dens-Zeiten, ihr Amt ohne Vernunft, mit Ruhm, führen, so können es die Gottes-Gelehrten noch weit füglicher thun; weil sie berufen sind, die Welt durch thörigte Predigten seelig zu machen. Sie haben mit Geheimnissen zu thun, darinn sich die Vernunft nicht mischen muß, und predigen einen Glauben, dem dieselbe, ohne Ausnahme, zu ge- horchen verbunden ist. Die Rechts-Gelehrte und Advocaten gründen sich auf willkührliche Gesetze, und einen höchstunvernünftigen Schlendrian: Sie brau- chen also der Vernunft so wenig, als die Aertzte, die es in ihrer Kunst gemeiniglich auf eine zweifel- hafte Erfahrung, und auf ein ungewisses Glück ankommen lassen, Urin besehen, Recepte verschrei- ben, und zu frieden sind, wenn sie ihre Patienten, canonicamente, e con tutti gli ordini(11) zur Ruhe bringen. Die Welt-Weisen scheinen der Vernunft mehr benöthiget zu seyn: Allein sie ha- ben sich, ohne Nachtheil ihrer Ehre, derselben doch allemahl wenig bedienet. Cicero sagte schon zu sei- ner Zeit, es sey keine Thorheit zu erdencken, die nicht einer von denen Welt-Weisen behauptet ha- be (12): und heutiges Tages, da wir so schöne Compendia Philosophiae haben, müste einer ein Narre seyn, wenn er ohne Noth seine Vernunft abnutzen wolte. Hat er nur so viel Gedächtniß, daß er eines dieser heilsamen Bücher auswendig
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(11)Aristippe de Msr. de Balzac p. 96.
(12)Cicero de Droinat lib. II. nescio quomodo nihil tam absurde dici potest, quod non dicatur ab ali- quo Philosophorune.
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dens-Zeiten, ihr Amt ohne Vernunft, mit Ruhm, fuͤhren, ſo koͤnnen es die Gottes-Gelehrten noch weit fuͤglicher thun; weil ſie berufen ſind, die Welt durch thoͤrigte Predigten ſeelig zu machen. Sie haben mit Geheimniſſen zu thun, darinn ſich die Vernunft nicht miſchen muß, und predigen einen Glauben, dem dieſelbe, ohne Ausnahme, zu ge- horchen verbunden iſt. Die Rechts-Gelehrte und Advocaten gruͤnden ſich auf willkuͤhrliche Geſetze, und einen hoͤchſtunvernuͤnftigen Schlendrian: Sie brau- chen alſo der Vernunft ſo wenig, als die Aertzte, die es in ihrer Kunſt gemeiniglich auf eine zweifel- hafte Erfahrung, und auf ein ungewiſſes Gluͤck ankommen laſſen, Urin beſehen, Recepte verſchrei- ben, und zu frieden ſind, wenn ſie ihre Patienten, canonicamente, e con tutti gli ordini(11) zur Ruhe bringen. Die Welt-Weiſen ſcheinen der Vernunft mehr benoͤthiget zu ſeyn: Allein ſie ha- ben ſich, ohne Nachtheil ihrer Ehre, derſelben doch allemahl wenig bedienet. Cicero ſagte ſchon zu ſei- ner Zeit, es ſey keine Thorheit zu erdencken, die nicht einer von denen Welt-Weiſen behauptet ha- be (12): und heutiges Tages, da wir ſo ſchoͤne Compendia Philoſophiæ haben, muͤſte einer ein Narre ſeyn, wenn er ohne Noth ſeine Vernunft abnutzen wolte. Hat er nur ſo viel Gedaͤchtniß, daß er eines dieſer heilſamen Buͤcher auswendig
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(11)Ariſtippe de Mſr. de Balzac p. 96.
(12)Cicero de Droinat lib. II. neſcio quomodo nihil tam abſurde dici poteſt, quod non dicatur ab ali- quo Philoſophorune.
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dens-Zeiten, ihr Amt ohne Vernunft, mit Ruhm,
fuͤhren, ſo koͤnnen es die Gottes-Gelehrten noch
weit fuͤglicher thun; weil ſie berufen ſind, die Welt
durch thoͤrigte Predigten ſeelig zu machen. Sie
haben mit Geheimniſſen zu thun, darinn ſich die
Vernunft nicht miſchen muß, und predigen einen
Glauben, dem dieſelbe, ohne Ausnahme, zu ge-
horchen verbunden iſt. Die Rechts-Gelehrte und
Advocaten gruͤnden ſich auf willkuͤhrliche Geſetze, und
einen hoͤchſtunvernuͤnftigen Schlendrian: Sie brau-
chen alſo der Vernunft ſo wenig, als die Aertzte,
die es in ihrer Kunſt gemeiniglich auf eine zweifel-
hafte Erfahrung, und auf ein ungewiſſes Gluͤck
ankommen laſſen, Urin beſehen, Recepte verſchrei-
ben, und zu frieden ſind, wenn ſie ihre Patienten,
canonicamente, e con tutti gli ordini (11) zur
Ruhe bringen. Die Welt-Weiſen ſcheinen der
Vernunft mehr benoͤthiget zu ſeyn: Allein ſie ha-
ben ſich, ohne Nachtheil ihrer Ehre, derſelben doch
allemahl wenig bedienet. Cicero ſagte ſchon zu ſei-
ner Zeit, es ſey keine Thorheit zu erdencken, die
nicht einer von denen Welt-Weiſen behauptet ha-
be (12): und heutiges Tages, da wir ſo ſchoͤne
Compendia Philoſophiæ haben, muͤſte einer ein
Narre ſeyn, wenn er ohne Noth ſeine Vernunft
abnutzen wolte. Hat er nur ſo viel Gedaͤchtniß,
daß er eines dieſer heilſamen Buͤcher auswendig
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(11) Ariſtippe de Mſr. de Balzac p. 96.
(12) Cicero de Droinat lib. II. neſcio quomodo nihil
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/581>, abgerufen am 22.11.2024.
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