lichen Verstandes anzustellen. Das feindseelige Gemüth, welches er bißhero gegen die Vernunft von sich hat blicken lassen, macht mich hofen, seine Absicht sey, dieselbe vom Leben zum Tode zu brin- gen. Jch wünsche, daß er bey seinem guten Vor- haben bleiben möge (*): Denn da eine Anatomie ohne Zerschneidung nicht geschehen kan, so muß die Vernunft nothwendig drauf gehen, und ihm unter den Händen sterben. Er wird also die Ehre ha- ben, daß er ein Ungeheur gedämpfet, welches bißhero so vielen Schaden gethan hat, und dieses wird ihm weit rühmlicher seyn, als wenn er, ich weiß nicht wie viele, Riesen erleget hätte. Er kan sich nicht bes- ser um das menschliche Geschlecht verdient ma- chen, als wenn er dasselbe zu demjenigen Grad der Vollkommenheit verhilft, welchen er, durch die Besiegung und Dämpfung seiner Vernunft, schon lange erreichet hat, und wir elende Scriben- ten insonderheit, werden ihn unendlich verbunden seyn. Denn uns geschicht, durch die Tödtung der Vernunft der gröste Gefallen; weil wir ihrent- wegen so viel leyden müssen. O! wie glücklich wären wir, und die gantze Welt, wenn dieses Un-
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(*) Dieser Wunsch ist nicht erfüllet worden. Aber was Philippi versprochen hat, das hat mein lieber Bruder, Joh. Ambrosius Hillige, Meister der freyen Künste und Pfarrer zu Zschaitz, in seiner Anatomie der Seelen mit solchen Nachdruck ins Werck gerichtet, daß, wer sein Büchlein lieset, nothwendig bekennen muß, die Vernunft habe an ihm ihren Mann gefunden, und sey nimmer so gemißhandelt worden.
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lichen Verſtandes anzuſtellen. Das feindſeelige Gemuͤth, welches er bißhero gegen die Vernunft von ſich hat blicken laſſen, macht mich hofen, ſeine Abſicht ſey, dieſelbe vom Leben zum Tode zu brin- gen. Jch wuͤnſche, daß er bey ſeinem guten Vor- haben bleiben moͤge (*): Denn da eine Anatomie ohne Zerſchneidung nicht geſchehen kan, ſo muß die Vernunft nothwendig drauf gehen, und ihm unter den Haͤnden ſterben. Er wird alſo die Ehre ha- ben, daß er ein Ungeheur gedaͤmpfet, welches bißhero ſo vielen Schaden gethan hat, und dieſes wird ihm weit ruͤhmlicher ſeyn, als wenn er, ich weiß nicht wie viele, Rieſen erleget haͤtte. Er kan ſich nicht beſ- ſer um das menſchliche Geſchlecht verdient ma- chen, als wenn er daſſelbe zu demjenigen Grad der Vollkommenheit verhilft, welchen er, durch die Beſiegung und Daͤmpfung ſeiner Vernunft, ſchon lange erreichet hat, und wir elende Scriben- ten inſonderheit, werden ihn unendlich verbunden ſeyn. Denn uns geſchicht, durch die Toͤdtung der Vernunft der groͤſte Gefallen; weil wir ihrent- wegen ſo viel leyden muͤſſen. O! wie gluͤcklich waͤren wir, und die gantze Welt, wenn dieſes Un-
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(*) Dieſer Wunſch iſt nicht erfuͤllet worden. Aber was Philippi verſprochen hat, das hat mein lieber Bruder, Joh. Ambroſius Hillige, Meiſter der freyen Kuͤnſte und Pfarrer zu Zſchaitz, in ſeiner Anatomie der Seelen mit ſolchen Nachdruck ins Werck gerichtet, daß, wer ſein Buͤchlein lieſet, nothwendig bekennen muß, die Vernunft habe an ihm ihren Mann gefunden, und ſey nimmer ſo gemißhandelt worden.
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lichen Verſtandes anzuſtellen. Das feindſeelige
Gemuͤth, welches er bißhero gegen die Vernunft
von ſich hat blicken laſſen, macht mich hofen, ſeine
Abſicht ſey, dieſelbe vom Leben zum Tode zu brin-
gen. Jch wuͤnſche, daß er bey ſeinem guten Vor-
haben bleiben moͤge (*): Denn da eine Anatomie
ohne Zerſchneidung nicht geſchehen kan, ſo muß die
Vernunft nothwendig drauf gehen, und ihm unter
den Haͤnden ſterben. Er wird alſo die Ehre ha-
ben, daß er ein Ungeheur gedaͤmpfet, welches bißhero
ſo vielen Schaden gethan hat, und dieſes wird ihm
weit ruͤhmlicher ſeyn, als wenn er, ich weiß nicht
wie viele, Rieſen erleget haͤtte. Er kan ſich nicht beſ-
ſer um das menſchliche Geſchlecht verdient ma-
chen, als wenn er daſſelbe zu demjenigen Grad
der Vollkommenheit verhilft, welchen er, durch
die Beſiegung und Daͤmpfung ſeiner Vernunft,
ſchon lange erreichet hat, und wir elende Scriben-
ten inſonderheit, werden ihn unendlich verbunden
ſeyn. Denn uns geſchicht, durch die Toͤdtung
der Vernunft der groͤſte Gefallen; weil wir ihrent-
wegen ſo viel leyden muͤſſen. O! wie gluͤcklich
waͤren wir, und die gantze Welt, wenn dieſes Un-
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(*) Dieſer Wunſch iſt nicht erfuͤllet worden. Aber was
Philippi verſprochen hat, das hat mein lieber
Bruder, Joh. Ambroſius Hillige, Meiſter der
freyen Kuͤnſte und Pfarrer zu Zſchaitz, in ſeiner
Anatomie der Seelen mit ſolchen Nachdruck ins
Werck gerichtet, daß, wer ſein Buͤchlein lieſet,
nothwendig bekennen muß, die Vernunft habe an
ihm ihren Mann gefunden, und ſey nimmer ſo
gemißhandelt worden.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/597>, abgerufen am 01.11.2024.
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