Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
entsetzet; weil sie übel regieret hat, und muß jetzo,
zur Strafe den Afecten gehorchen. So will es die
Natur haben. Was bemühen sich denn unsere
Feinde, die Vernunft, der Natur zum Trotz, wie-
der auf den Trohn zu setzen, von welchem sie, ih-
res übeln Verhaltens wegen, gestossen worden?
Jch versichere sie, ihre Bemühung ist vergebens,
und wenn sie die Vernunft selbst fragen, so wird sie
ihnen sagen, daß sie sich nach der verlohrnen Hoheit
nicht sehne, sondern mit ihrem jetzigen Zustande
wohl zu frieden sey, und das süsse Joch der Afecten
mit Lust trage. Denn die Vernunft siehet wohl,
daß sie zum Regiment nicht tauge. Sie weiß
wohl, daß, wie ich schon oben erwiesen habe, al-
les in der Welt umgekehret werden würde, wenn
sie die Oberhand bekommen solte. Und wenn sie
denn gleich dieses nicht erkennete, sondern die lächer-
liche Bemühung ihrer unbesonnenen Verehrer bil-
ligte: So bleibt es doch allemahl wahr, daß es
ein strafbarer Frevel sey, wenn man die Natur
meistert, die doch eine so weise und liebreiche Mutter
ist, und besser weiß, was zu unserm Frieden die-
net, als wir selbst.

Wenn demnach unsere Feinde, die guten Scri-
benten, nicht die eigensinnigsten und wunderlich-
sten Leute von der Welt wären, so würden sie uns
nimmer die kindliche Ehrerbietung, welche wir ge-
gen die Natur hegen, zur Sünde deuten, und mit
der grösten Unbescheidenheit von uns verlangen,
mit ihnen wider die Natur zu murren. Sind sie
denn just so gesinnet, als die bösen Geister, die sich
ein Vergnügen daraus machen, wenn sie die Men-

schen

(o)
entſetzet; weil ſie uͤbel regieret hat, und muß jetzo,
zur Strafe den Afecten gehorchen. So will es die
Natur haben. Was bemuͤhen ſich denn unſere
Feinde, die Vernunft, der Natur zum Trotz, wie-
der auf den Trohn zu ſetzen, von welchem ſie, ih-
res uͤbeln Verhaltens wegen, geſtoſſen worden?
Jch verſichere ſie, ihre Bemuͤhung iſt vergebens,
und wenn ſie die Vernunft ſelbſt fragen, ſo wird ſie
ihnen ſagen, daß ſie ſich nach der verlohrnen Hoheit
nicht ſehne, ſondern mit ihrem jetzigen Zuſtande
wohl zu frieden ſey, und das ſuͤſſe Joch der Afecten
mit Luſt trage. Denn die Vernunft ſiehet wohl,
daß ſie zum Regiment nicht tauge. Sie weiß
wohl, daß, wie ich ſchon oben erwieſen habe, al-
les in der Welt umgekehret werden wuͤrde, wenn
ſie die Oberhand bekommen ſolte. Und wenn ſie
denn gleich dieſes nicht erkennete, ſondern die laͤcher-
liche Bemuͤhung ihrer unbeſonnenen Verehrer bil-
ligte: So bleibt es doch allemahl wahr, daß es
ein ſtrafbarer Frevel ſey, wenn man die Natur
meiſtert, die doch eine ſo weiſe und liebreiche Mutter
iſt, und beſſer weiß, was zu unſerm Frieden die-
net, als wir ſelbſt.

Wenn demnach unſere Feinde, die guten Scri-
benten, nicht die eigenſinnigſten und wunderlich-
ſten Leute von der Welt waͤren, ſo wuͤrden ſie uns
nimmer die kindliche Ehrerbietung, welche wir ge-
gen die Natur hegen, zur Suͤnde deuten, und mit
der groͤſten Unbeſcheidenheit von uns verlangen,
mit ihnen wider die Natur zu murren. Sind ſie
denn juſt ſo geſinnet, als die boͤſen Geiſter, die ſich
ein Vergnuͤgen daraus machen, wenn ſie die Men-

