O! was wolte ich darum geben, daß der Herr von Boxhorn gegenwärtig wäre, und sich selbst gegen dich rechtfertigen könnte! Aber da dieses nun nicht seyn kan, so erfordert meine Pflicht, einen abwesenden Bruder zu vertreten. Wir haben ihn in wichtigen Angelegenheiten verschicket, und es wäre unbillig, daß seine Abwesenheit ihm zur Last gereichen solte. Er- laube mir demnach, grosser Mann, daß ich dir einen Jrrthum benehme, der dich zu Thaten verleiten könn- te, deren Folgen dir und unserer Gesellschaft gleich nachtheilig seyn würden.
Du bildest dir ein, theurer Philippi, der von Box- horn habe die strafbare Absicht gehabt, deiner zu spot- ten, und desfals seinen Nahmen verschwiegen. Aber ist es möglich, daß du dieses im Ernst glaubest? Jch solte es nimmer dencken. Denn bist du wohljemah- len mehr gelobet worden, als in der Rede, welche der von Boxhorn in unserer Gesellschaft, dir zu Ehren, ge- halten? Jch glaube wohl, demüthiger Philippi, daß die Lob-Sprüche, welche er dir beygeleget, deine Bescheidenheit verletzet haben: und es stehet dir wohl an, und macht dich um so viel grösser, daß du dich derselben unwürdig schätzest, und sie von dir ableh- nest. Nur möchte ich wünschen, daß du dieses letz- te mit wenigerm Ungestüm, und mehrerer Höf- lichkeit gethan hättest..
Jch sage dieses nicht in der Absicht, dich zu mei- stern, grosser Mann: Denn wer bin ich, daß ich mich dieses unterstehen solte? Jch vor meine Person, erkenne aus deinem sonderbaren Verfahren die Ueberschwenglichkeit deiner Demuth: Aber ich fürchte, unsere Feinde werden dasselbe mit andern Au-
gen
(o)
O! was wolte ich darum geben, daß der Herr von Boxhorn gegenwaͤrtig waͤre, und ſich ſelbſt gegen dich rechtfertigen koͤnnte! Aber da dieſes nun nicht ſeyn kan, ſo erfordert meine Pflicht, einen abweſenden Bruder zu vertreten. Wir haben ihn in wichtigen Angelegenheiten verſchicket, und es waͤre unbillig, daß ſeine Abweſenheit ihm zur Laſt gereichen ſolte. Er- laube mir demnach, groſſer Mann, daß ich dir einen Jrrthum benehme, der dich zu Thaten verleiten koͤnn- te, deren Folgen dir und unſerer Geſellſchaft gleich nachtheilig ſeyn wuͤrden.
Du bildeſt dir ein, theurer Philippi, der von Box- horn habe die ſtrafbare Abſicht gehabt, deiner zu ſpot- ten, und desfals ſeinen Nahmen verſchwiegen. Aber iſt es moͤglich, daß du dieſes im Ernſt glaubeſt? Jch ſolte es nimmer dencken. Denn biſt du wohljemah- len mehr gelobet worden, als in der Rede, welche der von Boxhorn in unſerer Geſellſchaft, dir zu Ehren, ge- halten? Jch glaube wohl, demuͤthiger Philippi, daß die Lob-Spruͤche, welche er dir beygeleget, deine Beſcheidenheit verletzet haben: und es ſtehet dir wohl an, und macht dich um ſo viel groͤſſer, daß du dich derſelben unwuͤrdig ſchaͤtzeſt, und ſie von dir ableh- neſt. Nur moͤchte ich wuͤnſchen, daß du dieſes letz- te mit wenigerm Ungeſtuͤm, und mehrerer Hoͤf- lichkeit gethan haͤtteſt..
Jch ſage dieſes nicht in der Abſicht, dich zu mei- ſtern, groſſer Mann: Denn wer bin ich, daß ich mich dieſes unterſtehen ſolte? Jch vor meine Perſon, erkenne aus deinem ſonderbaren Verfahren die Ueberſchwenglichkeit deiner Demuth: Aber ich fuͤrchte, unſere Feinde werden daſſelbe mit andern Au-
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O! was wolte ich darum geben, daß der Herr von
Boxhorn gegenwaͤrtig waͤre, und ſich ſelbſt gegen dich
rechtfertigen koͤnnte! Aber da dieſes nun nicht ſeyn
kan, ſo erfordert meine Pflicht, einen abweſenden
Bruder zu vertreten. Wir haben ihn in wichtigen
Angelegenheiten verſchicket, und es waͤre unbillig,
daß ſeine Abweſenheit ihm zur Laſt gereichen ſolte. Er-
laube mir demnach, groſſer Mann, daß ich dir einen
Jrrthum benehme, der dich zu Thaten verleiten koͤnn-
te, deren Folgen dir und unſerer Geſellſchaft gleich
nachtheilig ſeyn wuͤrden.
Du bildeſt dir ein, theurer Philippi, der von Box-
horn habe die ſtrafbare Abſicht gehabt, deiner zu ſpot-
ten, und desfals ſeinen Nahmen verſchwiegen. Aber
iſt es moͤglich, daß du dieſes im Ernſt glaubeſt? Jch
ſolte es nimmer dencken. Denn biſt du wohljemah-
len mehr gelobet worden, als in der Rede, welche der
von Boxhorn in unſerer Geſellſchaft, dir zu Ehren, ge-
halten? Jch glaube wohl, demuͤthiger Philippi,
daß die Lob-Spruͤche, welche er dir beygeleget, deine
Beſcheidenheit verletzet haben: und es ſtehet dir wohl
an, und macht dich um ſo viel groͤſſer, daß du dich
derſelben unwuͤrdig ſchaͤtzeſt, und ſie von dir ableh-
neſt. Nur moͤchte ich wuͤnſchen, daß du dieſes letz-
te mit wenigerm Ungeſtuͤm, und mehrerer Hoͤf-
lichkeit gethan haͤtteſt..
Jch ſage dieſes nicht in der Abſicht, dich zu mei-
ſtern, groſſer Mann: Denn wer bin ich, daß ich
mich dieſes unterſtehen ſolte? Jch vor meine Perſon,
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/491>, abgerufen am 22.11.2024.
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