den gemeinen Fehler aller
Artzeneyen an ſich hat, und nicht allemal die
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/376>, abgerufen am 22.11.2024.
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