Clara ist ein junges Frauenzimmer, dem die Natur alles beygeleget, was gefallen und reitzen kan. Sie lebte in einer Stadt an der Pleis- se, die wegen ihrer Academie und Messe in und ausser Deutschland berühmt ist. Placidus, der Vater dieser Schönen, hatte allda der höchsten obrigkeitlichen Würde mit grossem Ruhme vor- gestanden und ihr ein ansehnliches Erbtheil hinter- lassen. So viel Vorzügen konnte es an einer Menge von Anbetern nicht wohl fehlen, und un- ter solchen befand sich auch Briontes der Jün- gere. Belebte Seelen sind zur Empfindlichkeit geneigt, und man begreifet ohne langes Nachden- cken die Wunden, die Flammen, die Sehnsucht, die Lüsternheit, das Lechzen, die Ohnmacht, die Bezauberung, oder wie man dasjenige nennen will, was ihn bey dem Anblick einer so ausbündi- gen Gestalt befallen. Er entdeckte den Verlust sei- ner Freyheit der Mariane, einer sinnreichen Dichterin, deren vertrauten Brief-Wechsel er be-
reits
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Jnhalt.
Clara iſt ein junges Frauenzimmer, dem die Natur alles beygeleget, was gefallen und reitzen kan. Sie lebte in einer Stadt an der Pleiſ- ſe, die wegen ihrer Academie und Meſſe in und auſſer Deutſchland beruͤhmt iſt. Placidus, der Vater dieſer Schoͤnen, hatte allda der hoͤchſten obrigkeitlichen Wuͤrde mit groſſem Ruhme vor- geſtanden und ihr ein anſehnliches Erbtheil hinter- laſſen. So viel Vorzuͤgen konnte es an einer Menge von Anbetern nicht wohl fehlen, und un- ter ſolchen befand ſich auch Briontes der Juͤn- gere. Belebte Seelen ſind zur Empfindlichkeit geneigt, und man begreifet ohne langes Nachden- cken die Wunden, die Flammen, die Sehnſucht, die Luͤſternheit, das Lechzen, die Ohnmacht, die Bezauberung, oder wie man dasjenige nennen will, was ihn bey dem Anblick einer ſo ausbuͤndi- gen Geſtalt befallen. Er entdeckte den Verluſt ſei- ner Freyheit der Mariane, einer ſinnreichen Dichterin, deren vertrauten Brief-Wechſel er be-
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Jnhalt.
Clara iſt ein junges Frauenzimmer, dem die
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reitzen kan. Sie lebte in einer Stadt an der Pleiſ-
ſe, die wegen ihrer Academie und Meſſe in und
auſſer Deutſchland beruͤhmt iſt. Placidus, der
Vater dieſer Schoͤnen, hatte allda der hoͤchſten
obrigkeitlichen Wuͤrde mit groſſem Ruhme vor-
geſtanden und ihr ein anſehnliches Erbtheil hinter-
laſſen. So viel Vorzuͤgen konnte es an einer
Menge von Anbetern nicht wohl fehlen, und un-
ter ſolchen befand ſich auch Briontes der Juͤn-
gere. Belebte Seelen ſind zur Empfindlichkeit
geneigt, und man begreifet ohne langes Nachden-
cken die Wunden, die Flammen, die Sehnſucht,
die Luͤſternheit, das Lechzen, die Ohnmacht, die
Bezauberung, oder wie man dasjenige nennen
will, was ihn bey dem Anblick einer ſo ausbuͤndi-
gen Geſtalt befallen. Er entdeckte den Verluſt ſei-
ner Freyheit der Mariane, einer ſinnreichen
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. [425]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/517>, abgerufen am 22.11.2024.
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