eines gewissen elenden Scribenten, über den Spruch: Viele sind berufen etc. zu Gesicht kamen, im Bey- seyn vieler Leute, hoch betheurte, es sey ihm, wenn er auch Engels-Verstand hätte, und sein Leben damit zu retten wüste, unmöglich, so zu schreiben. Unsere Feinde gestehen also selbst, daß einem Men- schen, der seine Vernunft nicht gebrauchet, vieles möglich sey, welches ein vernünftiger Mensch nicht thun kan, und daß wir die besondere Geschicklich- keit besitzen, ohne Vernunft Thaten zu thun, wo- zu ein mehr als englischer Verstand erfordert wird. Sie halten dieses vor etwas schweres, ja vor eine Sache, die ihnen schlechterdings unmöglich ist. Jch versichere sie aber, daß es uns nicht nur mög- lich, sondern gar etwas leichtes ist, ohne Vernunft gantz wunderbare Bücher zu schreiben. Solten unsere Feinde wissen, wie geschwinde wir mit un- sern Schriften fertig werden, und wie wenig Mü- he und Nachdencken wir darauf wenden; so wür- den sie erst über unsere Geschicklichkeit erstaunen; Sie würden, von dem Glantz unserer Vortreflich- keit gerühret, vor uns niederfallen, und, ohne Zeit-Verlust, ihre Vernunft ins Meer werfen, da es am tiefsten ist.
Denn eben diese Vernunft ist es, welche ihnen ihre Arbeit so mühsam macht. Wir zähmen sie, und legen ihr ein Gebiß ins Maul, und eben dar- um wird uns unsere Arbeit so leichte. Unsere Fein- de machen sich ein Gewissen, den Regeln der ge- sunden Vernunft, die doch so schwer zu beobach- ten sind, entgegen zu handeln. Sie können nicht schreiben, wenn sie nicht vorher dencken. Sie bil-
den
(o)
eines gewiſſen elenden Scribenten, uͤber den Spruch: Viele ſind berufen ꝛc. zu Geſicht kamen, im Bey- ſeyn vieler Leute, hoch betheurte, es ſey ihm, wenn er auch Engels-Verſtand haͤtte, und ſein Leben damit zu retten wuͤſte, unmoͤglich, ſo zu ſchreiben. Unſere Feinde geſtehen alſo ſelbſt, daß einem Men- ſchen, der ſeine Vernunft nicht gebrauchet, vieles moͤglich ſey, welches ein vernuͤnftiger Menſch nicht thun kan, und daß wir die beſondere Geſchicklich- keit beſitzen, ohne Vernunft Thaten zu thun, wo- zu ein mehr als engliſcher Verſtand erfordert wird. Sie halten dieſes vor etwas ſchweres, ja vor eine Sache, die ihnen ſchlechterdings unmoͤglich iſt. Jch verſichere ſie aber, daß es uns nicht nur moͤg- lich, ſondern gar etwas leichtes iſt, ohne Vernunft gantz wunderbare Buͤcher zu ſchreiben. Solten unſere Feinde wiſſen, wie geſchwinde wir mit un- ſern Schriften fertig werden, und wie wenig Muͤ- he und Nachdencken wir darauf wenden; ſo wuͤr- den ſie erſt uͤber unſere Geſchicklichkeit erſtaunen; Sie wuͤrden, von dem Glantz unſerer Vortreflich- keit geruͤhret, vor uns niederfallen, und, ohne Zeit-Verluſt, ihre Vernunft ins Meer werfen, da es am tiefſten iſt.
