che Erfahrung kan auch einen jeden überführen, daß auch die wichtigsten Geschäfte in der menschli- chen Gesellschaft, ohne Vernunft verrichtet wer- den können. Salomon sagt (9); daß der Unver- stand unter den Gewaltigen sehr gemein sey, und von ihren vornehmsten Bedienten spricht ein heid- nischer Poet:
"Rarus ... ferme sensus communis in illa "Fortuna . . . . . . . . . . (10).
Diese Regel hat unstreitig ihre Ausnahme: Aber so viel ist doch gewiß, daß nicht allemahl die klüg- sten am Ruder sitzen. Wir sind so gut, und glauben es. Jhre Gewalt, die äusserliche Pracht, und die ernsthaften und gravitätischen Gebärden, wodurch sie sich ein Ansehen machen, pregen uns eine besondere Ehrerbietung ein, und verführen uns, sie vor weise zu halten, weil sie groß sind; Solten wir aber diese Herren genauer kennen, so würden wir inne werden, daß ihre Klugheit an dem glück- lichen Ausgang ihrer friedlichen und kriegerischen Verrichtungen den geringsten Antheil habe, und derselbe guten theils dem Glücke zuzuschreiben sey. Es gereichet dieses den Grossen dieser Welt so we- nig zur Schande, daß man vielmehr daraus ihr Vertrauen auf GOtt abnehmen, und es als den einzigen Beweiß ihres Christenthums ansehen kan.
Können nun die Regenten, in Krieg- und Frie-
dens-
(9)ibid. Cap. X. 5.
(10)Juvenalis Sat. VIII.
(o)
che Erfahrung kan auch einen jeden uͤberfuͤhren, daß auch die wichtigſten Geſchaͤfte in der menſchli- chen Geſellſchaft, ohne Vernunft verrichtet wer- den koͤnnen. Salomon ſagt (9); daß der Unver- ſtand unter den Gewaltigen ſehr gemein ſey, und von ihren vornehmſten Bedienten ſpricht ein heid- niſcher Poet:
„Rarus ... ferme ſenſus communis in illa „Fortuna . . . . . . . . . . (10).
Dieſe Regel hat unſtreitig ihre Ausnahme: Aber ſo viel iſt doch gewiß, daß nicht allemahl die kluͤg- ſten am Ruder ſitzen. Wir ſind ſo gut, und glauben es. Jhre Gewalt, die aͤuſſerliche Pracht, und die ernſthaften und gravitaͤtiſchen Gebaͤrden, wodurch ſie ſich ein Anſehen machen, pregen uns eine beſondere Ehrerbietung ein, und verfuͤhren uns, ſie vor weiſe zu halten, weil ſie groß ſind; Solten wir aber dieſe Herren genauer kennen, ſo wuͤrden wir inne werden, daß ihre Klugheit an dem gluͤck- lichen Ausgang ihrer friedlichen und kriegeriſchen Verrichtungen den geringſten Antheil habe, und derſelbe guten theils dem Gluͤcke zuzuſchreiben ſey. Es gereichet dieſes den Groſſen dieſer Welt ſo we- nig zur Schande, daß man vielmehr daraus ihr Vertrauen auf GOtt abnehmen, und es als den einzigen Beweiß ihres Chriſtenthums anſehen kan.
Koͤnnen nun die Regenten, in Krieg- und Frie-
dens-
(9)ibid. Cap. X. 5.
(10)Juvenalis Sat. VIII.
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(o)
che Erfahrung kan auch einen jeden uͤberfuͤhren,
daß auch die wichtigſten Geſchaͤfte in der menſchli-
chen Geſellſchaft, ohne Vernunft verrichtet wer-
den koͤnnen. Salomon ſagt (9); daß der Unver-
ſtand unter den Gewaltigen ſehr gemein ſey, und
von ihren vornehmſten Bedienten ſpricht ein heid-
niſcher Poet:
„Rarus ... ferme ſenſus communis in
illa
„Fortuna . . . . . . . . . .
(10).
Dieſe Regel hat unſtreitig ihre Ausnahme: Aber
ſo viel iſt doch gewiß, daß nicht allemahl die kluͤg-
ſten am Ruder ſitzen. Wir ſind ſo gut, und
glauben es. Jhre Gewalt, die aͤuſſerliche Pracht,
und die ernſthaften und gravitaͤtiſchen Gebaͤrden,
wodurch ſie ſich ein Anſehen machen, pregen uns
eine beſondere Ehrerbietung ein, und verfuͤhren
uns, ſie vor weiſe zu halten, weil ſie groß ſind; Solten
wir aber dieſe Herren genauer kennen, ſo wuͤrden
wir inne werden, daß ihre Klugheit an dem gluͤck-
lichen Ausgang ihrer friedlichen und kriegeriſchen
Verrichtungen den geringſten Antheil habe, und
derſelbe guten theils dem Gluͤcke zuzuſchreiben ſey.
Es gereichet dieſes den Groſſen dieſer Welt ſo we-
nig zur Schande, daß man vielmehr daraus ihr
Vertrauen auf GOtt abnehmen, und es als den
einzigen Beweiß ihres Chriſtenthums anſehen kan.
Koͤnnen nun die Regenten, in Krieg- und Frie-
dens-
(9) ibid. Cap. X. 5.
(10) Juvenalis Sat. VIII.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/580>, abgerufen am 01.11.2024.
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