Prahlerey beylegen könnte. Gründlich und vernünftig muß ein jeder schreiben. Wer es thut, der thut, was er zu thun schuldig, und ist ein unnützer Knecht. Wer demnach schrei- bet, der muß voraus setzen, daß er im Stande sey, gründlich und vernünftig zu schreiben. Hat er andere Gedancken von sich, so muß er gar nicht schreiben. So bald also einer die Feder ergreift, so giebt er stillschweigend zu ver- stehen, daß er sich einbilde, er schreibe gründ- lich und vernünftig. Er kan dieses auch, wenn er will, laut sagen, und prahlt nicht, so lange er seiner Schreib-Art nicht Vortreflichkeiten und Eigenschaften beyleget, die das übersteigen, was man insgemein gründlich und vernünf- tig nennet. Wer dieses letzte thut, giebt ei- nen übeln Begrif von seinem Verstande. Elende Scribenten bilden sich ein, daß sie na- türlich, männlich und heroisch schreiben; ver- nünftige Leute hergegen glauben nur, daß sie vernünftig schreiben. Un esprit mediocre croit ecrire divinement, un bon esprit croit ecrire raisonnablement. La Bruyere dans ses Caracteres Chap. des Ouvrages d' e- sprit. Was ich hier schreibe hat der Hr. Prof. Philippi lange gewust, und sieht also den Un- terscheid zwischen den Titel seiner sechs deut- schen Reden, und dem Titel eines Buchs, von dem nurbloß gesagt wird, daß es vernünftig, gar zu tief ein, als daß man glauben könnte, er habe seine Vergehung auf eine so unzuläng- liche Art rechtfertigen wollen. Wie können
denn
(o)
Prahlerey beylegen koͤnnte. Gruͤndlich und vernuͤnftig muß ein jeder ſchreiben. Wer es thut, der thut, was er zu thun ſchuldig, und iſt ein unnuͤtzer Knecht. Wer demnach ſchrei- bet, der muß voraus ſetzen, daß er im Stande ſey, gruͤndlich und vernuͤnftig zu ſchreiben. Hat er andere Gedancken von ſich, ſo muß er gar nicht ſchreiben. So bald alſo einer die Feder ergreift, ſo giebt er ſtillſchweigend zu ver- ſtehen, daß er ſich einbilde, er ſchreibe gruͤnd- lich und vernuͤnftig. Er kan dieſes auch, wenn er will, laut ſagen, und prahlt nicht, ſo lange er ſeiner Schreib-Art nicht Vortreflichkeiten und Eigenſchaften beyleget, die das uͤberſteigen, was man insgemein gruͤndlich und vernuͤnf- tig nennet. Wer dieſes letzte thut, giebt ei- nen uͤbeln Begrif von ſeinem Verſtande. Elende Scribenten bilden ſich ein, daß ſie na- tuͤrlich, maͤnnlich und heroiſch ſchreiben; ver- nuͤnftige Leute hergegen glauben nur, daß ſie vernuͤnftig ſchreiben. Un eſprit mediocre croit écrire divinement, un bon eſprit croit écrire raiſonnablement. La Bruyere dans ſes Caracteres Chap. des Ouvrages d’ e- ſprit. Was ich hier ſchreibe hat der Hr. Prof. Philippi lange gewuſt, und ſieht alſo den Un- terſcheid zwiſchen den Titel ſeiner ſechs deut- ſchen Reden, und dem Titel eines Buchs, von dem nurbloß geſagt wird, daß es vernuͤnftig, gar zu tief ein, als daß man glauben koͤnnte, er habe ſeine Vergehung auf eine ſo unzulaͤng- liche Art rechtfertigen wollen. Wie koͤnnen
denn
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(o)
Prahlerey beylegen koͤnnte. Gruͤndlich und
vernuͤnftig muß ein jeder ſchreiben. Wer es
thut, der thut, was er zu thun ſchuldig, und
iſt ein unnuͤtzer Knecht. Wer demnach ſchrei-
bet, der muß voraus ſetzen, daß er im Stande
ſey, gruͤndlich und vernuͤnftig zu ſchreiben.
Hat er andere Gedancken von ſich, ſo muß er
gar nicht ſchreiben. So bald alſo einer die
Feder ergreift, ſo giebt er ſtillſchweigend zu ver-
ſtehen, daß er ſich einbilde, er ſchreibe gruͤnd-
lich und vernuͤnftig. Er kan dieſes auch, wenn
er will, laut ſagen, und prahlt nicht, ſo lange
er ſeiner Schreib-Art nicht Vortreflichkeiten
und Eigenſchaften beyleget, die das uͤberſteigen,
was man insgemein gruͤndlich und vernuͤnf-
tig nennet. Wer dieſes letzte thut, giebt ei-
nen uͤbeln Begrif von ſeinem Verſtande.
Elende Scribenten bilden ſich ein, daß ſie na-
tuͤrlich, maͤnnlich und heroiſch ſchreiben; ver-
nuͤnftige Leute hergegen glauben nur, daß ſie
vernuͤnftig ſchreiben. Un eſprit mediocre
croit écrire divinement, un bon eſprit
croit écrire raiſonnablement. La Bruyere
dans ſes Caracteres Chap. des Ouvrages d’ e-
ſprit. Was ich hier ſchreibe hat der Hr. Prof.
Philippi lange gewuſt, und ſieht alſo den Un-
terſcheid zwiſchen den Titel ſeiner ſechs deut-
ſchen Reden, und dem Titel eines Buchs, von
dem nurbloß geſagt wird, daß es vernuͤnftig,
gar zu tief ein, als daß man glauben koͤnnte,
er habe ſeine Vergehung auf eine ſo unzulaͤng-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/395>, abgerufen am 21.11.2024.
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