Denn eben dieſe Vernunft iſt es, welche ihnen ihre Arbeit ſo muͤhſam macht. Wir zaͤhmen ſie, und legen ihr ein Gebiß ins Maul, und eben dar- um wird uns unſere Arbeit ſo leichte. Unſere Fein- de machen ſich ein Gewiſſen, den Regeln der ge- ſunden Vernunft, die doch ſo ſchwer zu beobach- ten ſind, entgegen zu handeln. Sie koͤnnen nicht ſchreiben, wenn ſie nicht vorher dencken. Sie bil-
den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0606"n="514"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
eines gewiſſen elenden Scribenten, uͤber den Spruch:<lb/>
Viele ſind berufen ꝛc. zu Geſicht kamen, im Bey-<lb/>ſeyn vieler Leute, hoch betheurte, es ſey ihm, wenn<lb/>
er auch Engels-Verſtand haͤtte, und ſein Leben<lb/>
damit zu retten wuͤſte, unmoͤglich, ſo zu ſchreiben.<lb/>
Unſere Feinde geſtehen alſo ſelbſt, daß einem Men-<lb/>ſchen, der ſeine Vernunft nicht gebrauchet, vieles<lb/>
moͤglich ſey, welches ein vernuͤnftiger Menſch nicht<lb/>
thun kan, und daß wir die beſondere Geſchicklich-<lb/>
keit beſitzen, ohne Vernunft Thaten zu thun, wo-<lb/>
zu ein mehr als engliſcher Verſtand erfordert wird.<lb/>
Sie halten dieſes vor etwas ſchweres, ja vor eine<lb/>
Sache, die ihnen ſchlechterdings unmoͤglich iſt.<lb/>
Jch verſichere ſie aber, daß es uns nicht nur moͤg-<lb/>
lich, ſondern gar etwas leichtes iſt, ohne Vernunft<lb/>
gantz wunderbare Buͤcher zu ſchreiben. Solten<lb/>
unſere Feinde wiſſen, wie geſchwinde wir mit un-<lb/>ſern Schriften fertig werden, und wie wenig Muͤ-<lb/>
he und Nachdencken wir darauf wenden; ſo wuͤr-<lb/>
den ſie erſt uͤber unſere Geſchicklichkeit erſtaunen;<lb/>
Sie wuͤrden, von dem Glantz unſerer Vortreflich-<lb/>
keit geruͤhret, vor uns niederfallen, und, ohne<lb/>
Zeit-Verluſt, ihre Vernunft ins Meer werfen,<lb/>
da es am tiefſten iſt.</p><lb/><p>Denn eben dieſe Vernunft iſt es, welche ihnen<lb/>
ihre Arbeit ſo muͤhſam macht. Wir zaͤhmen ſie,<lb/>
und legen ihr ein Gebiß ins Maul, und eben dar-<lb/>
um wird uns unſere Arbeit ſo leichte. Unſere Fein-<lb/>
de machen ſich ein Gewiſſen, den Regeln der ge-<lb/>ſunden Vernunft, die doch ſo ſchwer zu beobach-<lb/>
ten ſind, entgegen zu handeln. Sie koͤnnen nicht<lb/>ſchreiben, wenn ſie nicht vorher dencken. Sie bil-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">den</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[514/0606]
(o)
eines gewiſſen elenden Scribenten, uͤber den Spruch:
Viele ſind berufen ꝛc. zu Geſicht kamen, im Bey-
ſeyn vieler Leute, hoch betheurte, es ſey ihm, wenn
er auch Engels-Verſtand haͤtte, und ſein Leben
damit zu retten wuͤſte, unmoͤglich, ſo zu ſchreiben.
Unſere Feinde geſtehen alſo ſelbſt, daß einem Men-
ſchen, der ſeine Vernunft nicht gebrauchet, vieles
moͤglich ſey, welches ein vernuͤnftiger Menſch nicht
thun kan, und daß wir die beſondere Geſchicklich-
keit beſitzen, ohne Vernunft Thaten zu thun, wo-
zu ein mehr als engliſcher Verſtand erfordert wird.
Sie halten dieſes vor etwas ſchweres, ja vor eine
Sache, die ihnen ſchlechterdings unmoͤglich iſt.
Jch verſichere ſie aber, daß es uns nicht nur moͤg-
lich, ſondern gar etwas leichtes iſt, ohne Vernunft
gantz wunderbare Buͤcher zu ſchreiben. Solten
unſere Feinde wiſſen, wie geſchwinde wir mit un-
ſern Schriften fertig werden, und wie wenig Muͤ-
he und Nachdencken wir darauf wenden; ſo wuͤr-
den ſie erſt uͤber unſere Geſchicklichkeit erſtaunen;
Sie wuͤrden, von dem Glantz unſerer Vortreflich-
keit geruͤhret, vor uns niederfallen, und, ohne
Zeit-Verluſt, ihre Vernunft ins Meer werfen,
da es am tiefſten iſt.
Denn eben dieſe Vernunft iſt es, welche ihnen
ihre Arbeit ſo muͤhſam macht. Wir zaͤhmen ſie,
und legen ihr ein Gebiß ins Maul, und eben dar-
um wird uns unſere Arbeit ſo leichte. Unſere Fein-
de machen ſich ein Gewiſſen, den Regeln der ge-
ſunden Vernunft, die doch ſo ſchwer zu beobach-
ten ſind, entgegen zu handeln. Sie koͤnnen nicht
ſchreiben, wenn ſie nicht vorher dencken. Sie bil-
den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/606>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.