lernen kan, und Mauls genug, wieder her zu be- ten, was er gelernet hat, so ist er geborgen.
Da man nun ohne Vernunft gantze Völcker regieren, Länder erobern, Schlachten gewinnen, Seelen bekehren, Rechts-Händel entscheiden, Pil- len drechseln, Recepte verschreiben, und ein Welt- Weiser seyn kan, so möchte ich wohl wissen, war- um es dann nicht erlaubt seyn solte, ohne Ver- nunft ein Buch zu schreiben? Es wäre viel, wenn die Vernunft zu einer Sache von so weniger Wich- tigkeit unentbehrlich seyn solte, da man doch ohne dieselbe die grösten Thaten verrichten kan. Jch glau- be es nicht, und halte es vor eine Himmel-schreyen- de Unbilligkeit, daß man uns elenden Scribenten eine Last auflegen will, die niemand mit einem Fin- ger anzurühren Lust hat.
Wenn unsere Feinde es redlich mit der Ver- nunft meinten, so würden sie, ohne Unterscheid, wider alle diejenigen eyfern, welche sich durch ihre Thaten, als Verächter derselben bezeigen, und nicht bloß uns arme Leute aus der unzähligen Men- ge dieser Verächter auskippen, um an uns ihren Eyfer auszulassen. Allein so hat alle Welt die Frey- heit, die Vernunft so geringe zu achten, als es ihr beliebt; nur uns will man es nicht vergönnen. Un- vernünftige Thaten lässet man ungeahndet hinge- hen; Aber eine unvernünftige Schrift zu machen, ist eine unvergebliche Missethat. Auf eine solche Schrift sind alle Pfeile der guten Scribenten ge- richtet, die sich doch sonst, wie die Erfahrung leh- ret, eben kein Gewissen machen, die Vernunft, vor deren Ehre sie eyfern, in ihrem Leben und Wan-
del
(o)
lernen kan, und Mauls genug, wieder her zu be- ten, was er gelernet hat, ſo iſt er geborgen.
Da man nun ohne Vernunft gantze Voͤlcker regieren, Laͤnder erobern, Schlachten gewinnen, Seelen bekehren, Rechts-Haͤndel entſcheiden, Pil- len drechſeln, Recepte verſchreiben, und ein Welt- Weiſer ſeyn kan, ſo moͤchte ich wohl wiſſen, war- um es dann nicht erlaubt ſeyn ſolte, ohne Ver- nunft ein Buch zu ſchreiben? Es waͤre viel, wenn die Vernunft zu einer Sache von ſo weniger Wich- tigkeit unentbehrlich ſeyn ſolte, da man doch ohne dieſelbe die groͤſten Thaten verrichten kan. Jch glau- be es nicht, und halte es vor eine Himmel-ſchreyen- de Unbilligkeit, daß man uns elenden Scribenten eine Laſt auflegen will, die niemand mit einem Fin- ger anzuruͤhren Luſt hat.
Wenn unſere Feinde es redlich mit der Ver- nunft meinten, ſo wuͤrden ſie, ohne Unterſcheid, wider alle diejenigen eyfern, welche ſich durch ihre Thaten, als Veraͤchter derſelben bezeigen, und nicht bloß uns arme Leute aus der unzaͤhligen Men- ge dieſer Veraͤchter auskippen, um an uns ihren Eyfer auszulaſſen. Allein ſo hat alle Welt die Frey- heit, die Vernunft ſo geringe zu achten, als es ihr beliebt; nur uns will man es nicht vergoͤnnen. Un- vernuͤnftige Thaten laͤſſet man ungeahndet hinge- hen; Aber eine unvernuͤnftige Schrift zu machen, iſt eine unvergebliche Miſſethat. Auf eine ſolche Schrift ſind alle Pfeile der guten Scribenten ge- richtet, die ſich doch ſonſt, wie die Erfahrung leh- ret, eben kein Gewiſſen machen, die Vernunft, vor deren Ehre ſie eyfern, in ihrem Leben und Wan-
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(o)
lernen kan, und Mauls genug, wieder her zu be-
ten, was er gelernet hat, ſo iſt er geborgen.
Da man nun ohne Vernunft gantze Voͤlcker
regieren, Laͤnder erobern, Schlachten gewinnen,
Seelen bekehren, Rechts-Haͤndel entſcheiden, Pil-
len drechſeln, Recepte verſchreiben, und ein Welt-
Weiſer ſeyn kan, ſo moͤchte ich wohl wiſſen, war-
um es dann nicht erlaubt ſeyn ſolte, ohne Ver-
nunft ein Buch zu ſchreiben? Es waͤre viel, wenn
die Vernunft zu einer Sache von ſo weniger Wich-
tigkeit unentbehrlich ſeyn ſolte, da man doch ohne
dieſelbe die groͤſten Thaten verrichten kan. Jch glau-
be es nicht, und halte es vor eine Himmel-ſchreyen-
de Unbilligkeit, daß man uns elenden Scribenten
eine Laſt auflegen will, die niemand mit einem Fin-
ger anzuruͤhren Luſt hat.
Wenn unſere Feinde es redlich mit der Ver-
nunft meinten, ſo wuͤrden ſie, ohne Unterſcheid,
wider alle diejenigen eyfern, welche ſich durch ihre
Thaten, als Veraͤchter derſelben bezeigen, und
nicht bloß uns arme Leute aus der unzaͤhligen Men-
ge dieſer Veraͤchter auskippen, um an uns ihren
Eyfer auszulaſſen. Allein ſo hat alle Welt die Frey-
heit, die Vernunft ſo geringe zu achten, als es ihr
beliebt; nur uns will man es nicht vergoͤnnen. Un-
vernuͤnftige Thaten laͤſſet man ungeahndet hinge-
hen; Aber eine unvernuͤnftige Schrift zu machen,
iſt eine unvergebliche Miſſethat. Auf eine ſolche
Schrift ſind alle Pfeile der guten Scribenten ge-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/582>, abgerufen am 01.11.2024.
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