ſchen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0600" n="508"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
ent&#x017F;etzet; weil &#x017F;ie u&#x0364;bel regieret hat, und muß jetzo,<lb/>
zur Strafe den Afecten gehorchen. So will es die<lb/>
Natur haben. Was bemu&#x0364;hen &#x017F;ich denn un&#x017F;ere<lb/>
Feinde, die Vernunft, der Natur zum Trotz, wie-<lb/>
der auf den Trohn zu &#x017F;etzen, von welchem &#x017F;ie, ih-<lb/>
res u&#x0364;beln Verhaltens wegen, ge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en worden?<lb/>
Jch ver&#x017F;ichere &#x017F;ie, ihre Bemu&#x0364;hung i&#x017F;t vergebens,<lb/>
und wenn &#x017F;ie die Vernunft &#x017F;elb&#x017F;t fragen, &#x017F;o wird &#x017F;ie<lb/>
ihnen &#x017F;agen, daß &#x017F;ie &#x017F;ich nach der verlohrnen Hoheit<lb/>
nicht &#x017F;ehne, &#x017F;ondern mit ihrem jetzigen Zu&#x017F;tande<lb/>
wohl zu frieden &#x017F;ey, und das &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Joch der Afecten<lb/>
mit Lu&#x017F;t trage. Denn die Vernunft &#x017F;iehet wohl,<lb/>
daß &#x017F;ie zum Regiment nicht tauge. Sie weiß<lb/>
wohl, daß, wie ich &#x017F;chon oben erwie&#x017F;en habe, al-<lb/>
les in der Welt umgekehret werden wu&#x0364;rde, wenn<lb/>
&#x017F;ie die Oberhand bekommen &#x017F;olte. Und wenn &#x017F;ie<lb/>
denn gleich die&#x017F;es nicht erkennete, &#x017F;ondern die la&#x0364;cher-<lb/>
liche Bemu&#x0364;hung ihrer unbe&#x017F;onnenen Verehrer bil-<lb/>
ligte: So bleibt es doch allemahl wahr, daß es<lb/>
ein &#x017F;trafbarer Frevel &#x017F;ey, wenn man die Natur<lb/>
mei&#x017F;tert, die doch eine &#x017F;o wei&#x017F;e und liebreiche Mutter<lb/>
i&#x017F;t, und be&#x017F;&#x017F;er weiß, was zu un&#x017F;erm Frieden die-<lb/>
net, als wir &#x017F;elb&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Wenn demnach un&#x017F;ere Feinde, die guten Scri-<lb/>
benten, nicht die eigen&#x017F;innig&#x017F;ten und wunderlich-<lb/>
&#x017F;ten Leute von der Welt wa&#x0364;ren, &#x017F;o wu&#x0364;rden &#x017F;ie uns<lb/>
nimmer die kindliche Ehrerbietung, welche wir ge-<lb/>
gen die Natur hegen, zur Su&#x0364;nde deuten, und mit<lb/>
der gro&#x0364;&#x017F;ten Unbe&#x017F;cheidenheit von uns verlangen,<lb/>
mit ihnen wider die Natur zu murren. Sind &#x017F;ie<lb/>
denn ju&#x017F;t &#x017F;o ge&#x017F;innet, als die bo&#x0364;&#x017F;en Gei&#x017F;ter, die &#x017F;ich<lb/>
ein Vergnu&#x0364;gen daraus machen, wenn &#x017F;ie die Men-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[508/0600] (o) entſetzet; weil ſie uͤbel regieret hat, und muß jetzo, zur Strafe den Afecten gehorchen. So will es die Natur haben. Was bemuͤhen ſich denn unſere Feinde, die Vernunft, der Natur zum Trotz, wie- der auf den Trohn zu ſetzen, von welchem ſie, ih- res uͤbeln Verhaltens wegen, geſtoſſen worden? Jch verſichere ſie, ihre Bemuͤhung iſt vergebens, und wenn ſie die Vernunft ſelbſt fragen, ſo wird ſie ihnen ſagen, daß ſie ſich nach der verlohrnen Hoheit nicht ſehne, ſondern mit ihrem jetzigen Zuſtande wohl zu frieden ſey, und das ſuͤſſe Joch der Afecten mit Luſt trage. Denn die Vernunft ſiehet wohl, daß ſie zum Regiment nicht tauge. Sie weiß wohl, daß, wie ich ſchon oben erwieſen habe, al- les in der Welt umgekehret werden wuͤrde, wenn ſie die Oberhand bekommen ſolte. Und wenn ſie denn gleich dieſes nicht erkennete, ſondern die laͤcher- liche Bemuͤhung ihrer unbeſonnenen Verehrer bil- ligte: So bleibt es doch allemahl wahr, daß es ein ſtrafbarer Frevel ſey, wenn man die Natur meiſtert, die doch eine ſo weiſe und liebreiche Mutter iſt, und beſſer weiß, was zu unſerm Frieden die- net, als wir ſelbſt. Wenn demnach unſere Feinde, die guten Scri- benten, nicht die eigenſinnigſten und wunderlich- ſten Leute von der Welt waͤren, ſo wuͤrden ſie uns nimmer die kindliche Ehrerbietung, welche wir ge- gen die Natur hegen, zur Suͤnde deuten, und mit der groͤſten Unbeſcheidenheit von uns verlangen, mit ihnen wider die Natur zu murren. Sind ſie denn juſt ſo geſinnet, als die boͤſen Geiſter, die ſich ein Vergnuͤgen daraus machen, wenn ſie die Men- ſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/600
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/600>, abgerufen am 01.11.2024.