selbst, daß sie durch den Fehltritt, wozu sie unsere Stamm-Mutter verleitet hat, im Grunde verderbet worden ist. Sie muß also, nach ihrem eigenen Geständ- niß, nichts nützen. Jch weiß wohl, unsere Feinde sagen, man müsse sich bestreben, sie auszubessern, und wieder zu der ersten Vollkommenheit zu brin- gen: Aber man hat nunmehro beynahe 6000. Jahr daran curiret, und noch ist niemand, der das Hertz hätte, zu sagen, daß die Mittel, die man gebrau- chet hat, angeschlagen haben, oder daß es sich zur Besserung anlasse. Jch gebe also einem jeden zu be- dencken, ob es nicht klüger gehandelt sey, wenn man sich an eine Eigenschaft der Seele, die in einem so verzweifeltem Zustande ist, weiter nicht kehret, als wenn man in alle Ewigkeit seine Schande daran cu- riret, und unmögliche Dinge möglich machen will?
Dieses thun unsere Feinde: Aber sehen denn diese überkluge Herren nicht, daß sie wider den Strohm schwimmen? Sie wollen die Vernunft ausbessern, und zu ihrer ursprünglichen Vollkom- menheit bringen, das ist; Sie wollen ihr wieder zu derjenigen Herrschaft verhelfen, welche sie ehe- dessen über die Begierden gehabt haben soll. Jch will so höflich seyn, und glauben, daß alles wahr sey, was man von dieser Herrschaft der Vernunft über die Affecten sagt; ob es gleich unsern Feinden sehr schwer fallen würde, zu beweisen, daß die Vernunft, so lange Menschen in der Welt gewe- sen sind, nur einen einzigen actum possessionis verrichtet habe: Aber unsere Feinde geben doch selbst zu, daß die Vernunft, durch ihre eigene Schuld diese Herrschaft verlohren habe. Sie ist derselben
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ſelbſt, daß ſie durch den Fehltritt, wozu ſie unſere Stamm-Mutter verleitet hat, im Grunde verderbet worden iſt. Sie muß alſo, nach ihrem eigenen Geſtaͤnd- niß, nichts nuͤtzen. Jch weiß wohl, unſere Feinde ſagen, man muͤſſe ſich beſtreben, ſie auszubeſſern, und wieder zu der erſten Vollkommenheit zu brin- gen: Aber man hat nunmehro beynahe 6000. Jahr daran curiret, und noch iſt niemand, der das Hertz haͤtte, zu ſagen, daß die Mittel, die man gebrau- chet hat, angeſchlagen haben, oder daß es ſich zur Beſſerung anlaſſe. Jch gebe alſo einem jeden zu be- dencken, ob es nicht kluͤger gehandelt ſey, wenn man ſich an eine Eigenſchaft der Seele, die in einem ſo verzweifeltem Zuſtande iſt, weiter nicht kehret, als wenn man in alle Ewigkeit ſeine Schande daran cu- riret, und unmoͤgliche Dinge moͤglich machen will?
Dieſes thun unſere Feinde: Aber ſehen denn dieſe uͤberkluge Herren nicht, daß ſie wider den Strohm ſchwimmen? Sie wollen die Vernunft ausbeſſern, und zu ihrer urſpruͤnglichen Vollkom- menheit bringen, das iſt; Sie wollen ihr wieder zu derjenigen Herrſchaft verhelfen, welche ſie ehe- deſſen uͤber die Begierden gehabt haben ſoll. Jch will ſo hoͤflich ſeyn, und glauben, daß alles wahr ſey, was man von dieſer Herrſchaft der Vernunft uͤber die Affecten ſagt; ob es gleich unſern Feinden ſehr ſchwer fallen wuͤrde, zu beweiſen, daß die Vernunft, ſo lange Menſchen in der Welt gewe- ſen ſind, nur einen einzigen actum poſſeſſionis verrichtet habe: Aber unſere Feinde geben doch ſelbſt zu, daß die Vernunft, durch ihre eigene Schuld dieſe Herrſchaft verlohren habe. Sie iſt derſelben
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(o)
ſelbſt, daß ſie durch den Fehltritt, wozu ſie unſere
Stamm-Mutter verleitet hat, im Grunde verderbet
worden iſt. Sie muß alſo, nach ihrem eigenen Geſtaͤnd-
niß, nichts nuͤtzen. Jch weiß wohl, unſere Feinde
ſagen, man muͤſſe ſich beſtreben, ſie auszubeſſern,
und wieder zu der erſten Vollkommenheit zu brin-
gen: Aber man hat nunmehro beynahe 6000. Jahr
daran curiret, und noch iſt niemand, der das Hertz
haͤtte, zu ſagen, daß die Mittel, die man gebrau-
chet hat, angeſchlagen haben, oder daß es ſich zur
Beſſerung anlaſſe. Jch gebe alſo einem jeden zu be-
dencken, ob es nicht kluͤger gehandelt ſey, wenn man
ſich an eine Eigenſchaft der Seele, die in einem ſo
verzweifeltem Zuſtande iſt, weiter nicht kehret, als
wenn man in alle Ewigkeit ſeine Schande daran cu-
riret, und unmoͤgliche Dinge moͤglich machen will?
Dieſes thun unſere Feinde: Aber ſehen denn
dieſe uͤberkluge Herren nicht, daß ſie wider den
Strohm ſchwimmen? Sie wollen die Vernunft
ausbeſſern, und zu ihrer urſpruͤnglichen Vollkom-
menheit bringen, das iſt; Sie wollen ihr wieder
zu derjenigen Herrſchaft verhelfen, welche ſie ehe-
deſſen uͤber die Begierden gehabt haben ſoll. Jch
will ſo hoͤflich ſeyn, und glauben, daß alles wahr
ſey, was man von dieſer Herrſchaft der Vernunft
uͤber die Affecten ſagt; ob es gleich unſern Feinden
ſehr ſchwer fallen wuͤrde, zu beweiſen, daß die
Vernunft, ſo lange Menſchen in der Welt gewe-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/599>, abgerufen am 01.11.2024.
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