ist, und aus wohlgemeynten Erinnerungen, die allemal wiederlich sind, zusammen gesetzet wird, so sperren sich die Thoren, denen Wahrheit und gute Lehren gleich verhasst sind, so oft sie davon einnehmen sollen, und wenn sie ihnen denn durch List oder Gewalt beygebracht wird, so machen sie es, wie die ungezogenen Kinder. Sie klagen, daß sie gar zu bitter schmecke, sie ziehen das Maul, schütteln den Kopf, heulen, schreyen, ärgern sich, stampfen den Boden, gebärden sich übel und geben sie endlich wieder von sich. Es ist also kein Wunder, wenn sie nicht allemal an- schläget, und es liegt die Schuld nicht an der Artzeney, sondern an dem übeln Bezeigen der Patienten. Könnten diese sich entschliessen, die Artzeney bey sich zu behalten, so würden sie den Nutzen derselben spüren, und es ihrem Artzte Zeit ihres Lebens dancken, daß er sie ihnen ver- ordnet.
Es ist zu beklagen, daß die wenigsten mora-Aber doch bey eini- gen. lischen Patienten zu diesem Entschluß zu brin- gen sind. Die meisten bösen Scribenten wi- dersetzen sich mit aller Macht der guten Wür- ckung, so eine moralische Artzeney, die man ihnen in einer Satyre beybringet, in ihrem krancken Verstande haben könnte, und scheuen die Genesung. Dieses kan aber den Satyren nicht zum Vorwurf gereichen. Sie sind darum eben so wenig verwerflich, als die Pre- digten, welche die meisten anhören und sich doch nicht bessern. Genug, daß es noch im- mer einige gute Gemüther unter den bösen
Scri-
(o)
iſt, und aus wohlgemeynten Erinnerungen, die allemal wiederlich ſind, zuſammen geſetzet wiꝛd, ſo ſperren ſich die Thoren, denen Wahrheit und gute Lehren gleich verhaſſt ſind, ſo oft ſie davon einnehmen ſollen, und wenn ſie ihnen denn durch Liſt oder Gewalt beygebracht wird, ſo machen ſie es, wie die ungezogenen Kinder. Sie klagen, daß ſie gar zu bitter ſchmecke, ſie ziehen das Maul, ſchuͤtteln den Kopf, heulen, ſchreyen, aͤrgern ſich, ſtampfen den Boden, gebaͤrden ſich uͤbel und geben ſie endlich wieder von ſich. Es iſt alſo kein Wunder, wenn ſie nicht allemal an- ſchlaͤget, und es liegt die Schuld nicht an der Artzeney, ſondern an dem uͤbeln Bezeigen der Patienten. Koͤnnten dieſe ſich entſchlieſſen, die Artzeney bey ſich zu behalten, ſo wuͤrden ſie den Nutzen derſelben ſpuͤren, und es ihrem Artzte Zeit ihres Lebens dancken, daß er ſie ihnen ver- ordnet.
Es iſt zu beklagen, daß die wenigſten mora-Aber doch bey eini- gen. liſchen Patienten zu dieſem Entſchluß zu brin- gen ſind. Die meiſten boͤſen Scribenten wi- derſetzen ſich mit aller Macht der guten Wuͤr- ckung, ſo eine moraliſche Artzeney, die man ihnen in einer Satyre beybringet, in ihrem krancken Verſtande haben koͤnnte, und ſcheuen die Geneſung. Dieſes kan aber den Satyren nicht zum Vorwurf gereichen. Sie ſind darum eben ſo wenig verwerflich, als die Pre- digten, welche die meiſten anhoͤren und ſich doch nicht beſſern. Genug, daß es noch im- mer einige gute Gemuͤther unter den boͤſen
Scri-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0377"n="285"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
iſt, und aus wohlgemeynten Erinnerungen, die<lb/>
allemal wiederlich ſind, zuſammen geſetzet wiꝛd,<lb/>ſo ſperren ſich die Thoren, denen Wahrheit und<lb/>
