Zufriedenheit; Und wir müsten also weit närrischer seyn, als unsere Feinde glauben, wenn wir nicht, mit aller Macht, unsere Vernunft, die so verfüh- risch ist, im Zaum hielten.
Wenn meine drey Freunde, Sievers, Philippi und Rodigast, sich selbst kenneten, so wären sie längst in Verzweifelung gerathen, und hätten sich vielleicht schon selbst Leid angethan. Aber so leben sie noch, und sind lustig und guter Dinge. Jhre Feinde wundern sich darüber; Aus keiner andern Ursache, als weil sie die Vortreflichkeiten und Vorzüge der elenden Scribenten nicht gebührend einsehen. Hät- ten sie aber die Alten gelesen, so würde ihnen die Unempfindlichkeit, und Zufriedenheit, welche die erwehnten drey Männer mitten in ihrem Unglück, eben wie Sadrach, Mesach, und Abed Nego in dem feurigen Ofen, von sich blicken lassen, nicht die geringste Verwunderung verursachen.
Plinius (45) hat schon lange angemercket, daß die Esel keine Läuse haben: Und wem es gegeben ist, den heimlichen Sinn dieser, nach dem Buch- staben ungegründeten, Anmerckung zu fassen, der siehet wohl, daß Plinius nichts anders sagen wol- le, als daß ein elender Scribent von seinen Män- geln nicht die geringste Empfindlichkeit habe. Jch halte vor unnöthig, die Gründlichkeit meiner my- stischen Auslegung weitläuftig zu beweisen. Es ist gar zu bekannt, daß es eine alte Gewohnheit ist, von den elenden Scribenten unter dem Bilde ei- nes Esels zu reden, und da jedermann weiß, daß
die
(45)Hift. Nat. Lib. XI. c. 33.
(o)
Zufriedenheit; Und wir muͤſten alſo weit naͤrriſcher ſeyn, als unſere Feinde glauben, wenn wir nicht, mit aller Macht, unſere Vernunft, die ſo verfuͤh- riſch iſt, im Zaum hielten.
Wenn meine drey Freunde, Sievers, Philippi und Rodigaſt, ſich ſelbſt kenneten, ſo waͤren ſie laͤngſt in Verzweifelung gerathen, und haͤtten ſich vielleicht ſchon ſelbſt Leid angethan. Aber ſo leben ſie noch, und ſind luſtig und guter Dinge. Jhre Feinde wundern ſich daruͤber; Aus keiner andern Urſache, als weil ſie die Vortreflichkeiten und Vorzuͤge der elenden Scribenten nicht gebuͤhrend einſehen. Haͤt- ten ſie aber die Alten geleſen, ſo wuͤrde ihnen die Unempfindlichkeit, und Zufriedenheit, welche die erwehnten drey Maͤnner mitten in ihrem Ungluͤck, eben wie Sadrach, Meſach, und Abed Nego in dem feurigen Ofen, von ſich blicken laſſen, nicht die geringſte Verwunderung verurſachen.
Plinius (45) hat ſchon lange angemercket, daß die Eſel keine Laͤuſe haben: Und wem es gegeben iſt, den heimlichen Sinn dieſer, nach dem Buch- ſtaben ungegruͤndeten, Anmerckung zu faſſen, der ſiehet wohl, daß Plinius nichts anders ſagen wol- le, als daß ein elender Scribent von ſeinen Maͤn- geln nicht die geringſte Empfindlichkeit habe. Jch halte vor unnoͤthig, die Gruͤndlichkeit meiner my- ſtiſchen Auslegung weitlaͤuftig zu beweiſen. Es iſt gar zu bekannt, daß es eine alte Gewohnheit iſt, von den elenden Scribenten unter dem Bilde ei- nes Eſels zu reden, und da jedermann weiß, daß
die
(45)Hift. Nat. Lib. XI. c. 33.
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(o)
Zufriedenheit; Und wir muͤſten alſo weit naͤrriſcher
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mit aller Macht, unſere Vernunft, die ſo verfuͤh-
riſch iſt, im Zaum hielten.
Wenn meine drey Freunde, Sievers, Philippi und
Rodigaſt, ſich ſelbſt kenneten, ſo waͤren ſie laͤngſt in
Verzweifelung gerathen, und haͤtten ſich vielleicht
ſchon ſelbſt Leid angethan. Aber ſo leben ſie noch,
und ſind luſtig und guter Dinge. Jhre Feinde
wundern ſich daruͤber; Aus keiner andern Urſache,
als weil ſie die Vortreflichkeiten und Vorzuͤge der
elenden Scribenten nicht gebuͤhrend einſehen. Haͤt-
ten ſie aber die Alten geleſen, ſo wuͤrde ihnen die
Unempfindlichkeit, und Zufriedenheit, welche die
erwehnten drey Maͤnner mitten in ihrem Ungluͤck,
eben wie Sadrach, Meſach, und Abed Nego in
dem feurigen Ofen, von ſich blicken laſſen, nicht die
geringſte Verwunderung verurſachen.
Plinius (45) hat ſchon lange angemercket, daß
die Eſel keine Laͤuſe haben: Und wem es gegeben
iſt, den heimlichen Sinn dieſer, nach dem Buch-
ſtaben ungegruͤndeten, Anmerckung zu faſſen, der
ſiehet wohl, daß Plinius nichts anders ſagen wol-
le, als daß ein elender Scribent von ſeinen Maͤn-
geln nicht die geringſte Empfindlichkeit habe. Jch
halte vor unnoͤthig, die Gruͤndlichkeit meiner my-
ſtiſchen Auslegung weitlaͤuftig zu beweiſen. Es
iſt gar zu bekannt, daß es eine alte Gewohnheit
iſt, von den elenden Scribenten unter dem Bilde ei-
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(45) Hift. Nat. Lib. XI. c. 33.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/630>, abgerufen am 22.11.2024.
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