bin, der elenden Scribenten zu spotten, weil ich selbst zuweilen den Fehler begehe, den ich an ihnen tadele, und unordentlich schreibe. Er sagt es ausdrücklich: Aber da ich nicht wissen kan, worinn die Un- ordnung, der er mich beschuldiget, beste- hen soll; so kan ich mich nicht verantwor- ten. Jch will es auch nicht thun; son- dern, wie grosse Ursache ich auch habe, zu zweifeln, ob er geschickt sey, von der Ord- nung und Unordnung einer ironischen Schrift zu urtheilen, dennoch so höflich seyn, und glauben, daß er es einmahl recht getrofen hat. Jch beobachte also in mei- ner Schrift nicht allemahl die Ordnung, die ich hätte beobachten sollen: Aber ist die- ser Fehler so groß, daß er mir das Recht nehmen sollte, den elenden Scribenten die ihrigen vorzuwerfen? Jch glaube es nicht. Denn wenn es nöthig wäre, die Thorheiten anderer so lange ohne alle Er- innerung hingehen zu lassen, biß man selbst ohne Fehler ist; so müste man alle Bestra- fung und Ermahnung biß in jene Welt versparen, da man ihrer nicht mehr be- darf: Das Amt eines unwiedergebohr- nen Priesters würde, wider die Meinung unserer reinesten Gottesgelehrten, gantz
und
(o)
bin, der elenden Scribenten zu ſpotten, weil ich ſelbſt zuweilen den Fehler begehe, den ich an ihnen tadele, und unordentlich ſchreibe. Er ſagt es ausdruͤcklich: Aber da ich nicht wiſſen kan, worinn die Un- ordnung, der er mich beſchuldiget, beſte- hen ſoll; ſo kan ich mich nicht verantwor- ten. Jch will es auch nicht thun; ſon- dern, wie groſſe Urſache ich auch habe, zu zweifeln, ob er geſchickt ſey, von der Ord- nung und Unordnung einer ironiſchen Schrift zu urtheilen, dennoch ſo hoͤflich ſeyn, und glauben, daß er es einmahl recht getrofen hat. Jch beobachte alſo in mei- ner Schrift nicht allemahl die Ordnung, die ich haͤtte beobachten ſollen: Aber iſt die- ſer Fehler ſo groß, daß er mir das Recht nehmen ſollte, den elenden Scribenten die ihrigen vorzuwerfen? Jch glaube es nicht. Denn wenn es noͤthig waͤre, die Thorheiten anderer ſo lange ohne alle Er- innerung hingehen zu laſſen, biß man ſelbſt ohne Fehler iſt; ſo muͤſte man alle Beſtra- fung und Ermahnung biß in jene Welt verſparen, da man ihrer nicht mehr be- darf: Das Amt eines unwiedergebohr- nen Prieſters wuͤrde, wider die Meinung unſerer reineſten Gottesgelehrten, gantz
und
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(o)
bin, der elenden Scribenten zu ſpotten,
weil ich ſelbſt zuweilen den Fehler begehe,
den ich an ihnen tadele, und unordentlich
ſchreibe. Er ſagt es ausdruͤcklich: Aber
da ich nicht wiſſen kan, worinn die Un-
ordnung, der er mich beſchuldiget, beſte-
hen ſoll; ſo kan ich mich nicht verantwor-
ten. Jch will es auch nicht thun; ſon-
dern, wie groſſe Urſache ich auch habe, zu
zweifeln, ob er geſchickt ſey, von der Ord-
nung und Unordnung einer ironiſchen
Schrift zu urtheilen, dennoch ſo hoͤflich
ſeyn, und glauben, daß er es einmahl recht
getrofen hat. Jch beobachte alſo in mei-
ner Schrift nicht allemahl die Ordnung,
die ich haͤtte beobachten ſollen: Aber iſt die-
ſer Fehler ſo groß, daß er mir das Recht
nehmen ſollte, den elenden Scribenten
die ihrigen vorzuwerfen? Jch glaube es
nicht. Denn wenn es noͤthig waͤre, die
Thorheiten anderer ſo lange ohne alle Er-
innerung hingehen zu laſſen, biß man ſelbſt
ohne Fehler iſt; ſo muͤſte man alle Beſtra-
fung und Ermahnung biß in jene Welt
verſparen, da man ihrer nicht mehr be-
darf: Das Amt eines unwiedergebohr-
nen Prieſters wuͤrde, wider die Meinung
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/63>, abgerufen am 11.12.2024.
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