gute Lehren gleich verhaſſt ſind, ſo oft ſie davon<lb/>
einnehmen ſollen, und wenn ſie ihnen denn<lb/>
durch Liſt oder Gewalt beygebracht wird, ſo<lb/>
machen ſie es, wie die ungezogenen Kinder. Sie<lb/>
klagen, daß ſie gar zu bitter ſchmecke, ſie ziehen<lb/>
das Maul, ſchuͤtteln den Kopf, heulen, ſchreyen,<lb/>
aͤrgern ſich, ſtampfen den Boden, gebaͤrden ſich<lb/>
uͤbel und geben ſie endlich wieder von ſich. Es<lb/>
iſt alſo kein Wunder, wenn ſie nicht allemal an-<lb/>ſchlaͤget, und es liegt die Schuld nicht an der<lb/>
Artzeney, ſondern an dem uͤbeln Bezeigen der<lb/>
Patienten. Koͤnnten dieſe ſich entſchlieſſen, die<lb/>
Artzeney bey ſich zu behalten, ſo wuͤrden ſie den<lb/>
Nutzen derſelben ſpuͤren, und es ihrem Artzte<lb/>
Zeit ihres Lebens dancken, daß er ſie ihnen ver-<lb/>
ordnet.</p><lb/><p>Es iſt zu beklagen, daß die wenigſten mora-<noteplace="right">Aber doch<lb/>
bey eini-<lb/>
gen.</note><lb/>
liſchen Patienten zu dieſem Entſchluß zu brin-<lb/>
gen ſind. Die meiſten boͤſen Scribenten wi-<lb/>
derſetzen ſich mit aller Macht der guten Wuͤr-<lb/>
ckung, ſo eine moraliſche Artzeney, die man<lb/>
ihnen in einer Satyre beybringet, in ihrem<lb/>
krancken Verſtande haben koͤnnte, und ſcheuen<lb/>
die Geneſung. Dieſes kan aber den Satyren<lb/>
nicht zum Vorwurf gereichen. Sie ſind<lb/>
darum eben ſo wenig verwerflich, als die Pre-<lb/>
digten, welche die meiſten anhoͤren und ſich<lb/>
doch nicht beſſern. Genug, daß es noch im-<lb/>
mer einige gute Gemuͤther unter den boͤſen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Scri-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[285/0377]
(o)
iſt, und aus wohlgemeynten Erinnerungen, die
allemal wiederlich ſind, zuſammen geſetzet wiꝛd,
ſo ſperren ſich die Thoren, denen Wahrheit und
gute Lehren gleich verhaſſt ſind, ſo oft ſie davon
einnehmen ſollen, und wenn ſie ihnen denn
durch Liſt oder Gewalt beygebracht wird, ſo
machen ſie es, wie die ungezogenen Kinder. Sie
klagen, daß ſie gar zu bitter ſchmecke, ſie ziehen
das Maul, ſchuͤtteln den Kopf, heulen, ſchreyen,
aͤrgern ſich, ſtampfen den Boden, gebaͤrden ſich
uͤbel und geben ſie endlich wieder von ſich. Es
iſt alſo kein Wunder, wenn ſie nicht allemal an-
ſchlaͤget, und es liegt die Schuld nicht an der
Artzeney, ſondern an dem uͤbeln Bezeigen der
Patienten. Koͤnnten dieſe ſich entſchlieſſen, die
Artzeney bey ſich zu behalten, ſo wuͤrden ſie den
Nutzen derſelben ſpuͤren, und es ihrem Artzte
Zeit ihres Lebens dancken, daß er ſie ihnen ver-
ordnet.
Es iſt zu beklagen, daß die wenigſten mora-
liſchen Patienten zu dieſem Entſchluß zu brin-
gen ſind. Die meiſten boͤſen Scribenten wi-
derſetzen ſich mit aller Macht der guten Wuͤr-
ckung, ſo eine moraliſche Artzeney, die man
ihnen in einer Satyre beybringet, in ihrem
krancken Verſtande haben koͤnnte, und ſcheuen
die Geneſung. Dieſes kan aber den Satyren
nicht zum Vorwurf gereichen. Sie ſind
darum eben ſo wenig verwerflich, als die Pre-
digten, welche die meiſten anhoͤren und ſich
doch nicht beſſern. Genug, daß es noch im-
mer einige gute Gemuͤther unter den boͤſen
Scri-
Aber doch
bey eini-
gen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/377>, abgerufen am 01.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.