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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
abgewichen. Man sehe aber die Schreib-Art die-
ser vortreflichen Männer an. Wie ungekünstelt,
wie rauh ist sie nicht. Und dieses aus keiner an-
dern Ursache, als weil ihre Sitten von aller Uep-
pigkeit, und Zärtlichkeit entfernet waren: talis ho-
minibus fuit oratio, qualis vita
(53).

Wenn wir dahero sonst nicht wüsten, wie sehr
wir aus der Art geschlagen sind, so könnte man es,
zur Noth, aus der mühsamen Künstelung in der
Schreib-Art abnehmen, die zu unsern Zeiten ley-
der! so sehr überhand genommen hat. Denn dieses
ist, nach des Seneca Anmerckung, ein sicheres
Kennzeichen eines verdorbenen Staats. Si disci-
plina,
spricht er (54), civitatis laboravit; & se
in delicias dedit, argumentum est luxuriae pu-
blicae, orationis lascivia.
Er setzt eine Ursache
hinzu, die gewiß bündig ist. Non potest, fährt
er fort, alius esse ingenio alius animo color. Si
ille sanus est, si compositus, gravis, temperans,
ingenium quoque siccum ac sobrium est.
Das
Zeugniß eines Mannes, der selbst so zierlich ge-
schrieben hat, muß nothwendig bey unsern Wi-
dersachern viel gelten, und ich hofe also, sie wer-
den sich dadurch bewegen lassen, ins künftige von
unserer unzierlichen und trockenen Schreib-Art et-
was milder zu urtheilen.

Dieses um so viel eher von ihnen zu erhalten,
will ich ihnen nachfolgende Stelle aus ihrem Se-
neca zur Ueberlegung mittheilen, aus welcher sie
lernen können, wie wenig ein Mann, dessen Ur-

theil
(53) Seneca Ep. 114.
(54) ibid.

(o)
abgewichen. Man ſehe aber die Schreib-Art die-
ſer vortreflichen Maͤnner an. Wie ungekuͤnſtelt,
wie rauh iſt ſie nicht. Und dieſes aus keiner an-
dern Urſache, als weil ihre Sitten von aller Uep-
pigkeit, und Zaͤrtlichkeit entfernet waren: talis ho-
minibus fuit oratio, qualis vita
(53).

Wenn wir dahero ſonſt nicht wuͤſten, wie ſehr
wir aus der Art geſchlagen ſind, ſo koͤnnte man es,
zur Noth, aus der muͤhſamen Kuͤnſtelung in der
Schreib-Art abnehmen, die zu unſern Zeiten ley-
der! ſo ſehr uͤberhand genommen hat. Denn dieſes
iſt, nach des Seneca Anmerckung, ein ſicheres
Kennzeichen eines verdorbenen Staats. Si diſci-
plina,
ſpricht er (54), civitatis laboravit; & ſe
in delicias dedit, argumentum eſt luxuriæ pu-
blicæ, orationis laſcivia.
Er ſetzt eine Urſache
hinzu, die gewiß buͤndig iſt. Non poteſt, faͤhrt
er fort, alius eſſe ingenio alius animo color. Si
ille ſanus eſt, ſi compoſitus, gravis, temperans,
ingenium quoque ſiccum ac ſobrium eſt.
Das
Zeugniß eines Mannes, der ſelbſt ſo zierlich ge-
ſchrieben hat, muß nothwendig bey unſern Wi-
derſachern viel gelten, und ich hofe alſo, ſie wer-
den ſich dadurch bewegen laſſen, ins kuͤnftige von
unſerer unzierlichen und trockenen Schreib-Art et-
was milder zu urtheilen.

Dieſes um ſo viel eher von ihnen zu erhalten,
will ich ihnen nachfolgende Stelle aus ihrem Se-
neca zur Ueberlegung mittheilen, aus welcher ſie
lernen koͤnnen, wie wenig ein Mann, deſſen Ur-

theil
(53) Seneca Ep. 114.
(54) ibid.
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[557/0649] (o) abgewichen. Man ſehe aber die Schreib-Art die- ſer vortreflichen Maͤnner an. Wie ungekuͤnſtelt, wie rauh iſt ſie nicht. Und dieſes aus keiner an- dern Urſache, als weil ihre Sitten von aller Uep- pigkeit, und Zaͤrtlichkeit entfernet waren: talis ho- minibus fuit oratio, qualis vita (53). Wenn wir dahero ſonſt nicht wuͤſten, wie ſehr wir aus der Art geſchlagen ſind, ſo koͤnnte man es, zur Noth, aus der muͤhſamen Kuͤnſtelung in der Schreib-Art abnehmen, die zu unſern Zeiten ley- der! ſo ſehr uͤberhand genommen hat. Denn dieſes iſt, nach des Seneca Anmerckung, ein ſicheres Kennzeichen eines verdorbenen Staats. Si diſci- plina, ſpricht er (54), civitatis laboravit; & ſe in delicias dedit, argumentum eſt luxuriæ pu- blicæ, orationis laſcivia. Er ſetzt eine Urſache hinzu, die gewiß buͤndig iſt. Non poteſt, faͤhrt er fort, alius eſſe ingenio alius animo color. Si ille ſanus eſt, ſi compoſitus, gravis, temperans, ingenium quoque ſiccum ac ſobrium eſt. Das Zeugniß eines Mannes, der ſelbſt ſo zierlich ge- ſchrieben hat, muß nothwendig bey unſern Wi- derſachern viel gelten, und ich hofe alſo, ſie wer- den ſich dadurch bewegen laſſen, ins kuͤnftige von unſerer unzierlichen und trockenen Schreib-Art et- was milder zu urtheilen. Dieſes um ſo viel eher von ihnen zu erhalten, will ich ihnen nachfolgende Stelle aus ihrem Se- neca zur Ueberlegung mittheilen, aus welcher ſie lernen koͤnnen, wie wenig ein Mann, deſſen Ur- theil (53) Seneca Ep. 114. (54) ibid.

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/649>, abgerufen am 22.11.2024.